Familie kann man sich nicht aussuchen. Dem dürfte auch James David Vance nicht widersprechen, auf dessen gleichnamiger Autobiographie der Film basiert. Dabei portraitiert dieser von Ron Howard inszenierte Streifen durch diverse Zeitebenen springend verschiedene Lebensphasen von J. D. und wie er sich aus der amerikanischen white trash Umgebung zu befreien sucht.
Dabei gehören Rückblenden zum oft gebrauchten Stilmittel, einen Innovationspreis gewinnt man mit sowas heute aber nicht mehr. Trotzdem sind die Einschübe eine gut gewählte Methode, um die Verbindung zwischen den früheren Erlebnissen und dem heutigen Leben herzustellen, wobei es auch mal zwei Generationen zurückgeht. Zentrale Fragen sind denn hier, inwiefern dieses Umfeld auch das eigene Leben bestimmt und welche Freiheiten man sich selbst nehmen muss, um auf diesem auszubrechen oder welche Freiheiten einem auch vielleicht aus diesem Mikrokosmos heraus gegeben werden müssen.
Vance's Geschichte, so die gelieferte denn auch der realen entspricht, bietet sich für einen Verfilmung geradezu an. Denn mal ehrlich – der aus der weißen Unterschicht Stammende, der von Omma auf den rechten Weg gebracht wird und es mit Fleiß an eine Elite-Uni schafft – da muss dem Kapitalisten doch das Herz aufgehen, oder? Kommt ein Hillbilly nach Yale – so gehen eigentlich Witze los. Klischees und eine mustergültig polierte Inszenierung hinterlassen jedenfalls einen Beigeschmack, sodass das Drama nicht recht zünden will. Unterstrichen wird das von vielen simplen Phrasen und Weisheiten. Wirklich tief geht der Film nicht in seine Figuren, er hält lieber die Kamera drauf und fährt die den Zuschauer emotionalisierende Schiene. Am Ende bekommt man mit ein paar Texttafeln noch mitgeteilt, dass später alles gut wurde. Na dann passt doch alles.
Darstellerisch gibt es weniger zu kritisieren. Hier sei insbesondere Glenn Close in der Rolle der Großmutter des Protagonisten erwähnt. Nicht nur ist sie die Figur, die nach (zu) viel Geduld versucht, das Ruder herumzureißen, sie tut dies auch in einer überzeugenden Art, bei der ein Blick manchmal mehr sagt als das Wort. Amy Adams als Mutter, die ihr Leben einfach nicht auf die Reihe bekommt, erntet bisweilen Mitleid und Unverständnis im dauernden Wechsel und liefert ebenfalls. Da fällt Gabriel Basso, obwohl die Hauptrolle spielend, schon ab. Denn gerade dass er eben der ist, der aus alldem herausstechen soll, verleiht seiner Figur weniger Reibungspunkte und lässt sie gerade in diesem Panoptikum der verkrachten Existenzen ein Stück weit langweilig erscheinen. Anders sieht es da in den Episoden seiner Jugendjahre aus, als der Charakter sich noch entwickelt und geformt wird. Wer allerdings mal sehen möchte, wie bei einer Leiche die Augenlider wackeln können, ist hier auch richtig.
Technisch ist der Produktion kein Vorwurf zu machen, das production design ist stimmig, das product placement allerdings nicht. Beim Abspann wunderte ich mich dann doch über den Namen Hans Zimmer, der für die musikalische Untermalung verantwortlich war, denn in diesem Moment fiel mir auf, dass vom Soundtrack überhaupt nichts hängen blieb.
„Hillbilly Elegy“ ist quasi RTL II mit Erlösercharakter und den guten Darstellerinnen ist es zu verdanken, dass das Werk nicht absäuft. Mag es auch autobiographisch sein, wirkt das Gesehene konstruiert und klischeehaft, wie man es sich wohl von einem Sofa, das im Ferienhaus in den Hamptons steht, vorstellen möchte, wenn man mal ein bisschen die sozial abgehängten bemitleiden möchte und sich am Ende sagt, dass es mit der richtigen Einstellung jeder zu etwas bringen kann. Sieht man doch, ne Mamaw?