Armageddon bietet so ziemlich jede Angriffsfläche, die man sich als Kritiker wünschen kann. Der Film ist kitschig, patriotisch, unrealistisch, vorhersehbar, eine einzige PR-Show für die NASA, viel zu lang, machohaft und strotzt insgesamt vor allem möglichen Klischees, die Hollywood parat hält. Trotzdem macht diese Bruckheimer-Produktion einen Höllenspaß. Das Tempo ist hoch, die ruppige Humor macht Spaß, das hohe Budget sieht man in jedem Bild und die Inszenierung von Michael Bay muss man schlicht als perfekt bezeichnen. Trotz einiger dramaturgischen Überladungen gen Ende darf man „Armageddon“ zweifelsohne als einen der perfektesten Hirntot-Popcorn-Kracher bezeichnen, die Hollywood jemals hervorgebracht hat.
Ein gigantischer Asteroid nimmt Kurs auf die Erde, sein Aufprall würde jegliches Leben auf dem blauen Planeten auslöschen. Das NASA-Expertenteam um Dan Truman (Billy Bob Thornton) kommt zu dem Schluss, dass nur eine Sprengung von Innen, den Gesteinsbrocken zerstören kann. Ölbohrlegende Harry Stamper (Bruce Willis) wird angefordert, der ein Team aus undisziplinierten „Ölbohr-Experten“ zusammenstellt, um mit ihnen die heikle Mission durchzuführen. Unter ihnen befindet sich auch der talentierter aber überehrgeizige A.J. (Ben Afflect), der sehr zu Stampers Missfallen mit seiner hübschen Tochter Grace (Liv Tyler) angebandelt hat.
Mit „Deep Impact“ stand im selben Jahr zwar ein weiterer Kometen-Kracher in direkter Konkurrenz zu „Armageddon”, der wahre Zielgruppenfeind des Kinojahres 1998 war aber ganz eindeutig der Angriff der 100-Meter-Echse von Popcorn-Papst Roland Emmerich. Folgerichtig wird beim ersten Meteoritenhagel neben New York auch ein Godzilla-Merchandisingstand im wahrsten Sinne des Wortes platt gemacht. Solche Drehbucheinfälle, wie auch die Tatsache, dass Bruce Willis von seiner Ölbohrplattform mit Golfbällen demonstrierde Greenpeace-Aktivisten beschießt, verleiht „Armageddon“ einen wunderbar grimmigen Charme, der sich durch den gesamten Film zieht.
Bigger than life und völlig überzogen, teilweise comichaft kommen die Charaktere daher. Exemplarisch genüge es hier, den Charakter des Protagonisten Harry Stamper anzuführen, den Bruce Willis auf dem Zenit seiner Hollywoodkarriere als Bilderbuchmacho und sympathisches Raubein gibt. Ein Ölbohrer muss einfach „Stamper“, was man grob mit „Stampfer“ übersetzen kann, heißen, schließlich stampft er ja täglich irgendwelche Löcher in die Erde. Was solls? Luke durfte in „Star Wars“ (1977) auch ungestraft „Skywalker“ heißen.
Er ist natürlich und völlig zweifelsfrei „der beste auf seinen Gebiet“ und arbeitet nach eigenen Bekunden auch nur „mit den Besten der Besten“ zusammen. Diese Superlativ-Orgie zieht sich fröhlich durch den gesamten Film, eine heftigere Reißbrett-Charakter-Beschreibung ist eigentlich kaum vorstellbar. Jedenfalls macht deswegen irgendwann auch dieser auf den ersten Blick eigentlich vollkommen behämmerte Drehbucheinfall Sinn, dass Harry die NASA-Spezialisten nicht nur ausbildet, sondern sie zusammen mit seiner Bohrcrew gänzlich ersetzen darf. Bohren ist schließlich eine Kunst -Ja sicher! „Das kann man nicht lernen“, weiß Stamper und damit ist dieser Punkt ausdiskutiert. Wahrscheinlich soll mit der Rekrutierung der sympathischen Underdog-Ölbohrtruppe einfach der Identifikationsgrad beim durchschnittlichen amerikanischen Zuschauer steigen, ganz nebenbei schafft diese Maßnahme die Plattform für eine Reihe mitunter recht platter Gags, wenn der dumpe, undisziplinierte Schichtarbeiterpöbel im Wissenschaftszentrum der NASA wilde Sau spielen darf. Dabei huscht auch einmal ganz kurz Udo Kier als entnervter Psychiater durch Bild, überhaupt glänzt Armageddon mit einem beachtlichen Cast, dem es zu verdanken ist, dass schauspielerische Qualität nicht völlig im Explosionsrausch untergeht. Neben Bruce Willis gesellen sich Ben Afflect, Billy Bob Thornton, Owen Wilson, Will Patton, Peter Stormare, Liv Tyler, Michael Clarke Duncan, Steve Buscemi, William Fichtner usw.– dabei könnte man bei der aufwändigen Optik vermuten, dass außer Bruce Willis Gage jeder Cent in die Effekte geflossen ist.
