Von der reinen Ausgangslage und der Verlagerung des Schauplatzes sowie der außenstehenden Funktion der Zentralfigur her sicherlich in Maßen mit The Villagers a.k.a. Ordinary Person (2018) vergleichbar, stellt sich der auch Find Me betitelte Film als mehr als nur die feminine Variante dessen bzw. die weibliche Sicht dar. Hier wie dort geschrieben und gedreht von jemandem in Personalunion, ist das hiesige Doppeldebüt von Kim Seung-woo nicht nur die Geschichte einer Mutter auf der Suche nach ihrem verschwundenen Kind, sondern auch die einer mittlerweile alleinstehenden Frau in einer feindlich gesinnten Gesellschaft, und ohne den Mitteln des Mannes dort, der zumindest über eine gewisse Körperkraft und Schlagmasse und auch Erfahrungen im Einsatz dessen besitzt:
Die Eheleute Jeong-yeon [ Lee Young-ae ] und Myeong-gook [ Park Hae-joon ] suchen seit sechs Jahren nach ihrem damals verschwunden gegangenen Sohn, sie mehr passiv, da auch immer mit mehr Trauer als Hoffnung, er stets aktiv und voller Zuversicht erpicht. Als Myeong-gook eines Tages durch einen Autounfall stirbt, geht ihre Welt komplett vor die Hunde, nur die Nachricht, ihr Sohn wurde in einem weiter entfernten Fischerdorf gesichtet, bringt sie über das zuschlagende Schicksal und auch in die Gegend. Zwar meint der lokale Constable Kim [ Seo Hyun-woo ] tatsächlich auch, den Jungen gesehen und erkannt zu haben, wird er aber von seinem Vorgesetzten Police Corporal Hong [ Yoo Jae-myung ] an offizieller Meldung gehindert, und auch die Familie, in dem sich der kleine Mann jetzt aufhält, ist äußerst feindselig auf die Besucherin von außen reagierend.
Vom Ende her weg, der Mensch so geschunden wie die Landschaft, die Umgebung kahl und kalt wirkend und schmutzig, die Frau in ihr am Ende ihrer Kräfte und reichlich malträtiert. Die Frau war vorher schon am Ende, seelisch, psychisch, die einstige Idylle wird hier nur in Tagträumen und Halluzinationen gezeigt, in dem das Kind noch da ist, beim Erwachen in der Realität aber noch immer und schon längst weg. Das Zuhause ist kein Zuhause mehr, die Arbeit in der Ablenkung nicht ausreichend, die Beziehung zum ebenfalls suchenden Ehemann ist kein Ersatz und ohne den Jungen nur unvollständig, ebenso unvollständig, wie die Mutter insgesamt ohne ihr Kind ist und das Leben für sie nicht mehr lebenswert. Der Film startet als Drama, langsam, leise, behutlich, bis der Autounfall von jetzt auf gleich noch hereinbricht, die rabiate Kollision von links die Welt auf den Kopf dreht und den letzten festen Halt unter den Füßen wegzieht.
Aufgrund des Unfalls kommt auch die Polizei in das 'Spiel', anders als man meint und denkt aber, wird die Szenerie geöffnet und erweitert und gleichzeitig noch fester als zuvor gezurrt. Das Dasein auf dem Lande hier zwar außerhalb der Lehre und der Anonymität, aber im Grunde ebenso isoliert von anderen Dingen, von der sogenannten Zivilisation vor allem, abgeschottet vor sowas etwas wie Moral und Anstand, wenn man das so nennen will, vor allem auch vor jedem Gefühl von Empathie. Der eine schaut weg, weil er Geld dafür bekommt, der andere tut nur etwas, weil er sich eine Belohnung davon verspricht, der Nächste, weil er sonst in finanzielle Schwierigkeiten gerät; eine Schwarz-Weiß-Zeichnung des Kontrastes der verschiedenen Gesellschaften, wobei dies täuscht und die Sicht nicht so einfach und die Begebenheiten und Motive bei allen außer dem von Elternteil und Angehörigen nicht ganz so eindeutig sind. Die Arbeit ist hart und karg, aber nicht ehrlich, der Gewinn aus der Tätigkeit reicht bloß zum Überleben, die Gegend ist schroff und ärmlich, die Behausungen wirken klamm und zerlöchert.
Der Film ist feinfühlig und gleichzeitig grausam, gegenüber Menschen, gegenüber Erwachsenen, gegenüber Kindern, gegenüber Tieren, auch grausam gegenüber dem Zuschauer, der lange Zeit 'auf die Folter gespannt wird' und das Elend, teils auch die Dämonisierung und die Lügen und die Skrupellosigkeit der Landbevölkerung hier passiv nur betrachten kann und hoffen, aber nicht selber einschreiten und nicht helfen und nicht agieren; ein Wandern vom Drama zur Tragödie, über den Crime zum Thriller, darstellerisch überzeugend, gerade von den jungen Schauspielern, den Heranwachsenden, und auf seine Weise auch als Peinigung, da von einigen vielen, meist den schlechten Zufällen gebeutelt und als Porträt. Leider geht hinten raus wortwörtlich alles baden, mehrfach sogar, und dies auch wortwörtlich, funktioniert das stürmische Finale vielleicht noch, das davor, der Aufbau dahin aber schon und das danach, der Abschluss des Ganzen so überhaupt nicht.