Obwohl auch Mel Gibson derzeit nicht unbedingt der Star von Großproduktionen ist, so vermeidet er bei seiner Projektwahl doch die Untiefen von Zeitgenossen wie Bruce Willis oder Nicolas Cage – Ausnahmen wie „Force of Nature“ bestätigen die Regel. Stattdessen nimmt er Rollen in sperrigen Low- und Mid-Budget-Produktionen wie „Dragged Across Concrete“, „The Professor and the Madman“ oder jüngst „Fatman“ an.
Der titelgebende fette Mann dieses Genremixes der Brüder Eshom und Ian Nelms, die das Drehbuch schrieben und Regie führten, ist ein ganz besonderes Dickerchen. Es ist der Weihnachtsmann. Dieser heißt Chris Kringle (Mel Gibson), lebt in dem kanadischen Örtchen North Peak und sieht wie ein typischer Kleinstädter aus. Einzig und allein sein Wissen auch über ihm unbekannte Menschen ist erstaunlich, doch sonst wirkt er wie ein typischer Malocher. Er ist mit Ruth (Marianne Jean-Baptiste) verheiratet und hat einen Vertrag mit der US-Regierung – seine Schenkerei kurbelt die Wirtschaft an. Alles in allem ein ungewöhnlicher Santa Claus, dessen weihnachtliche Schlittenfahrt inklusive Geschenkauslieferung der Film erst gar nicht bildlich zeigt.
Von ihm ausgelieferte Präsente tragen eine „Made in Santa’s Workshop“-Plakette. Genau diese Art von Gaben sammelt ein namenloser Kerl (Walton Goggins), in den Credits bloß als dünner Mann (Skinny Man) bezeichnet. Der verdient seine Knete als Profikiller, zu dessen illustrem Auftraggeberkreis auch der kleine Satansbraten Billy Wenan (Chance Hurstfield) zählt. Der zweigt auch mal Schecks aus Omas Familienvermögen ab, wenn der Kerl eine Klassenkameradin verschrecken soll, die an seiner Stelle erste beim Wissenschaftswettbewerb der Schule geworden ist. Man merkt schnell: In der Welt von „Fatman“ ist wenig Platz für normale Leute, obwohl der Film sehr bodenständig ist und die meisten Fantasyelemente der üblichen Weihnachts(mann)filme ausspart.
Für Chris kommen dieses Jahr einige Probleme zusammen: Da zu viele Kinder auf der Naughty-Liste landen und keine Geschenke bekommen, wirft ihm die Regierung Vertragsbruch vor und dann erzürnt er auch noch Billy. Der setzt den weihnachtsbesessenen Hitman auf ihn an, der sich erst einmal der nicht ganz einfachen Aufgabe widmen muss den Weihnachtsmann überhaupt ausfindig zu machen…
Es gibt zwei Gründe, die „Fatman“ schon sehenswert machen: Mel Gibson und Walton Goggins. Gibson spielt den Weihnachtsmann als grummeligen Kerl, der gern mal einen in der Bar kippt, sich über die Verlotterung der Jugend aufregt, an seinem Vertrag verzweifelt und zur Not mal auf grobe Weise anpackt. Dabei spielt seine Actionstar-Persona wunderbar in die Rolle hinein, wenn er Schießübungen auf Dosen abhält oder in der Scheune den Boxsack bearbeitet. Dem rustikalen Helden steht Walton Goggins dann als Antagonist gegenüber, dessen Training schon den Gegensatz ausdrückt: Er kämpft im MMA-Gym, absolviert einen Schießparcours, der an Keanu Reeves‘ Training für „John Wick“-Filme erinnert, und ist stets mit den neuesten Gadgets und Waffen eingedeckt. Goggins spielt den Killer als soziopathischen Korinthenkacker, hinter dessen Pedanterie jede Sekunde der mörderische Instinkt durchscheint. Auch nicht schon schlechten Eltern ist Chance Hurstfield als diabolisches Arschlochkind, der so hassenswert ist, dass man ihm als Zuschauer direkt die Backpfeifen links und rechts um die Ohren hauen will – und genau so soll die Rolle ja auch sein. Marianne Jean-Baptiste gibt dagegen den weiblichen Ruhepol, der nichts nur Gibsons Weihnachtsmann, sondern den ganzen Film etwas erdet. Aber die Hauptattraktionen sind immer noch Gibson und Goggins.
So arbeitet „Fatman“ dann auf das Duell der beiden hin, das im Finale für eine Ladung Action sorgt. Dies bleibt dann auch die einzige echte Actionszene des Films, wenn sich die beiden beharken und der Profikiller zuvor diverse Soldaten und Elfen ausschaltet, um an sein dickbäuchiges Ziel heranzukommen. Ein durchaus knalliger Höhepunkt, aber einen Actionfilm sollte man bei „Fatman“ nicht erwarten. Viel mehr geht es um die einzelnen Situationen und Vignetten auf dem Weg dahin, wenn Chris einen Barbesucher durch sein Geheimwissen vom Ehebruch abhält, wenn die Militärs mit der Lebensweise der Elfen konfrontiert werden oder wenn der Skinny Man auf seine manierliche wie eiskalte Weise seiner Arbeit nachgeht. Der Humor ist schwarz, trocken und mit Understatement serviert, die Trefferquote der Gags recht gut, auch wenn sich manches davon, etwa Billys dauernde Bosheiten, sich mit der Zeit etwas abnutzen.
So kommt einem manches davon sicher bekannt vor. Santas Werkstatt als Teil eines Corporate America gab es in „Die Gebrüder Weihnachtsmann“, den trinkenden Rüpel-Weihnachtsmann in „Bad Santa“, die Verbindung von Phantastik, harter Gangsterkomödie und Weihnachtssetting in der TV-Serie „Happy!“. Und natürlich ist „Fatman“ unter seiner Attitüde als Anti-Weihnachtsfilm wie so viele Vertreter seiner Zunft irgendwie doch auch ein Weihnachtsfilm. So findet Chris irgendwann wieder Freude am Fest, kann wieder an die Menschen und den Geist der Weihnacht glauben – was den Regie-und-Drehbuch-Brüdern aber erfrischend herzig gelingt, ohne kitschig zu wirken.
Freilich merkt man dabei, dass es mit dem Erzählen einer richtigen Geschichte in „Fatman“ etwas hakt. Die Gegenspieler sind quasi den gesamten Film über getrennt, Chris‘ Erlebnisse in North Peak, die Spurensuche des Killers und Billys Treiben laufen oft eher nebenher oder sogar aneinander vorbei als ein wirklich organisches Ganzes zu bilden. So gleicht der Film oft eher einem Potpourri an meist mehr, manchmal weniger guten Ideen, das zwar einen einheitlichen Ton, aber keine klare Linie hat.
So bleibt eine durchaus amüsante, schwarzhumorige Mischung aus Thriller, Komödie, Weihnachtsfilm und Action-Showdown, der es allerdings an vernünftigem Storytelling mangelt. Aber Gibson und Goggins rocken das Haus, was „Fatman“ allein deshalb schon irgendwie sehenswert macht.