PTU von Johnnie To
Hongkong 2003
Vorsicht, die folgende Kritik enthält Inhaltsangaben, die man als SPOILER interpretieren könnte!
Johnnie Tos PTU gehört zu den nicht gerade zahlreichen Werken, die in den Zeiten einer anhaltenden Krise des Hongkong-Kinos von den Kritikern als Hoffnungsschimmer am Horizont ausgemacht und überwiegend recht wohlwollend besprochen wurden. Leider muss man nach eingehender Betrachtung konstatieren, dass es sich in diesem Fall um eine ziemlich trügerische Hoffnung handelt.
Eines Abends wird in einer Imbissbude der Gangsterboss Ponytail erstochen. Anderenorts locken unterdessen Mitglieder seiner Bande den schmierigen Zivilfahnder Lo in eine Falle und verprügeln ihn gründlich. Nachdem Lo von Angehörigen der PTU (Police Tactical Unit, eine Sondereinheit uniformierter Streifenpolizisten) aufgesammelt wurde, muss er feststellen, dass seine Dienstwaffe verschwunden ist. Nun steckt er in der Klemme – der Verlust würde seine unmittelbar bevorstehende Beförderung ernsthaft gefährden. Mike, der Leiter der PTU, zeigt sich loyal und verspricht, mit seinen Leuten bei der Suche nach der Waffe zu helfen, obwohl er den Vorfall eigentlich unverzüglich melden müsste. Bis zum kommenden Morgen gibt man sich Zeit, die Angelegenheit aufzuklären und beginnt auf getrennten Wegen nach den Bandenmitgliedern, bei denen man das gesuchte Objekt vermutet, zu fahnden.
Inzwischen laufen auch die Ermittlungen im Mordfall Ponytail an, bei denen die CID unter Leitung der humorlosen Beamtin Leigh das Kommando übernimmt. In der Folgezeit kreuzen sich mehrfach die Wege der verschiedenen Polizeieinheiten, wobei es immer wieder zu deutlichen Spannungen zwischen den Anzugträgern und den anderen Polizisten kommt.
PTU beginnt großartig. In einer schön aufgebauten, von trockenem Humor geprägten Eröffnung macht uns To mit den herrschenden Hierarchien im Handlungsfeld seines Films vertraut und beendet die Szenenfolge mit einer faustdicken und blutigen Überraschung. Das lässt auf Großes hoffen – doch schon bald lässt das Tempo deutlich nach. Die Einstellungen werden länger, vor allem jene, welche Mike und seine Einheit (die nichts anderes ist als eine Gruppe wandelnder Klischees, auch wenn es Rezensenten gibt, die hier einen „überaus ambivalent gezeichneten“ Personenkreis gesehen haben wollen) bei ihrer Suche nach der Waffe zeigen. Mehrmals wird man in aller Ausführlichkeit Zeuge des brutalen und menschenverachtenden Vorgehens, das die Polizisten im Umgang mit Verdächtigen an den Tag legen. Dabei ist unübersehbar, dass sich hier eigentlich keine gleichwertigen Gegner gegenüberstehen, denn die stets in unterkühlt-erhabener Pose dargestellten Gesetzeshüter haben es vorrangig mit ziemlich traurigen Witzfiguren zu tun, die ohne Weiteres jedem beliebigen ostasiatischen Gangsterklamauk entsprungen sein könnten.
Schließlich kommt der träge gewordene Fluss der Ereignisse fast völlig zum Stillstand, als die PTU ins oberste Stockwerk eines leer stehenden Gebäudes vordringt, in welchem man die gesuchten Mitglieder von Ponytails Bande vermutet. Stufe für Stufe wird mit großer Theatralik genommen, und der Weg nach oben nimmt einfach kein Ende. Mike gebärdet sich, als würde er in jeder Ecke des Treppenaufgangs mindestens den Leibhaftigen selbst erwarten, und auch seine Kollegen sind nicht viel gelassener. Angesichts der drei oder vier Pfeifen, die man hier aufstöbern will, ist die Anspannung, die der Regisseur seinen Helden in dieser Szene aufbürdet, fast lächerlich. Als die Polizisten dann schließlich doch noch vor dem Erreichen des Rentenalters oben ankommen, finden sie nicht einmal jemanden, den sie verprügeln können, sondern lediglich drei junge Frauen.
