Review

"Es gibt zweierlei Sorten Mensch: Die einen sind Raubtiere, die anderen Beutetiere. Und ich bin eine Löwin."

Mit diesem Credo hat die Unternehmerin Marla Grayson (Rosamund Pike) eine Form moderner Erbschleicherei  zu einem äußerst attraktiven Geschäftsmodell ausgebaut, das sie auf vollkommen legale Weise in die Lage versetzt, über die Hinterlassenschaften betuchter älterer Patienten zu verfügen: während eine Ärztin diesen vermeintliche Demenz attestiert, entscheidet ein richterliches Schnellverfahren ohne Anwesenheit der Patienten über deren Einweisung in eine Klinik, deren Leiter mit Grayson zusammenarbeitet. Entmündigt und von ihren Angehörigen sorgsam isoliert werden die Unglücklichen dann wie in einem goldenen Käfig mit Tranquilizern ruhig gestellt, während Grayson als gerichtlich bestellter Vormund in Ruhe deren Immobilien, Autos etc. zu Geld machen kann. Den machtlosen Angehörigen bleibt nichts weiter übrig, als ohnmächtig zuzusehen, wie ihre betagten Verwandten wie Weihnachtsgänse ausgenommen werden, denn das ärztliche Attest ist auch nicht so leicht anfechtbar.
Als Grayson und ihre rechte Hand Fran (Eiza González) durch einen Deal mit einer befreundeten Ärztin das nächste Opfer anvisieren und mit der resoluten Jennifer Peterson (Dianne Wiest) - die gar nicht weiß wie ihr geschieht, als sie eines schönen Tages plötzlich abgeholt wird - auch einen reichen Fang gemacht zu haben scheinen, wenden sich die Dinge erstmalig gegen Grayson: Denn die alleinstehende Seniorin, deren Haus und Auto schon in den nächsten Tages neue Besitzer finden, hat anscheinend mächtige Verbündete. Verbündete, die nicht nur einen Staranwalt mit einem Koffer voller Geld schicken, um die alte Dame freizukaufen, sondern (als dies nicht fruchtet) auch ein Kommando in die Klinik eindringen lassen, um mit Gewalt zu erreichen, was mit Geld unmöglich scheint. Doch wer ist die wohlhabende alte Dame eigentlich, die angeblich keine Kinder hat und die seit Jahrzehnten unter falscher Identität lebt?

I Care a Lot ist der programmatische Titel einer schwarzen Komödie, die zwischen den Zeilen auch als sozialkritischer Seitenhieb auf das US-amerikanische Gesundheitssystem verstanden werden kann: zu unglaublich (um ernst genommen zu werden) scheinen die Dinge, die sich anscheinend vollkommen legal zu teilweise fröhlicher Dancefloor-Mucke vor den Augen des erstaunten Zuschauers ereignen: Da wird eine rüstige Seniorin am hellichten Tag von Grayson aufgesucht, die ihr mit wenigen Worten klarmacht, daß sie ab jetzt unter ihrer Vormundschaft steht, und ein paar vorsorglich auf der anderen Straßenseite platzierte Polizisten reichen aus, um die vollkommen verwirrten Senioren soweit einzuschüchtern, daß sie freiwillig mitkommen. Ein zuckersüßer Empfang in der Klinik, das Einkassieren der Handies und ein paar bunte Pillen, und schon ist es um die persönliche Freiheit geschehen.

Widerstand gegen diese an sich empörende Praxis regt sich erstmals, als ein geheimnisvoller Gangster seine regelmäßigen Termine mit Miss Peterson nicht mehr wahrnehmen kann - doch dieser Gangster, ein ebenfalls millionenschwerer Mann mit eigenem Chauffeur und Bodyguard erweist sich als russischer Mafiosi Roman Lunyov und stellt seinerseits einen wenig sympathischen Charakter dar. Daß er von dem kleinwüchsigen Schauspieler Peter Dinklage (Game of Thrones) verkörpert wird, macht die ganze Story nicht glaubwürdiger um nicht zu sagen erst recht lächerlich, denn der jähzornige Lunyov gibt sich nach außen hin stets cool und beherrscht, schmeißt aber in seinem Büro mit vollen Smoothie-bechern nach seinen Angestellten. Die Truppe, die er vorschickt, ist darüber hinaus auch nicht mit coolen Bösewichten besetzt, sondern eher mit Blindgängern. Grayson wiederum hat eine lesbische Beziehung mit ihrer Partnerin Fran und fühlt sich daher jeglichen männlichen Avancen wie auch Drohungen scheinbar überlegen, doch auch diese Liaison ist nur eine nicht näher vertiefte Idee des Drehbuchs, wie ein modisches Accessoire, ähnlich Graysons stets gepflegtem Auftreten, ihrer gespielten Freundlichkeit und vorgeblichen Humanität, die sie wie eine Maske vor sich herträgt.

Nachdem diese aalglatte Grayson sich also erstmals einem ernstzunehmenden Gegner gegenübersieht, der ihr auf seine Weise Paroli bieten kann, dreht sich der Film in Richtung Thriller, denn Lunyov schreckt auch vor Folter und Mord nicht zurück. Ab da jedoch gerät der Streifen merklich aus der Spur, denn während jegliches Umfeld der beiden Antagonisten ausgeblendet wird (darunter auch polizeiliche Ermittlungen nach beispielsweise einer Gasexplosion oder einem Unfall mit einem Auto im See etc.) fokussiert sich die Kamera nur noch auf Aktion und Gegenaktion der beiden. Woher diverse Waffen, Betäubungsmittel etc. stammen, spielt dann auch schon keine Rolle mehr. Denn wer zuletzt lacht, lacht am besten...

Die schwarze Komödie I Care a Lot ist insgesamt ein vergnüglicher Zeitvertreib - nicht nur für Fans von Rosamund Pike - läßt wegen seiner stets zwischen Fiktion und Realität balancierenden, insgesamt eher unausgewogenen und am Ende sich auf ein reines Duell zuspitzenden Handlung inklusive diversen Logiklöchern jedoch keinen tieferen Sinn erkennen als jenen der fröhlichen Unterhaltung. Nett gemacht, aber wenn man die Schlußpointe einmal kennt, erübrigt sich eine Zweitsichtung. 7 Punkte.

Details
Ähnliche Filme