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Als Zager & Evans 1968 mit „In the Year 2525“ eine musikalische Dystopie schufen, ahnten sie mit Sicherheit noch nicht, dass die Entwicklung in einigen Punkten deutlich schneller voranschreiten würde. Im Text ist unter anderem von Maschinen die Rede, heute würde man von künstlicher Intelligenz sprechen, was der deutsche TV-Film aufgreift, um daraus einen Paranoia-Thriller zu kreieren.

2047 in einem Hotel in Tokio: Das deutsche Startup Unternehmen um Linus und Luca hat mit Infinitalk eine computertechnische Revolution entwickelt, um mit Menschen über den Tod hinaus in Form eines digitalen Abbildes zu kommunizieren. Doch kurz vor dem Deal verschwindet die skeptische Luca spurlos. Linus will nicht eher unterzeichnen, bis Luca wieder auftaucht…

Der Einstieg ist optisch geschickt aufgebaut und führt den Zuschauer direkt in die Irre, als Linus mit seiner Mutter telefoniert, zunächst mit Sicht aus ihrer Küche. Erst Minuten später kristallisieren sich die wahren Umstände dieses Kontaktes heraus, was fortan als Leitfaden fungiert: Kommuniziert Linus mit realen Menschen oder digitalen Abbildern, die auf den ersten Blick kaum vom Original zu unterscheiden sind? Ist die Welt im Hotel echt oder bereits Teil einer Simulation ?

Mit der Umsetzung hat es sich Regisseur Sebastian Marka vergleichsweise einfach gemacht. Das Geschehen spielt sich fast ausschließlich in dem Hotel ab, welches gar nicht mal so futuristisch anmutet, mal abgesehen vom Hologramm einer Rezeptionistin. Etwas interessanter gestaltet sich der Umgang mit den so genannten Holo-Linsen, blau leuchtenden Augenlinsen, die den Einstieg in die virtuelle Welt ermöglichen und den Figuren einen sichtlichen Antrieb verleihen. Die digitalen Treffpunkte sind hingegen weniger als schlicht ausgefallen, denn sie bestehen ausschließlich aus weißem Hintergrund. Etwas unfreiwillig komisch wird es, wenn die haptische Perspektive eines Mail-Ordners in Form von schlichten Briefkästen visualisiert wird und hin und wieder zum simplen Bohrer gegriffen wird, um etwas aufzubrechen.

Sobald Ebenen nicht mehr eindeutig zuzuordnen sind, gestaltet sich der Stoff nicht uninteressant, zumal mehrere Komponenten wie japanischer Whisky oder Tablettenkonsum die Wahrnehmung von Linus beeinflussen könnten und nie sicher ist, ob nicht vielleicht jemand in seinem Team ein doppeltes Spiel spielt. Ein folgerichtiger Twist kommt nicht unerwartet, die finale Auflösung vermag hingegen zu versöhnen.

Letztlich wurden die überschaubaren finanziellen Mittel effektiv eingesetzt und auch für eine Actionsequenz bleibt noch Raum. Darstellerisch sind indes keine Höchstleistungen zu erwarten, eher wurden einige Klischeefiguren wie Nerd und eiskalter Geschäftsmann zweckdienlich besetzt. Die ambitionierte Geschichte entfaltet sich über weite Teile nur an der Oberfläche und generiert ab und an spannende Momente, was die Erwartungshaltung an einen typisch deutschen TV-Film immerhin ein wenig mehr als erfüllt.
6 von 10

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