Nach „Bright“ hatte Regisseur und Drehbuchautor David Ayer es nicht immer leicht, mehrere geplante Projekte wie Remakes von „Scarface“ und „Das dreckige Dutzend“ oder das „Suicide Squad“-Spin-Off „Gotham City Sirens“ versandeten. Also kehrte er zu seinen Wurzeln im gritty Cop-und-Gangsterfilm mit „The Tax Collector“ zurück.
Wobei David Cuevas (Bobby Soto) keine Steuern im klassischen Sinne eintreibt. Er steht in den Diensten des inhaftierten Gangbosses Wizard (Jimmy Smits) und sammelt in dessen Auftrag eine Kommission von allen Kriminellen ein, die in Wizards Gebiet in Los Angeles Geschäfte machen. Wer sich weigert oder bescheißt, der bekommt schnell Besuch von David und seinem besten Kumpel Creeper (Shia LaBeouf), der wegen seiner Brutalität und Grausamkeit gefürchtet ist. Sie sind eine Art Ordner im Chaos des Ganglebens, die auch mal auf andere Weise tätig werden müssen, damit etwa kein Bandenkrieg zwischen ihren Schutzbefohlenen und den Bloods ausbricht.
David ist ein typischer filmischer Vertreter seiner Gattung: Eiskalt und smart, immer auf die Diplomatie und reibungslose Abläufe aus, aber stets bereit Creeper von der Leine zu lassen oder selbst gewalttätig zu werden, wenn die Situation es erfordert. Privat ist dagegen das Familienglück im großen Eigenheim angesagt, die Kinder werden von Papas Welt abgeschirmt. Die einzige kleine Variation besteht darin, dass Ehefrau Alexis (Cinthya Carmona) nicht nur vom Business ihres Mannes weiß, sondern auch noch als Finanzverwalterin daran teilnimmt, was jetzt allerdings auch nicht allzu neu im Genre ist.
So könnten die Geschäfte eigentlich sauber laufen, wenn nicht mit Conejo (Jose ‘Conejo‘ Martin) ein neuer Player auf den Straßen von L.A. auftauchen würde. Der will im Auftrag mexikanischer Kartelle Wizards Geschäft übernehmen und stellt mit seiner Brutalität sogar Creeper in den Schatten…
Die größte Überraschung an „The Tax Collector“ dürfte die sein, dass ganze 30 Millionen Dollar in den Film versenkt wurden, das Ganze aber wesentlich billiger aussieht – da haben Regisseure wie Roel Reiné oder William Kaufman mit weniger Geld wesentlich ansprechendere Ergebnisse hinbekommen. „The Tax Collector“ sieht schon mit seinen eher hässlichen CGI-Credits wesentlich billiger aus als er war und hat nicht viele Schauwerte zu bieten. Es ist eher ein Gangsterfilm, erst im Schlussdrittel gibt es ein paar Actionszenen, die durchaus ansprechend gemacht sind – gerade das Abräumen in Zeitlupe bei einer Geiselbefreiung sieht recht edel aus und zeigt, was man aus dem Stoff hätte machen können, hätte sich Ayer einfach auf eine simple Actionplotte eingelassen. Logisch ist das Ganze nicht immer. So sind Gangster auf der Straße zwar toughe Motherfucker, aber wenn es um das Bewachen des eigenen Verstecks geht, dann sind sie so schlurig, dass eine Todesschwadron oder auch nur zwei entschlossene Männer gleich eine ganze Gang inklusive Oberhaupt ausschalten können.
