Das Ehepaar Majur, glücklich den Wirren des südsudanesischen Bürgerkrieges entronnen, hat es nach Europa geschafft: Gespannt sitzen Rial und Bol in einem Flüchtlingszentrum in London und erhalten unter strengen Auflagen eine Wohnung zugeteilt, in der sie fortan leben dürfen. Die Wohnung entpuppt sich dann als ganzes Haus in einer miesen Vorstadtgegend, das sich obendrein auch noch in einem erbärmlichen Zustand befindet - doch die beiden neuen Bewohner lassen sich davon nicht beeindrucken. In der ersten Nacht wird Bol jedoch von Geräuschen, Stimmen und Erscheinungen aus den Wänden erschreckt, die er seiner Frau verschweigt. Der - im Gegensatz zu seiner schweigsamen und beobachtenden Frau - unerschütterlich optimistische Sudanese will nicht an Geister glauben und versucht das Unergründliche mit dem Aufstemmen der maroden Wänden und dem Verlegen eines neuen Stromkabels zu ergründen, doch die merkwürdigen Geister kommen immer wieder, vorzugsweise nachts. Als er bemerkt, daß auch seine Frau von den Erscheinungen geplagt wird, geraten die beiden in Konflikt darüber, denn Rial ordnet die Geister einem Fluch zu, der ihnen von der Überfahrt aus dem Meer gefolgt sei und denkt an eine Rückkehr ins Heimatland, während Bol auf jeden Fall in England bleiben will...
Für seine Haunted-House-Geschichte hat sich Regisseur Remi Weekes in seinem Erstlingswerk der Perspektive eines afrikanischen Flüchtlingspaares bedient, das in einer fremden, neuen Umgebung durch einen herkunftsbedingten Fluch daran gehindert wird, Wurzeln zu schlagen. Als Sozialdrama funktioniert His House dabei hervorragend, als Horrorfilm, wie der Streifen bei Netflix kategorisiert wird, dagegen überhaupt nicht: Zwar sind die wenigen Szenen mit den Spukerscheinungen tadellos getrickst (und weisen mit einem langen Tau voller Seetang, das Bol nachts aus der Wand zieht auch früh auf einen Vorfall während der Flucht über das Meer hin), dienen aber nicht dem (erwarteten) Erschrecken des Zuschauers um des Thrills willen, sondern stehen vielmehr als Metapher für Bols Schuldgefühle. Wunmi Mosaku als Rial und Sope Dirisu als Bol spielen dabei durchaus überzeugend, von den (zu) wenigen anderen Darstellern verdient sich nur der schlacksige Matt Smith als oberflächlich interessierter Flüchtlingsbetreuer Mark eine Erwähnung.
Schon etwa in der Mitte des Films, als Rial ihrem Mann von ihren Erscheinungen berichtet (und dabei den Hexenmeister Apeth aus einer Kindheitsgeschichte erwähnt, der einen Dieb in dessen ergaunertem Haus heimsucht und nie wieder verläßt), wird deutlich, daß die beiden - vor allem aber Bol - eine Schuld auf sich geladen hat: Tatsächlich waren sie zu dritt geflohen, aber unterwegs war ihre Tochter Nyagak ertrunken. Diese kehrt nun nächtens wieder und plagt das Paar, das diesbezüglich zu vollkommen unterschiedlichen Lösungsansätzen gelangt. Dass sich dieses Dilemma schlußendlich bereinigen läßt, ist somit früh vorauszusehen, allenfalls das "wie" ist noch von Interesse, die (geringe) Spannung ist damit aber endgültig herausgenommen.
Umso mehr legte die Regie auf die detaillierte Schilderung der tristen Verhältnisse wert, in denen die Neuankömmlinge ein neues Leben beginnen sollen: Die Kakerlaken auf den vergammelten Pizzaresten beim Erstbesuch des verwahrlosten Hauses, dessen Größe von den Sozialarbeitern hervorgehoben wird, während ihnen der unübersehbare Dreck nur ein "Wischt einfach mal durch" wert ist; die fußballspielenden Burschen in der Nachbarschaft, die die nach einer Straße fragende Rial nur verarschen; das Schulmädchen, das ihr ungeniert in den Vorgarten pisst, weil sie annimmt, daß dort niemand wohnt; die britische Ärztin, die angesichts Rials zahlreicher Stammeszeichen hilflos ein wenig small-talk versucht und auch Bol, der in einer Kneipe in einen fußballbegeisterten Chor einstimmt, um irgendwie dazuzugehören und schließlich, als ein Wohnungswechsel unaufschiebbar scheint, den Sozialarbeitern irgendeine Geschichte angeblicher Ratten auftischt, die seine Wände beschädigt hätten, da er sich nicht traut, einen "Hexenmeister" zu erwähnen - diese und viele weitere Szenen geben eine sehenswerte Milieustudie ab, die sich am Ende mittels eines kleinen Plot Twists und der Beilegung des Zwists zwischen Rial und Bol dann noch noch positiv zu gestalten scheint.
Fazit: als Sozialdrama schlägt sich His House durchaus achtbar, als Horrorfilm ist es dagegen ein Reinfall: 6 Punkte.