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"Findet Nemo" ist die eigentümliche Geschichte eines allein erziehenden Soziopathen, der mit ständigen Angstzuständen zu kämpfen hat, und erst recht paranoid wird, wenn er seinen körperlich leicht behinderten Sohn (Frau und seine restlichen 399 ungeborenen Babies kamen bei einem Mordfall ums Leben) auf seinen ersten Schultag schicken muss. Und es kommt, wie es in einem Drama kommen muss: Der kleine, unbeholfene Nemo wird von unbekannten Wesen entführt, und sein Vater Marlin muss seine Psychosen überwinden, um bis nach Sydney zu reisen, um dort seinen Sohn aus einem gläsernen Gefängnis eines sadistischen Zahnarztes, der entfernt an den Doktor Szell aus "Der Marathon Mann" erinnert, zu befreien. Unterstützung erhält das Nervenwrack nur von einer frigiden Alzheimerin, die sich kaum an das erinnern kann, was vor fünf Minuten passiert ist.

Was sich vielleicht gruselig und verstörend anhört, ist Pixars neuestes Animationswerk. Gepusht durch den Disneykonzern und mit Blockbusterkanonen á la "Toy Story" und "Die Monster AG" im Nacken, kann der gepixelten "frutti di mare"-Soap nicht viel passieren. Wenn ein liebenswert-umsorgter Daddy, der erst lernen muss, wie wunderschön das Leben sein kann, wenn man seine Ängste abschüttelt, mit der "Memento"-Variante des Ozeans einige durchaus komische Abenteuer durchlebt, dann macht das Kinder froh, und Erwachsene ebenso. Denn Andrew Stanton ("Das große Krabbeln") vergisst nicht bei seiner Story um ein paar Clownfische die sich auf die Reise an die australische Küste machen, nicht dass auch der Zuschauer jenseits der mit einer "1" beginnenden Alterszahlen amüsiert werden möchte. Analog dazu gibt es hier und da nette Seitenhiebe auf so Filmklassiker wie "Der weiße Hai", "Shining", "Psycho" und "Die Vögel".

Kunterbunt und farbenfroh gehen dann tatsächlich die 100 Minuten "Nemo"-Suche vorüber. Frisch und hübsch animiert ist der Film, inhaltlich dann allerdings dem ebenfalls nur durchschnittlichen Vorgänger "Die Monster AG" zu ähnlich. "Findet Nemo" findet sein Publikum dann doch lieber in den kleinen Lausebengels, die dank mangelnden Biologieunterrichts die einzelnen Fischsorten noch nicht unterscheiden können. Den subtilen Witz von "Shrek" sucht man in Disneys sauberer Stube einmal mehr vergebens.

Die moralische Geschichte findet sich in ähnlichen Konstruktionsgefilden wie Disneys Klassiker "Dumbo" oder "Bambi" wieder, in denen auch kindliche Tiere porträtiert wurden, die von ihren Eltern separiert, die Welt erfahren müssen. Um beiden zuschauenden Generationen die Möglichkeit zur Projizierung ihrer eigenen Ängste zu bieten, wird die Geschichte von beiden Seiten her aufgerollt. Einmal folgen wir dem wirren Vater, erleben dabei Underwater-Roadmovie-Abenteuer, die restliche Zeit verbringen wir mit Sohnemann Nemo, und wie der mit seinen Aquaristika-Crew im Aquarium abhängt.

Es wird gelacht, es wird geklatscht, gejohlt, zu Anfang wird bei vereinzelten Kinobesuchern sogar die eine oder andere Träne vergossen. Ja, "Findet Nemo" macht Spaß, reicht genau für 100 Minuten Zeitvertreib an. dürfte aber auch nicht eine Minute länger gehen, denn so schön bunt und einfach dass auch alles ist, was sich da vor einem auf der Leinwand zusammenbraut, jeder jenseits des Alters, mit dem man einen Personalausweis mit sich führen sollte, wird nicht allzu viel mit aus dem Kino mitgenommen haben. Die Formel, angeblich für jedes Alter etwas zu bieten, geht auch bei diesem Animationsfilm nicht auf. Diejenigen, die schon von der "Monster AG" enttäuscht waren, sollten demnach lieber gleich auf "Shrek II" warten. Die im Herz Kinder gebliebenen, und die Fans von aufwändigen Animationseffekten werden ihre infantile Freude haben.

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