Review

Das südkoreanische Filmgeschäft bisher (noch) als kleiner positiver Ausnahmezustand in der weltweit grassierenden Covid19-Krise, hatten deren Lichtspielstätten mit am längsten und waren auch mit am schnellsten wieder auf und dies auch mit 'frischer Ware' wie teilweise Verzögerungen und Verschiebungen aus den Frühjahrsmonaten, aber auch tatsächlich geplanten Neustarts, darunter das Prestigeprojekt Peninsula als Nachfolger vom Massenerfolg Train to Busan bestückt. Keine falsche Bescheidenheit also, keine Scheu, die Titel Februar und März liefen solide, die Neuheiten ebenso, das Publikum hat das Angebot demnach lokal angenommen und sich erkenntlich bedankt. #Alive selber wurde speziell während des auch dort vorhandenen Lockdowns und der Einschränkungen des öffentlichen Lebens als Antwort auf die Gesundheitskrise in das Marketing gehoben und sah in den ersten bewegten Bildern auch aus wie aus der Not geboren und tatsächlich als kleines isoliertes Porträt eines einzelnen Individuum in der von Unruhe (und Untoten) überrannten Welt gedreht:

Der junge Oh Joon-woo [ Yoo Ah-in ] wird eines Tages allein zu Hause von einer plötzlich auftauchenden und sich ebenso ausbreitenden Epidemie überrascht, die die Mitmenschen zu höchst aggressiven und jeden weiteren damit durch Bisse in Berührung kommenden Bürger zu einem ebensolchen Wesen werden lässt. Eingesperrt in der Wohnung seiner abwesenden Eltern versucht er sich die erste Zeit mit Unterhaltungsmedien über die Runden zu bringen, und das Beste aus der sowieso hoffnungslosen Lage zu machen, gerät dann aber doch in Verzweiflung, worauf ihn einzig und allein die gegenüber wohnende Kim Yoo-bin [ Park Shin-hye ] befreit.

Natürlich ist es nur Zufall, dass Sommer 2020 auch andere Vertreter wie der amerikanische Blood Quantum, der britische Tribal: Get Out Alive oder der indonesische Zeta: When the Dead Awaken mit gleichen oder ähnlichen Themen erschienen sind, sind die Filme nicht speziell auf ein Ereignis abgestimmt und mit Hintergedanken im Kopf platziert. Und natürlich werden die Filme jetzt auch anders gesehen und rezipiert, die Aufnahme hat sich leicht verändert und wird das Gesehene eher emotionalisiert. Hier in #Alive – der vermehrt auf den Web toon "Dead Days" zu basieren scheint, aber eine ganz andere Quelle hat – hält die Idylle des Tages auch nur kurz an, im Film selber ist eine gute anderthalb Stunde, die der Protagonist Zeit hat, wach zu werden, aufzustehen und sich für den Rest der Stunden vorzubereiten, die eigentlich etwas Zocken im Netz und Kommunikation mit den Freunden dort vorsehen. Eine trügerische Stille, die nicht lange vorgetäuscht wird. Für den Zuschauer sind es keine fünf Minuten, nach denen die Warnungen auf dem Mobile Phone einprasseln, sich erst die Nachrichten überschlagen und dann direkt vor Ort die Menschen schreien, flüchten, sich gegenseitig angreifen, auf Autos springen oder dran hängen, ein Feuerwehrwagen in die Kolonnen prescht und eine Explosion aus nächster Nähe den Wohnblock erschüttert.

