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Wir befinden uns in einer postapokalyptischen Welt. Der alte Erzfeind der Erde, Freund Meteorit hat mal wieder zugeschlagen. Wir erwiesen uns jedoch im Vergleich mit den Dinosauriern als wehrhafter und schossen das Teil einfach mal eben mit geballter Raketenpower vom Himmel. Dummerweise rieselten danach chemische Schadstoffe auf die Erde und ließen alle Kaltblüter mutieren. Amphibien, Reptilien und Insekten übernahmen die Spitze der Nahrungskette. Der Mensch wurde zum Futtervorrat degradiert…

Klingt dezent abwegig, oder? Die Prämisse von „Love & Monsters“ sollte man aber besser nicht zu sehr hinterfragen, die Macher tun’s auch nicht. Mit charmanten Strichzeichnungen und einem flapsigen Off-Kommentar wird das, höflich ausgedrückt, „phantastische“ Szenario eilig beiseite gewischt, die großen Schauwerte spart man sich anscheinend für später auf, wenn es wirklich drauf ankommt. Kein Vergleich mit dem (in Sachen Erzählton) offensichtlichen Vorbild „Zombieland“, der zum Auftakt in Zeitlupe mit Metallica den Hammer gegen die Glocke schwang und dabei fast sein komplettes Pulver verschoss.

Das flotte Tempo ist mit dem kumpelhaften Kommen-wir-gleich-zur-Sache-Gestus jedenfalls binnen Sekunden etabliert und der Held der Geschichte gleich mit dazu, schließlich ist er es, der den Off-Kommentar einspricht und dabei seine Charaktereigenschaften offenbart. Dylan O’Brien spielt einen verliebten Trottel, der all das ist, was ein echter Held nicht ist: introvertiert, mutlos und ohne Freundin. Denn die steckt ja 120 Kilometer entfernt in einer anderen unterirdischen Kolonie fest. Klingt in Zeiten der Globalisierung nicht nach viel, aber wenn die Autobahn mit Brain Bugs verseucht ist und es sind keine Starship Troopers vor Ort, die den Verkehrspolizisten machen, kann das ganz schön weit sein.

In Umkehrung der Gebrüder-Grimm-Geschichte „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ macht sich unser sympathischer Schluffi also auf den Weg, um seinen Mumm zu finden… und seine Freundin natürlich. Bloß weg von den rumbumsenden Mitbewohnern. In einer WG lebende Singles sind spätestens hier bereits komplett abgeholt, aber auch sonst ist die Hauptfigur quer durch alle Zuschauerschichten so kompatibel angelegt, dass sich Paramount keine Sorgen machen muss, auch nur einen grimmigen Querulanten vor dem Fernseher nicht auf irgendeiner Ebene anzusprechen.

Kurz darauf dürfen wir den Bunker dann auch schon verlassen, was bedeutet, dass trotz der unspektakulären Einführung doch recht schnell mit den ersten Dollarscheinchen gewedelt wird. Die um 95 Prozent Menschheit erleichterte Welt sieht durchaus hübsch aus mit ihren überwucherten Strommasten und zerstörten Straßen, mit den von neuen Spezies zweckentfremdeten Häusern, Autos und Bäumen, aber irgendwie auch äußerst vertraut. Zombies haben uns im letzten Jahrzehnt gelehrt, solche Bilder als einen Normalzustand zu begreifen. Selbst der Indie-Bereich hat das Szenario bereits vor Jahren abgeerntet (“Monsters”, 2010). Deswegen ist das Produktionsdesign vielleicht etwas weniger aufrüttelnd als man sich das womöglich ausgemalt hat. Gleiches gilt für das Creature Design: Riesenfrösche im Gartenteich, Megaschnecken und Superriesentausendfüßler wirken allesamt eine Nummer kleiner als sie sollten, nachdem kein Geringerer als Godzilla es über den großen Teich geschafft hat, um sein eigenes Monsterverse aus der Taufe zu heben. Deswegen macht dieser Film auch genau das richtige und mischt die Größenverhältnisse so richtig durch, denn vom Kleinvieh bis zum großen Mist ist alles dabei, was die Fantasie hergibt. Und das einzige Gesetz lautet: Pacman frisst Geist, es sei denn, Geist > Pacman.

