Review

Staffel 1


Glänzende Oberflächen, modernde Seele

Ryan Murphy produziert dank Megadeal exklusiv für Netflix - und das gefühlt am Fließband. Und das merkt man „Ratched“ leider auch gehörig an. Denn auch wenn die lose an die „Kuckucksnest“-Bösewichtin angelehnte Prequel-Geschichte audiovisuell oft nahezu orgiastisch auftischt, bleiben Inhalt, Spannung und Geschichte ärgerlich und frustrierend auf der Strecke. Was ist gut und was ist schlecht an „Ratched“, dem Aufstieg der titelgebenden, hinterhältigen, traumatisierten und sehr schlauen Krankenschwester, dem Engel des Todes?

KUCKUCKSNEST
+ Sarah Paulson gibt alles 
+ sehr femininer Blickwinkel 
+ moderne Themen
+ eleganter Score
+ die Farben, Formen, Splitscreens - in Sachen Style ist das definitiv Champions League
+ durch und durch Ryan Murphy (mit allen Vor- und Nachteilen)
+ comichaft überzeichneter 50er-Stil
+ könnte auch eine „American Horror Story“-Staffel sein (wenn auch keine gute)
+ oft richtig brutale, fiese Spitzen
+ leichte „Bates Motel“-, „A Cure For Wellness“- oder auch „Hannibal“-Vibes
+ skurrile Nebenfiguren 
+ sehr sinnlich und verspielt
+ viele bekannte Gesichter
+ Charakter der Mildred Ratched durchaus komplex 
+ pulpige Wurzeln
+ schwarzer Humor 
+ Filmzitate (etwa „Bonnie & Clyde“)
+ etliche bekannte Gesichter (z.B. Sharon Stone)
+ die dieses Jahr bisher meistgesehene neue Serie auf Netflix 
+ gibt Hintergründe zu einer der bösesten Figuren der Filmgeschichte 
+ traut sich zu polarisieren 

AHS
— eigentliche Geschichte sehr überschaubar und nicht immer interessant, spannend, clever 
— absolut „style over substance“
— das Gegenteil zum Understatement von „Einer flog übers Kuckucksnest“ 
— wirkt manchmal etwas männerfeindlich 
— genug Logiklöcher für das nächste Käsefondue
— viele Folgen deutlich zu lang 
— etliche Nebenfiguren uninteressant und papierdünn; manche auch schlicht nervig 
— sehr prüde; typisch amerikanisch 
— mehr Schein als Sein
— muss man Ratched überhaupt eine Backstory geben?!
— oft eher Karikatur und lächerlich 
— durchgehend ein zähes, ermüdendes Gefühl 
— Finale/Aussichten machen wenig Lust auf mehr 
— Overacting en masse 
— keine/kaum Verbindungen zum Nicholson-Meilenstein 
— sehr lose, fragwürdige Interpretation und Gedankengänge
— nicht halb so böse und pervers und gemein, wie er meint zu sein 
— typisch Ryan Murphy; wer bisher mit seiner Art kaum klar kam, wird „Ratched“ verabscheuen 
— findet zu schnell, einfach Lösungen für Probleme 
— zu viele Figuren; z.B. die schizophrene Dame gegen Ende einfach unnötig und peinlich 
— Finn Wittrocks Killer verliert schnell an Kraft und Glaubwürdigkeit 
— sehr gekünstelt und konstruiert 
— kommt nicht nur selten zum Punkt - hat kaum einen Punkt! 

Fazit: eine flog in's Nichtsnutznetz... Eigentlich mag ich die stylischen, modernen Sachen von Ryan Murphy überdurchschnittlich - aber „Ratched“ ist trotz all seiner optischen Brillanz und schauspielerischen Klasse für mich eine hohle, zähe, campy Farce. Vielleicht die erfolgreichste neue Netflixserie des Jahres - aber ganz sicher nicht die beste. (5,5/10)

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