Es waren seine goldenen Jahre. Die Epoche des Erfolgs und des Ruhmes. Sein zum damaligen Zeitpunkt noch ausbaufähiger Ruf der wortkargen Alternative zu den etablierten Kassenmagneten half damals sicherlich diese Rolle zu ergattern.
Abseits von Cannon drehte Chuck Norris („Missing in Action“, „Invasion U.S.A.“) nur ein einziges Mal einen guten Film – „Code of Silence“. Eigentlich favorisierte Orion Pictures im Vorfeld für die Rolle des Eddie Cusack Clint Eastwood, aber dem lag die Rolle wohl zu nah an „Dirty Harry“. Deshalb durfte Norris in die Bresche springen und sich glücklich schätzen, neben einem guten Regisseur auch endlich einmal ein besseres Drehbuch an Bord zu haben. Zur selben Zeit entstanden zwar auch seine bekannteren Filme für Cannon, doch waren die Skripte dort stets lediglich darum bemüht das bärtige Karate-Ass larger than life von einem unmöglichen Szenario ins nächste zu hetzen.
Der zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannte Filmemacher Andrew Davis („Under Siege“, „Collateral Damage“) legte hiermit gleichzeitig den Grundstein seiner erfolgreichen Karriere, die ihm den Ruf eines versierten Action-Spezialisten einbrachte, dessen Performance extrem der Qualität des jeweiligen Drehbuchs unterworfen ist. Dieses Manko war nach seiner stärksten Phase Anfang der Neunziger („Under Siege“, „The Fugitive“) auch letzten Endes der Grund, warum er sich trotz seines Talents in Hollywood als Erfolgsregisseur nicht langfristig festbeißen konnte.
„Code of Silence“ kommt ihm insofern entgegen, dass er von vorn bis hinten ein sehr rationeller, unkomplizierter Film mit hohem Tempo, ohne Schnörkel, aber dafür mit viel Action und einem überraschend ausgebauten Spannungsbogen sein sollte. Es gab also kaum eine Gelegenheit für ihn sich bei der Umsetzung zu verquatschen, weil angesichts des rein zweckmäßig angelegten Szenarios alle Trümpfe sein waren. Als Ass kam der knurrige Chuck Norris dazu, dessen mimische Beschränktheit kein Geheimnis ist, der aber mit ausreichendem Charisma, seinen Kampfsportfähigkeiten und in den Mund gelegten Onelinern dieses Defizit seinerzeit jahrelang wettmachen konnte.
Deswegen wird sein konservativer Eddie Cusack auch entsprechend seines Images angelegt. Als Cop lässt er lieber Taten sprechen anstatt Reden zu schwingen, er liebt die Wahrheit wie das Gesetz und bemüht sich nach Kräften um Gerechtigkeit. Das Ausbrechen eines Krieges in der Chicagoer Unterwelt zwischen rivalisierenden Italienern und Latinos will er in Aussicht auf ein Blutbad sogar verhindern, muss anstatt zu schlichten aber aktiv intervenieren. Da befindet sich der gute Chuck Norris auch voll und ganz in seinem Element.
Andrew Davis versteht es dabei ziemlich gut die bekannten Elemente effektiv abzurunden. Er zeigt Chicago abgegriffen, schmuddelig und dreckig, filmt vornehmlich in den heruntergekommenen Stadtteilen oder in Rauchschwaden versunkenen Kneipen und punktet deswegen mit einem relativ authentischen Flair, das viele Actionthriller der Achtziger auszeichnet. Komponist David Michael Frank („Out for Justice”, „Showdown in Little Tokyo”) findet begleitend auch die richtigen Noten. „Code of Silence“ mag nicht die mitreißende Atmosphäre eines Michael Mann – Films entwickeln, drückt den Zeitgeist und das Feeling einer amerikanischen Metropole bei Tag und Nacht aber souverän aus.
Der dezent ergänzende Humor, meist in Form des verletzten Partners, den Ex-Cop Dennis Farina („Thief“, „Manhunter“) als personifizierten Running Gag darbietet, oder brachial als kühler Oneliner, trifft währenddessen auch genau den richtigen Ton, damit das Geschehen sich nicht zu ernst nimmt.
Cusacks rabiate Frontbeschreitung ergänzt sich darüber hinaus überraschend geschmeidig mit einem Problem in seiner eigenen Einheit, dass seinen jungen Kollegen Cragie (Ralph Foody) in einen Gewissenskonflikt bringt. Er war Zeuge als sein Partner Nick (Joe Guzaldo, „Hero and the Terror“) versehentlich einen unschuldigen Jungen während einer Razzia erschoss und ihm eine Waffe unterschob. Als Neuling fehlt ihm aber der Mumm vor dem Untersuchungsausschuss die Wahrheit zu sagen. Deshalb sucht er Rat bei Cusack.
In Bezug auf die Actioneinlagen braucht sich „Code of Silence“ mitnichten vor größeren Produktionen dieser Zeit verstecken, auch wenn das Budget hier natürlich keine ausufernden Explosionsorgien zulässt. Von Prügeleien über Autoverfolgungsjagden und brutale Attentate bis hin zum starken Finale begegnet dem Genrefan die gesamte Bandbreite des Genres und darunter sind halsbrecherische Highlights.