In gefühlt jeder zweiten Szene fliegt mindestens ein Helikopter (wahlweise auch Raumschiffe oder Kometen) durchs Bild, ständig stehen irgendwelche teuren NASA-Vehikel im Bild und beinahe jeder Set, den unsere Truppe entert, wird irgendwann spektakulär pulverisiert. Angefangen von der dramaturgisch äußerst sinnlosen Zerstörung der Internationalen Raumstation ISS, in deren Verlauf unsere Helden nebenbei ein personifiziertes Russenklischee aufgabeln, bis hin zum Asteroiden an sich, der standesgemäß einen Mikrometer vor Durchbrechen einer ominösen Nulllinie hochgejagt wird.
Die Dramaturgie folgt zwar nur gängigen Katastrophenfilmplots, wirkt größtenteils aber nahezu perfekt arrangiert. Nur in den Asteroiden scheinen sich die Macher ein wenig zu sehr verliebt zu haben. Wie ist es sonst zu erklären, dass die gesamten zweite Hälfte der stolzen 134 Minuten Laufzeit auf dem Steinbrocken spielen? Hier überspannt Michael Bay den Bogen auch eindeutig, indem er seinen Weltenrettern jede erdenkbare Krise bewältigen lässt, die man sich vorstellen kann. Was schief gehen kann geht schief. Hier wird nacheinander fleißig not gelandet, Gruppenkonflikte gelöst, Bomben entschärft, in unbekanntes, viel zu hartes Gestein gefräst, viel zu viele Bohrköpfe geschrotet, Erdbeben ausgehalten, Gasblasen angebohrt, Asteroidenschauer überstanden und dabei immer noch gegen die Uhr gekämpft. Weniger wäre mehr gewesen, zumal die karge Oberfläche des Gesteinsbrocken nicht genug Eyecandy bieten kann, um über die dumpfsinnige Handlung hinwegzutäuschen.
Ja, Armageddon ist eine Wunderkiste, die so ziemlich alles bietet, was erfolgreiche Blockbuster sehenswert gemacht haben. Viel Pathos eine dicke Portion Patriotismus, lockere Sprüche, ein FSK-12-tauglich Katastrophenszenarien, eine Liebesgeschichte, skurille Nebencharaktere, menschliche Opfer, überlebende Hunde, Experten, die komplizierte technische Sachverhalten für Laien verständlich machen etc.. Bei allem Überfluss funktioniert „Armageddon“ in jeder Minute prächtig. Michael Bay hat mit seinem dritten Spielfilm den ultimativen Popcorn-Gral gefunden. Laut, dröhnig, dumpf und im besten Sinne so, wie eingangs beschrieben.
Daran werde ich mich noch lange erinnern:
Das Raumfahrerteam bekommt einen letzten Abend Freigang gewährt woraufhin einer der Astronauten die Gelegenheit nutzt, vielleicht zum letzten Mal seiner Ex-Frau und seinem ihm völlig unbekannten Sohn (sie hat das Sorgerecht) einen Besuch abzustatten, um einfach nur zu sagen "Es tut mir leid". Dann stößt der Sohn dazu und fragt neugierig "Wer war das Mama?" Sie entgegnet "Ach, nur so ein Versicherungstyp."