* Achtung. Dieser Text enthält zwar keine expliziten Spoiler, aber es wäre möglich, dass entscheidende Hinweise auf den Handlungsverlauf gegeben werden.*
Nimmt man den eigentlichen Werwolfklassiker "Der Wolfsmensch" mal aus, liegen zwischen diesem Sequel und seinem ursprünglichen Original elf Jahre. In diesen elf Jahren hat sich sicherlich nicht nur historisch, sondern auch filmgeschichtlich viel geändert. Diese Änderungen werden bereits offensichtlich, wenn man sich den Titel ansieht. Offenbar spielt diesmal eine Frau die Protagonistenrolle.
Dabei ist es eigentlich nichts weiter als eine Universal-Konvention, das Sequel eines erfolgreichen Monsterklassikers um eine Frauenrolle zu ergänzen: so geschehen unter anderem bei "Frankensteins Braut" und "Draculas Tochter". Nur war die Frau entweder ein unnahbares, dunkles Wesen mit nur wenigen menschlichen Zügen (Gräfin Marya Zaleska aus "Draculas Tochter") oder sie hatte lediglich die Aufgabe, die Selbstfindung der männlichen Figur um eine weitere Sichtweise zu ergänzen (durch Frankensteins Braut erfuhr man letztendlich nur noch mehr über die erste Frankensteinkreatur).
Die Frau in "Die Werwölfin von London" ist ganz klar ein Opfer. Anders als Draculas Tochter, die ja auch mit ihrem Fluch zu kämpfen hat, kann sich unsere Protagonistin zu keiner Zeit mit ihrem Schicksal identifizieren. Während ein Vampir ja zu jeder Zeit ein Vampir ist und sich menschliche Züge mit denen des Blutsaugers untrennbar vermischen, ist ein Werwolf nur bei Vollmond von seinem Fluch besessen. Am Tag jedoch ist er ein ganz anderer Mensch. Das Werwolfsein gleicht also eher der Schizophrenie als einem stets existenten Charakterzug.
Nun hat man ein solches vollkommen unschuldiges Opfer seines eigenen Fluches ja schon oft gesehen, aber in der Regel waren das immer Männer - wie eben auch in "Der Wolfsmensch" und in "Der Werwolf von London". Inwiefern hier emanzipatorische Kräfte im Spiel waren, will ich nicht beurteilen. Jedenfalls ist dies ein Aspekt, der noch recht neu gewesen sein dürfte.
Ansonsten zeigt der gerade mal 59 Minuten lange Film recht wenig Neues. Wer den "Werwolf von London" gesehen hat, der wird in der Fortsetzung filmtechnisch zunächst einmal bloß eine Variation des Originals wiedererkennen. Im Wesentlichen sieht man das Übliche: den Tatort mit den dazugehörigen Scotland Yard-Gendarmen, die Protagonistin morgens im Bett liegend und über ihre Situation nachdenkend ("Wo kommen bloß die Schlammspuren auf dem Nachthemd her?"), Dialoge mit den Personen, die ihr nahe stehen und letztendlich die Nachtszenen, bei denen die Angriffe in einem nebligen Park gezeigt werden (natürlich alles immer verdeckt von Gebüsch).
Nur wenige Charaktere stehen im Vordergrund. Neben der "Werwölfin" und ihren drei weiblichen Mitbewohnerinnen (darunter die Ziehmutter und eine Haushaltskraft) fallen nur noch ihr angehender Ehemann auf sowie ein rundlicher, sprücheklopfender Kommissar, der in seinem Glauben an Werwölfe ziemlich alleine dasteht und seine ganz eigenen Vorstellungen davon hat, wie die unheimlichen Morde zustande kamen. Wenn man so will, also ein früher Mulder noch ganz ohne Scully. Diese Figur lockert das Geschehen glücklicherweise immer wieder auf, denn ansonsten zieht sich die Inszenierung trotz der erheblich kurzen Laufzeit nicht selten in die Länge. Das liegt an langweiligen Dialogen, an ebensolchen Locations und der Tatsache, dass der Plot sich oft auf einer Stelle dreht.
Darüber hinaus darf man auch keine tollen Verwandlungsszenen erwarten, wie sie beim Wolfsmenschen zu sehen waren. Nicht mal die Werwölfin selbst darf man erblicken. Bei ihren Angriffen ist sie stets in ein Tuch gehüllt und kehrt der Kamera den Rücken zu, so dass sie eher wie ein Geist erscheint als wie ein Wolf. Eine für damalige Verhältnisse recht blutige Szene ereignet sich dann nach einem Angriff, bei dem sich das Opfer die Hand an die Halsschlagader hält und stirbt. So wird man dann doch noch daran erinnert, dass es sich um einen Film über einen mordenden Werwolf handelt.
Es werden uns insgesamt also recht langatmige Sequenzen beschert, die zusammengenommen einen ziemlich lahmen Werwolfstreifen ausmachen würden. Wäre da nicht das Ende, denn das haut den gesamten Film wieder raus und lässt ihn in vollkommen anderem Licht erscheinen.
Worauf der Film nämlich mit all seiner Geheimniskrämerei hinauswollte, ist ein finaler Storytwist, gar nicht so unähnlich denen, die M. Night Shyamalan zum Superstar machten. Plötzlich wirkt der Streifen gar nicht mehr so sinnlos. Nach der ersten Viertelstunde erwartete man nämlich eine bloße Kopie vom "Werwolf von London", deren einzige Innovation darin bestehen würde, eine Frau in eine Rolle zu setzen, die bisher Männern vorbehalten war. Das wäre insgesamt enttäuschend gewesen, aber man hätte nicht das Gefühl gehabt, dass da auf jeden Fall noch etwas kommen muss. Umso erfreulicher, dass der Regisseur die Zuschauer am Ende doch noch etwas für die vorausgehende Langatmigkeit entschädigt.
Dennoch: das macht ihn noch lange nicht zu einem Spitzenfilm. Selbst, wenn man am Ende noch eine Überraschung bereithalten kann, muss man den Rest des Filmes (der ja immerhin vier Fünftel der Gesamtlaufzeit ausmacht) trotzdem so gestalten können, dass man sich beim Ansehen unterhalten fühlt - sei es durch die Atmosphäre, durch die Dialoge, die Charaktere, Spezialeffekte oder sonstiges. Bei mir hat es das Finale immerhin geschafft, den Film als Gesamtes von einer 3/10 auf eine 6/10 anzuheben.