Ob Cusacks luftiger, ungedoubelter (!!) Kampf auf dem Dach der fahrenden Straßenbahn mit dem anschließenden Sprung in den Fluss, die gelungene Autoverfolgungsjagd mit der finalen Brückenexplosion oder der ausufernde Final-Shootout in der Lagerhalle am Hafen, der Streifen besticht mit jeder Menge klassischer Actioneinlagen auf einem hohen Niveau, die das Herz eines jeden Genrefans höher schlagen lassen.
Henry Silva mimt als Bad Guy natürlich einmal mehr nach Kräften den verbrecherischen Gegenpart, der Cusack durchaus als persönlichen Gegner betrachtet, kann sein gesamtes Potential aber leider nicht entfalten, weil er zu wenig zum Zug kommt. Das ist etwas schade, weil er gerade in diesen Rollen vorher und nachher immer wieder brillierte und um die beiden herum ohnehin wenige Akteure auffallen.
Cusacks Captain liefert beispielsweise traditionsgemäß auch eine cholerische Vorstellung ab, als er, obwohl er es besser weiß, seinen besten Mann nach allen Regeln der Kunst runterputzt, bekommt sonst jedoch wenig zu tun.
Je flacher seine Kollegen gezeichnet werden, umso klarer wird natürlich auch, dass „Code of Silence“ stetig zu einem astreinen Norris-Vehikel umprogrammiert wird, das seine genretypischen Plotholes aufweist und sich einige dümmliche Einfälle (das „Prowler“ – Fahrzeug) nicht ganz verkneifen kann.
Davis und Norris tun allerdings ihr Möglichstes den Zuschauer bei Laune zu halten und so bleibt der Fokus schwerpunktmäßig auch auf Cusack, der den Ausbruch der Gewalt nicht verhindern kann, aber wenigstens noch ein unschuldiges Mädchen Diana (Molly Hagan, „French Exit“, „Election“) in Sicherheit bringen will.
Der Rest setzt sich aus ein wenig Selbstbeweihräucherung Norris’ zusammen, der seine Martial Arts – Fähigkeiten in voller Pracht beim Training zeigen kann und seine Standpunkte vor allen Kollegen klar vertritt, auch wenn er dafür jede Unterstützung verliert und allein zu Felde ziehen muss.
Mit eben dieser Konstellation läutet Andrew Davis dann auch das brachiale Finale ein. Von seinen Kollegen verschmäht und im Stich gelassen, wird ihm zunächst gehörig der Hintern versohlt. Dann packt er seine sieben Sachen und zieht seinerseits zu Felde.
Zum Finale tritt der große Schweiger dann auch gegen eine hoffnungslose Überzahl an, um der Gerechtigkeit endgültig genüge zu tun. Davis verbrät in den letzten Minuten wirklich alles, was er sich bis dahin aufgespart hat und darf sich gleichzeitig rühmen den vielleicht besten Poser-Auftritt Norris’ inszeniert zu haben: Wenn der wortkarge Cop ruhigen Schrittes ohne mit der Wimper zu zucken die Halle durch den dichten Rauch betritt und geradeaus schauend mit ausgestrecktem Arm seine Shotgun nach rechts abfeuert, feiert zumindest der Genrefan lauthals.
Blutige Shootouts, zig Explosionen, meisterhaftes Zielvermögen, ein hoher Bodycount und etwas Martial Arts sorgen in Verbund mit tollen Stunts für einen überzeugenden Abschluss.
Ob es nun Glück, Können oder Zufall war, ist letzten Endes egal. Fakt bleibt jedenfalls, dass sich selten bei einem Norris-Film alle Elemente so passgenau miteinander fügten. So wenig originell der Plot auch sein mag, er funktioniert. Egal, ob die Rettung des jungen Mädchens nach der langen Verfolgungsjagd, oder der Besuch beim Ex-Kollegen seines Vaters, die Geschichte passt, ohne sich in überflüssigen Details zu verheddern. Davis Instinkt in keiner Situation länger als nötig zu verharren, hilft Norris sogar über Momente hinweg, die ihm naturgemäß weniger liegen.
Fazit:
Chuck Norris lässt sich nicht ans Bein pissen. Andrew Davis strickt seinen ersten Actionthriller nach klassischem Muster, überrascht also nicht, sondern liefert lieber Altbewährtes auf gekonnte Weise fachmännisch ab. Dafür gibt es überraschend wenige negativ auffallende Klischees.
Man kann „Code of Silence“ sicherlich mangelhafte Originalität vorwerfen, die flotte vom Start weggehende Geschichte, die absolut überzeugenden, vielfältigen Actioneinlagen und eine Prise Humor können dieses Manko soweit es mich betrifft jedoch allemal ausbügeln.
Selten erlebt man bei Norris’ Filmen so ein harmonisches Miteinander aller wichtigen Elemente. Dass der schmuddelige Look das Flair der Achtziger transportiert, der Score fleißig unterstützt und der Hauptakteur einmal mehr eine coole Sau abgibt, soll nur ergänzend noch einmal hervorgehoben werden. Besser hätte es nicht laufen können. Spannend, actionreich, klassisch, gut – die Achtziger eben.