Man kann das schon alles recht liebenswert finden und auch kreativ in der Gestaltung, doch hat man bei diesem Road Movie schon irgendwie das Gefühl, in einem ruhigen Strom mitgetragen zu werden, ohne sich jemals zu weit von der Flussmitte zu entfernen. Es entwickelt sich ein zielstrebig erzähltes, aber überraschungsfreies Nummer-Sicher-Abenteuer, bei dem man trotz einiger brenzliger Szenen niemals zu viel Angst um den Helden haben muss, denn je dümmer er sich anstellt, desto sicherer kann man sein: Die Kette von Missgeschicken führt am Ende doch zum gewünschten Resultat.

Kaum trifft man jedoch auf „Boy“, den Hundebegleiter, ist man beinahe sogar froh um den Spannungskiller der Vorhersehbarkeit, denn Boy ist zweifellos die gute Seele des Films. Nach seiner computeranimierten Einführung mag man das noch kaum glauben, aber schon in der darauffolgenden Szene im Wohnwagen knackt der Charmeur wohl auch die letzten Herzen. Ihn schließlich mit dem Tor im Auftrag der Liebe losziehen zu sehen, führt zu echten Good Vibrations.

Aus Sicht des Monsterfans stellt sich echte Befriedigung aber trotzdem nicht so recht ein. Hier und da meint man Anspielungen auf Creature-Feature-Klassiker zu erahnen… die „Tremors“ beispielsweise oder auch die Riesenkrabbe aus „Die geheimnisvolle Insel“. Das Tag Team aus Mensch und Hund weckt Erinnerungen an „I Am Legend“ oder „Der Junge und sein Hund“. Derartige Anspielungen reflektieren sich aber nicht in der Inszenierung, die bunt und oberflächlich bleibt. Einzig die unerschöpfliche Artenvielfalt von Flora und Fauna ist es, wegen der man am Ball bleibt. Schön auch, dass man einzelne Episoden auf der Reise jeweils konsequent abschließt, anstatt sie wie Ballast durch die gesamte Story zu schleifen; dazu gehört der Abschnitt mit Michael Rooker und Ariana Greenblatt (erinnern gemeinsam leicht an Joel und Ellie aus „The Last of Us“) ebenso wie derjenige mit Mav1s, einem Roboter, der im Kontext des Films die Spitze menschlichen Erfindungsreichtums verkörpert, bevor der Luxus von Wissenschaft und Technologie vom Erdboden gefegt wurde. Er ist, neben dem Filmtitel selbstverständlich, zugleich das thematische Verbindungsglied zur Netflix-Anthologieserie „Love, Death and Robots“, insbesondere zur Episode „Three Robots“, in der drei Roboter die Relikte einer ausgelöschten Menschheit zu interpretieren versuchten.

Im letzten Drittel wird dann noch ein wenig die Gemeinschaft am anderen Ende der 120 Kilometer aufgemischt, die Beziehung zur großen Liebe auf den Prüfstand gestellt und ein dubioser Schiffskapitän (Dan Ewing) ins Spiel gebracht, den man wahrscheinlich auch gerne mit Chris Hemsworth besetzt hätte, wenn man gekonnt hätte, aber all das führt weder zu mehr Tiefe noch zu mehr Gefühl. Die Suche nach der Liebe in einer Welt aufgeblasener Kaltblüter bleibt eine zu platte Parabel auf die Gegenwart. „Love and Monsters“ ist dessen ungeachtet ein Feelgood-Movie durch und durch, ein Science-Fiction-Märchen für jedermann, dessen Botschaft aber vielleicht zu einem etwas ungünstigen Zeitpunkt mitten in die Corona-Pandemie gepflanzt wird, weil sie in diesem Kontext beinahe schon zynisch wirkt („überwindet eure Ängste und geht raus“). Trotz der hübschen Eindrücke einer posthumanisierten Welt, trotz der fantasiereichen Neuerfindung der halben Tierwelt, um langfristig zu begeistern, ist das alles ein bisschen zu seicht. Boy sammelt allerdings genug Pluspunkte, dass es noch zum soliden Mittelmaß reicht.

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