Tatsächlich ist nun bis zum Ende des Films noch ein wenig Zeit übrig und die Handlung nimmt wieder an Fahrt auf, um in einem groß angelegten und exzellent gefilmten Feuergefecht zu kulminieren. Befremdlicherweise findet dieses zwischen den Polizisten und vier Gangstern statt, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein einziges Mal in Erscheinung getreten sind. Das ist eigenartig und etwas irritierend, weil man sich fragt, ob man etwas Wichtiges verpasst hat. Im Übrigen bewegt sich der Schusswechsel fast vollständig im realitätsfreien Raum – die Ganoven schießen (obwohl immer wieder sehr eindrucksvoll getroffen) ununterbrochen mit ihren Maschinenpistolen auf die Polizisten und treffen den mitten auf der Straße hockenden Mike nicht ein einziges Mal. Für solche Szenen hat man andere Filme (wie den koreanischen Tube) mit Pauken und Trompeten zu Grabe getragen, hier jedoch scheint das nur wenige zu stören. Und auch die anschließende Lösung des Waffenproblems ist derart billig, dass man nur ungläubig den Kopf schütteln kann und sich geradezu verschaukelt fühlt.
Am Ende geben sich die verstrittenen Gesetzeshüter einträchtig, finden einen gemeinsamen Nenner für die notwendigen Einsatzberichte. Man sitzt im selben Boot und jeder ist Teil einer Kette, die sich kein schwaches Glied leisten kann. Das Hochgefühl, Mitglied einer verschworenen Gemeinschaft zu sein, lässt keinen Raum für moralische Bedenken. Morgen wird man wieder losziehen und dieses Mal vielleicht die Falschen für irgendeine Lappalie halb tot schlagen.
PTU funktioniert vor allem als beeindruckendes Porträt des nächtlichen Hongkongs. Perfekt arrangierte Bilder und eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Tonspur vermitteln die Stimmung in den Häuserschluchten der Stadt mit atemberaubender Intensität. Gerade die Wirkung der nuancierten Geräuschkulisse kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Die aus der Ferne dröhnenden Bässe der Musik eines Tanzschuppens, Windgeräusche, Gesprächsfetzen oder das immer wieder auftauchende Rattern einer Fahrradkette erzeugen eine ungeheuer dichte Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann.
Auf einer anderen Ebene versagt das vorliegende Werk völlig – nämlich darin, seinen Ereignissen eine nachhaltige Aussage zu verleihen. Es gibt Filme (wie den grandiosen Fulltime Killer, um bei Johnnie To zu bleiben), die so ausschließlich auf die Unterhaltungsebene fixiert sind, dass kein Mensch auf die Idee kommen würde, bei ihnen irgendetwas zu hinterfragen. Aber PTU ist als reiner Unterhaltungsfilm viel zu behäbig und erweckt mehr als einmal den Eindruck, dass er dem Publikum etwas zum Nachdenken mit auf den Weg geben möchte. Daher muss er sich gefallen lassen, dass man ihn diesbezüglich etwas genauer in Augenschein nimmt. Johnnie To wirft im Verlauf des Geschehens einige ziemlich komplexe moralische Fragen auf und lässt sie am Ende ganz bewusst links liegen. Gestaltung und Tonfall der letzten Szenen scheinen dem Zuschauer regelrecht verbieten zu wollen, den kritischen Subtext, der sich mehr als einmal andeutet, zu lesen und gedanklich zu verarbeiten.
„Man kann das Publikum nicht aufbauen, indem man es schwermütig macht“, sagt Johnnie To in einem Interview. „Wenn ein Film in einer leichten, fröhlichen Stimmung endet, nimmt das Publikum eine schöne Erinnerung mit nach Hause.“
Dagegen lässt sich erst einmal nichts sagen – das ist eine angenehme Einstellung. Aber wenn er im konkreten Fall von PTU ein solches Resultat anstrebt, dann hat er etwas falsch gemacht. Warum sollte man denn in irgendeiner Weise erbaut sein über den Erfolg all dieser Unsympathen, die über die gesamte Laufzeit des Films absolut nichts getan haben, um sich die Zuneigung des Betrachters zu verdienen? Ich für meinen Teil wäre kein bisschen traurig gewesen, wenn man Mike am Ende kurz und bündig von der Straße gepustet hätte. Ich wäre nicht traurig gewesen, wenn Los Waffe für immer und ewig verschwunden geblieben wäre und man ihn für zehn Jahre zum Fensterputzen strafversetzt hätte. Ich wäre auch nicht traurig gewesen, wenn die arrogante CID-Chefin haufenweise Ärger an den Hals bekommen hätte. Nur über eins bin ich traurig – dass mich ein Film, der sich die Dinge eigentlich so zurechtgelegt hat, dass man mit ihnen weit über die Unterhaltungsebene hinaus hätte arbeiten können, mit einem solch unbefriedigenden Ende entlässt.
Was bleibt, ist ein hochprofessionell gefilmter Streifen, der sich zumindest durch seine intensive Atmosphäre und die tadellose Leistung der Schauspieler um Suet Lam und Simon Yam ein Stück weit aus dem Mittelmaß heraushebt. Der bewusste Verzicht auf jegliche Aussage, die über die unterschwellige Verherrlichung von höchst zweifelhaften Helden in Uniform hinausgeht, hinterlässt allerdings einen anhaltenden unangenehmen Nachgeschmack.
6 von 10 Punkten.