Dass es so lange dauert, bis es zur Konfrontation kommt, liegt daran, dass „The Tax Collector“ in zwei Teile zerfällt, die beide dramaturgisch nicht allzu ausgereift sind. Die erste Hälfte des Films folgt in erster Linie David und Creeper bei ihrem Tagewerk, was durchaus interessante Einblicke in ihr Leben liefert, sich aber irgendwann wie eine ausführliche Exposition anfühlt. Sie könnten die Gangster-Gegenstücke zu den Cop-Partnern aus Ayers „End of Watch“ sein, doch wo die Polizisten relativ Alltägliches erlebten, ist das Setting von „The Tax Collector“ viel ungewöhnlicher und abgedrehter, um wirklich als beobachtender Gangsterfilm durchzugehen. Wenn Conejo dann erst zur Halbzeitmarke auftaucht, dann überschlagen sich die Ereignisse von anfänglichen Drohgebärden über den Gangkrieg bis hin zum Showdown regelrecht und haben keine Luft zum Atmen. Manche wichtige Figur wird enttäuschend höhepunktsarm aus der Handlung genommen, sodass nicht jeder Schlag, den David erleidet, sich auch auf das Publikum überträgt. Zumal er am Ende dann doch vergleichsweise einfach mit dem zuvor übermächtig erscheinenden Conejo fertig wird.
Noch dazu inszeniert Ayer das Ganze routiniert, aber vollkommen klischeehaft. In den besten Momenten hat dies das Flair eines Gossen-Shakespeare (etwa bei der finalen, aber etwas zu spät kommenden Enthüllung zu Wizard), in den schlechtesten Momenten sieht man einfach prolligen Gewalttätern beim asozialen Treiben zu. So ist der Härtegrad nicht ohne, etwa wenn einem Knilch die halbe Gesichtshaut abgerieben wird, als man seine Visage aus dem fahrenden Auto auf den Asphalt hält, zeigt aber bisweilen auch ins Sadistische gehende Tendenzen, wie schon „Herz aus Stahl“ und „Sabotage“ von Ayer. Hinzu kommen Standards des (Latino-)Gangsterfilms: Die Hit Squad mit den Totenkopf-Gesichtstüchern. Die satanischen Rituale des Oberschurken. Die Killerbraut. Die ganzkörpertätowierten Gangster. Die Religiosität des „guten“ Gangsters. Hin und wieder hat Ayer mal ein paar nette Ideen, etwa wenn David den „mexikanischen Kardashians“, wie seine Frau sie nennt, im Edelklamottenladen mal ein paar Takte einflüstern muss, damit diese Familie Cuevas nicht das begehrte Kleid vor der Nase wegkaufen.
Shia LaBeouf ist zwar nicht der Hauptdarsteller, aber der größte Name und auch die beste Performance im Cast. Der frühere Jungstar hat sichtlichen Spaß als tätowierter Psycho, der für viele Gangster eine Art Boogeyman ist und kann diese Aura auch gut rüberbringen, obwohl „The Tax Collector“ Creeper nie so wirklich in Aktion zeigt (nur andeutungsweise in Rückblenden). LaBeouf wird damit allerdings zum Problem für Hauptdarsteller Bobby Soto, dem man die Eindimensionalität seiner 08/15-Performance im Direktvergleich nur umso deutlicher ansieht. Jimmy Smits ist nur in einer Szene wirklich zu sehen, Conejo und Cheyenne Rae Hernandez sind vielleicht keine ausdrucksstarken Darsteller, haben aber Charisma in den wichtigsten Schurkenrollen. Cle Sloan lässt seine Rolle als Bone aus „Training Day“ wieder aufleben – der Anti-Gang-Aktivist, der früher selbst Mitglied der Bloods war, spielte fast alle seiner Filmrollen unter der Regie von entweder Antoine Fuqua oder David Ayer.
„The Tax Collector“ ist leider nicht die Rückkehr Ayers zu seinen früheren Erfolgen, sondern ein 08/15-Gangsterfilm mit schwächelnder Dramaturgie, reichlich Klischees und einem ziemlich hässlichen Look, gerade mit Blick auf das Budget. Die raue Atmosphäre, Shia LaBeoufs Performance und ein paar Schießereien im letzten Filmdrittel machen das Ergebnis nicht zum Totalausfall, insgesamt ist „The Tax Collector“ aber ein eher ärgerlicher Film angesichts des verschenkten Potentials.