Dabei geht die Geschichte seinen 'normalen' Gang und bietet sich schon der Klientel an, ein Werk für die Massen, nicht sonderlich eigen, nicht für die Nische. Die gezeigte Gegend ist eine bessere, keine armselige, auch keine elitäre, aber gute Mittelschicht, mit einem aufgeräumten Zuhause, einem Zimmer für jeden, das Technikequipment für den jungen Mann (der Kundenschar) vor allem, der mit allem, was Strom und Akku hat und zur Unterhaltung für sich und mit anderen dient versorgt ist. Die vierte Etage gaukelt leichte Sicherheit und auch etwas das Schweben über den Dingen vor, doch kurz vor Mittag, zu einer noch meist ruhigen Zeit also bricht das Chaos aus, ist nichts mehr wie vorher und alles verändert. Die Transformation von einem Zustand zum anderen im Film ist ratzfatz, paar Sekunden, die Umwandlung vom jetzt noch normalen Menschen in kannibalistische Wesen ebenso, jetzt noch der Nachbar, ein Augenblick später die potenzielle Gefahr, eine Paranoia, die prompt um sich greift (und anhält) und das Leben in einen Kriegszustand und in Angst und Schrecken versetzt.

Erstmal wird sich aber noch eingeigelt, Joon-woo ist eher ein Einzelgänger gewesen, kein Eremit, kein Incel, aber schon einer, der längere Phasen in häuslicher Absonderung mit sich selber klarkommt und mit sich selber beschäftigt. Analog dazu macht auch die Regie eine Konzentration auf das Simple und das Wesentiche, Nachrichten werden auf diversen Medien verfolgt, die vorhandenen Nahrungsmittel angeschaut und rationiert (zu wenig), ein bisschen der Ausguck nach draußen gewagt, vom Balkon und dem sicheren Gitter, durch den Türspion und seinen eingeschränkten Blick, wo man hinten in der Ferne aber zumindest den Fluss sieht, und auch per Drohne, die aber kein schönes Bild von der näheren Umgebung zeigt und man sich dann doch lieber wieder in der virtuellen Realität verliert. Dann fällt das Internet aus und die Handyverbindung ist auch schlecht. Die letzte Bastion, die Flucht in andere Welten fällt weg, die Bilder von draußen sind nicht so erbaulich, bleibt es nach dem ersten Ausbruch zwar eine Weile still und ruhig, wird dann aber eine Polizistin trotz erbitterter Gegenwehr von der Übermacht der noch anwesenden Horden gestellt, über den Boden geschleift und massakriert.

Ein Wechselbad der Gefühle, die die Regie beschreibt und beschreitet, mal Hochstimmung, auch durch den Alkohol aus dem Glasschrank des Vaters, dann emotionale Wärme durch eigene Halluzinationen und Fantasien, dann die bittere Erkenntnis, die wie ein Schlag in den Magen wirkt und den Boden unter den Füßen wegzieht und sich in Wut und Aggression auch löst; auch das Porträt eines Einzel'kämpfers', der von Einsamkeit zur Vereinsamung pendelt, so zum Kampf gezwungen ist und liebend gern anders würde, wenn er denn könnte, aber das Essen ist an Tag 10 aus und das Wasser geht bald auch nicht mehr. Erst soziale Isolation, dann plötzlich noch ein Überlebender und dann plötzlich noch Einer, der dann fast zu viel in der bisherigen Quarantäne, auf einmal ein Trio, dass so überrumpelnd wie die schockartig auftauchenden Angriffs- und Massenszenen wirkt. Geschrieben von Autor Matt Naylor, durch den Regisseur Cho Il-hyeong auf landeseigene Verhältnisse abgestimmt, und das zumindest die ersten zwei Drittel auch derart gescheit, dass es grundsätzlich lokal und global zugleich wirkt – die amerikanische Variante Alone durch Regisseur Johnny Martin ist mittlerweile bzw. war schon vorher ebenfalls abgedreht, wartet aber noch auf Veröffentlichung und sieht auch in mehrerlei Belangen wesentlich schlechter (gespielt und montiert) aus – , mit Sympathien und Identifikation, mit eigenen Ideen und der Nutzung von Bekanntem, mit kleineren Spektakel- und gängigen Spannungsmomenten. Leider ist das komplette letzte Drittel durchweg konventionell bis damit auch vorhersehbar und geht grundsätzlich den einfachsten, den aus unzählig anderen Werken wie War of the Worlds oder 10 Cloverfield Lane bekannten und damit nicht nur langweiligen, sondern gar negativen Weg.

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