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Seitdem Donnie Yen den Lehrmeister von Bruce Lee 2008 das erste Mal verkörperte, brach eine regelrechte Ip-Mania im Hongkong-Kino aus. Es gab drei offizielle Sequels zu „Ip Man“, das Spin-Off „Master Z: The Ip Man Legacy“ und diverse weitere Filme über den Kampfkünstler, von dem arthousigeren „The Grandmaster“ bis hin zu schamlosen Trittbrettfahrern wie „Ip Man: Kung Fu Master“.
Schon Wilson Yips Reihe hatte sich Freiheiten mit den biographischen Aspekten von Ip Mans Leben zugunsten von besserer Dramaturgie und mehr Action erlaubt, doch „Ip Man: Kung Fu Master“ wechselt ganz schnell ins Reich der Fiktion. So kam die Axt-Gang auch schon Yips „Ip Man“ vor, doch hier ist Ip Man (Dennis To) als hohes Tier bei der Polizei direkt deren größter Gegner. Deren Hauptquartier mit einer riesigen Statue gekreuzter Äxte erinnert auch eher an ihre Verkörperung in „Kung Fu Hustle“, ehe sich Ip Man durch die gesamte Gang durchfightet, um den Chef der Gang festzunehmen. Eigentlich wegen Drogenschmuggel, doch dafür ist ein Untergebener verantwortlich, den Cheffe vor Ip Mans Augen killt, sodass es gleich einen neuen Grund zum Verhaften gibt.
Denn die Axt-Gang in „Ip Man: Kung Fu Master“ ist wie die Mafia zu Beginn von „Der Pate 2“: Verbrechen ist okay, Drogenhandel nicht, auch wenn einige das nicht kapieren wollen. Hinter dem Opiumhandel stecken eh einige Japaner, die gleich mal zwei Killer vorbeischicken, die den Gangsterboss noch in seiner Zelle killen. Als Ip Mans Vorgesetzter das Ganze als Selbstmord des Inhaftierten abtut, ist klar: Der Hero kann den eigenen Leuten nicht trauen, ein bekannter Topos im Polizei- und Actionfilm. Gleichzeitig macht die Tochter des Gangsterbosses Ip Man für dessen Tod verantwortlich.

Also wird Ip Mans Leben gerade von mehreren Seiten bedroht. Doch der Held, der gerade Vater geworden ist, lässt sich nicht unterkriegen, ermittelt auf eigene Faust und erwehrt sich seiner Haut, denn es ist ja bekannt: Viel Feind, viel Ehr…
Dass die Action im Kampfkunstkino oft wichtiger als die Story ist, ist bekannt. Doch „Ip Man: Kung Fu Master“ ist ein derart schlurig erzählter Vertreter seines Genres, dass es dem Fass den Boden raushaut. Es gibt krasse Zeitsprünge, als hätte man hier und da mal wahllos ganze Sektionen aus dem Drehbuch gekürzt, sodass der Zuschauer sich die Zusammenhänge manchmal erst zusammenreimen muss. Außerdem presst Regisseur Liming Li so viele Handlungsstränge in gerade einmal 80 Minuten Film (inklusive Abspann), dass er keiner Geschichte so wirklich gerecht werden kann. Ein versoffener Kampfkunstguru, der mit Ip Mans verstorbenem Meister dicke war, schaut vorbei, die Tochter des Axt-Gang-Leaders ist erst Erzfeindin, danach Schutzbefohlene und Verbündete Ip Mans, bei der Polizei entpuppen sich Leute wahlweise als Korrumpels oder heldenhafte Streiter mit Prinzipien, wobei sich das auch ändern kann, und und und. Ip Man geht zwischendurch als maskierter Vigilante in der Tradition von „Batman“ und „Black Mask“ auf Verbrecherjagd, womit die Kampfkunstlegende endgültig im Reich der Superhelden ankommt.
Ebenso konfus ist „Ip Man: Kung Fu Master“, wenn es um den Aufbau eines Schurken geht. Es gibt den schleimigen Vorsitzenden der japanischen Handelskammer, aber der ist nur der übliche Strippenzieher. Erst sieht es danach aus, als ob das Superkillerduo die Hauptgegner Ip Mans werden, aber die verabschieden sich fast sang- und klanglos aus dem Film, nur damit ein japanischer Karatemeister mit Militärbackground eingeführt werden kann, der ein großes Turnier veranstaltet, in dem die Frage geklärt werden soll, was besser ist: Karate oder Kung Fu. Ähnliches tat ja auch der Oberbösewicht in „Ip Man 4: The Finale“, nur dass man da von Anfang an wusste, wer wohl der Endboss für den wackeren Helden ist. Außerdem haben Donnie Yen und Scott Adkins mehr Charisma als der größtenteils aus No-Names bestehende Cast. Der altgediente Hongkong-Star Michael Wong schaut für eine Gastrolle vorbei, Dennis To, der schon Nebenrollen in „Ip Man“ und „Ip Man 2“ spielte und den Ip Man selbst bereits in „Kung Fu League“ und dem Prequel „Ip Man Zero“ verkörperte, liefert bloß eine Routine-Performance ab und auch sonst ist da wenig Nennenswertes dabei.

