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Als ein früher Animationsfilm von Pixar avancierte "Findet Nemo" innerhalb kurzer Zeit zum modernen Kultfilm. Die Geschichte des kleinen Clownfischs Nemo, der von Tauchern entführt wird und dessen Vater sich zu einer abenteuerlichen Rettungsmission aufmacht, auf der er eine ganze Reihe verrückter Tiere trifft, geht tief ins Herz und unterhält mit rasant-überdrehtem Humor Jung und Alt.

Dabei beweisen Pixars Drehbuchautoren schon hier ihr Gespür für anrührende Storys, die bei aller Fröhlichkeit und Lebensbejahung doch nicht die Augen vor den dunklen Seiten der Welt verschließen. So dürfte die Anfangsszene, in der gezeigt wird, weshalb Nemos Vater sich bei der Erziehung zum überfürsorglichen Angsthasen entwickelt, für kleine Kinder beinahe ebenso emotional aufwühlend sein wie jene berühmte Sterbe-Szene in "Bambi". Um die ganz Kleinen erstmals mit der Existenz des Todes in Berührung zu bringen, dürften beide Filme - in Begleitung der Eltern - bestens geeignet sein, denn ebenso wie bei "Bambi" wird auch in "Findet Nemo" dieses schwierige Thema sehr behutsam und sanft gestreift.

Nach dieser durchaus auch für Erwachsene herzzerreißenden Eröffnungsszene wartet der Film dann allerdings mit einem Feuerwerk an Gags, skurrilen Figuren und rasanten Handlungsentwicklungen auf. Von kleinen Tintenfischen, die sich vor Schreck "eintinten", bis zu vegetarischen Haien wird hier die Unterwasserwelt als bunt schillernde Lebensgemeinschaft dargestellt. Komödiantischer Höhepunkt dürfte dabei selbstverständlich der Sidekick Dorie sein: eine liebenswerte Quasselstrippe mit furchtbar schlechtem Gedächtnis, die Nemos Vater bei seiner Suche unterstützt. Dieses Buddy-Prinzip ist alles andere als neu, unterhält hier aber dank der wunderbar gezeichneten Figuren prächtig.

Technisch ist das alles auf höchstem Niveau inszeniert: Mit einem Maximum an moderner Tricktechnik, die auch noch knapp zehn Jahre später perfekt aussieht (was bei der heutigen rasanten Entwicklung nicht selbstverständlich ist) entfaltet der Film ein schillerndes Panoptikum des Meereslebens mit so zahllosen Facetten und kleinen Details, dass man ihn sich durchaus mehrmals ansehen sollte, um alle versteckten Ideen zu entdecken. Dieser Mix aus technischer Höchstleistung, fantasievollem Ideenreichtum und Liebe zum Detail macht die Pixar-Filme zu so besonderen Filmperlen. Hinzu kommt hier erfreulicherweise, dass auch die deutsche Synchronisation mit Anke Engelke, Christian Tramitz oder Erkan und Stefan überaus gelungen besetzt ist.

Auch wenn die Story nicht um einige didaktische Szenen herumkommt und besonders gegen Ende das eine oder andere Mal allzu sehr in Richtung Kitsch absackt, unterhält "Findet Nemo" mit seiner großen Bandbreite an sympathisch charakterisierten, skurrilen Figuren, actionreichen Abenteuern und fast immer ins Schwarze treffenden Gags. Und ganz nebenbei wird hier auch eine wunderbare Prise Kritik an menschlicher Überheblichkeit eingestreut: Menschen sind es, die in Nemos Welt eindringen und seine Familie zerreißen (und später erklären, sie hätten den Kleinen vor seinem Kampf ums Überleben gerettet), oder die durch pure Gedankenlosigkeit den Tod von Aquarienfischen verursachen. So ist der Satz, den einer der Haie abfällig äußerst, sowohl treffend als auch befreiend: "Menschen! Die denken, sie können sich alles erlauben!" Zu schade, dass diese gut gemeinte Parteinahme von vielen nicht bemerkt wurde, stieg doch der Verkauf und damit der Fang von Clownfischen nach Kinostart erheblich an. Ein drastisches Beispiel für verfehlte Interpretation von Kinokunst.

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