Während der Film also nicht durch auch nur halbwegs brauchbares Storytelling oder vernünftiges Schauspiel auffällt, so fällt er umso mehr durch linientreuen China-Patriotismus auf, der hier mit der ganz dicken Kelle verabreicht wird. Stets wird die Integrität der Chinesen hervorgehoben, bei denen selbst die axtschwingenden Gangster noch Ehre und Werte besitzen, was in einem Finale kulminiert, in dem Ip Mans Verbündete unter lauten „China! China!“-Rufen neben ihm stehen. Das Ganze wird mit der einer derart krassen antijapanischen Haltung kombiniert, als seien seit Lo Weis berühmt-berüchtigtem „Todesgrüße aus Shanghai“ nicht knapp 50 Jahre ins Land gezogen. Denn die Japaner sind hier allesamt verschlagene Gestalten, die vorn herum Frieden und Verständigung der Völker predigen, hintenrum aber Mordbuben losschicken, mit Opium handeln, die Bestechungsgelder bündelweise auszahlen und den Helden vergiften wollen. Da kommt der arrogante Karatemeister, der an die Überlegenheit der eigenen Kampfkunst glaubt und die Kung-Fu-Lehrer verlacht, fast noch am besten weg, denn der will sie wenigstens in einem ehrlichen Kampf zu Klump hauen.
Bleibt also die Frage: Kann wenigstens die Action diesen verquasten Stuss retten? Die Antwort: Nur ein kleines bisschen. Den Druck und den Drive der „offiziellen“ „Ip Man“-Filme mit Donnie Yen haben die Kampfszenen nicht, auch die Inszenierung ist nicht immer so klar und dynamisch wie dort, aber ein ganz gelungene Fäusteleien finden sich schon. Der Auftakt, in dem sich Ip Man durch die Axt-Gang pflügt, jene Szene, in der er die Tochter des Gangsterbosses vor Verrätern beschützt, und natürlich der Final Fight gegen den japanischen Karatemeister machen auf jeden Fall etwas her, sind aber nur kleine Perlen in einem Riesenhaufen Mist.

Denn ein paar gute Kampfszenen entschädigen nicht für diesen konfus erzählten, unsouverän inszenierten, ultrapatriotischen, klischeehaften und phasenweise stinklangweiligen Martial-Arts-Action, der nur ein müder Cash-In im Zuge der Ip-Man-Begeisterung ist. Dass Regisseur Li Liming als nächstes „Young Ip Man: Crisis Time“ nachschob, kann da fast nur als Drohung verstanden werden.

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