GODZILLA No. 19
GODZILLA – KAMPF DER SAURIER-MUTANTEN
(GOJIRA VS MOSURA)
Takao Okawara, Japan 1992
Vorsicht – das folgende Review enthält SPOILER!
Mit Godzilla – Kampf der Saurier-Mutanten (im Original einfach und wegweisend Gojira vs Mosura) haben die Leinwandauftritte des Tōhō-Frontmonsters bereits die Hälfte ihrer noch immer um etwas mehr Kontur ringenden Heisei-Epoche erreicht. An diesen Film konnte ich mich nur noch sehr vage oder ehrlich gesagt fast überhaupt nicht mehr erinnern, was wohl in erster Linie daran liegt, dass hier wie schon vom Originaltitel angedroht wieder einmal die gute alte Monstermotte Mothra entstaubt und somit grundsätzlich nur wenig geboten wird, was man als Kaijū-Eiga-Freund nicht schon gesehen hat – Mothra und die symbiotisch mit ihr verbundenen Mini-Zwillingsfeen hatten bereits zu seligen Shōwa-Zeiten in Godzilla und die Urweltraupen (1964), Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah (1964), Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer (1966) und natürlich Mothras Soloabenteuer Mothra bedroht die Welt (1961) ihre Auftritte. (Im Übrigen ist auch schon der Titel Kampf der Saurier-Mutanten nach dem Vorgänger Duell der Megasaurier nicht gerade einprägsam.) Dabei gibt es im vorliegenden Film mit Battra tatsächlich auch ein neues Monster, aber das ... Das soll später erzählt werden.
Zunächst bekommt die Erde wieder einmal Besuch von einem Meteoriten. Er hat einen Durchmesser von gut 93 Metern, schlägt im Pazifik in der Nähe der Ogasawara-Inseln ein und beherbergt in diesem Fall ausnahmsweise keine außerirdische Lebensform. Er ist einfach ein Meteorit. Verdruss bereitet er natürlich dennoch: So sorgt er für einen verheerenden Taifun (wie macht das ein Meteorit?) und stört den Schlaf zweier auf dem Meeresboden weilender Riesenmonster ... Aber noch bleiben sie fern und lassen uns Zeit, um ein paar Menschen kennenzulernen.
Zum Beispiel Takuya Fujita, einen jungen Mann, der im Zentrum der kommenden Ereignisse stehen wird, ohne dabei wirklich deren Held zu sein. Zurzeit treibt er sich in Thailand herum und betätigt sich als illegaler Schatzsucher beziehungsweise schlechthin als Kunsträuber: In einem alten Dschungeltempel stöbert er eine vermutlich äußerst wertvolle Goldfigur auf, freut sich aber zu früh über die fette Beute – das Gebäude stürzt über ihm zusammen, und als er sich mit viel Glück ins Freie gerettet hat, erwartet ihn dort schon die Polizei und verfrachtet ihn umgehend ins nächste Gefängnis. Der Aufenthalt dort könnte unangenehm lang werden, da der Diebstahl von Kunst- und Kulturgütern beileibe kein Kavaliersdelikt ist, aber Takuya hat wieder Glück und bekommt Besuch. Ein Vertreter der japanischen Umweltbehörde, ein Mann namens Kenji Andoh, seines Zeichens Sekretär des Präsidenten der „Marutomo Company“, und die angesehene Archäologin Masako Tezuka wünschen ihn zu sprechen. Die Letztgenannte kennt Takuya, und zwar ziemlich gut – es ist seine geschiedene Frau. Die Gäste wünschen nun Takuyas Hilfe bei einer Sondermission: Vor der indonesischen Küste sei ein Meteorit eingeschlagen (war das nicht vor den Ogasawara-Inseln?), dessen Einfluss auf die Umwelt untersucht werden solle. Er läge in der Nähe einer „Infant Island“ genannten Insel, welche der dort „zum Wohle der Menschen“ nach Bodenschätzen suchenden Marutomo Company gehöre. (Kaijū-Eiga-Freunde kennen diese Insel natürlich bereits aus Shōwa-Zeiten ... es ist Mothras Heimat.) Was genau die Gäste nun eigentlich von ihm wollen, muss Takuya schließlich erraten und erfragen: „Und ich soll das Ding für Sie auflesen?“ Soll er. Genau das. Warum man ausgerechnet einen im Ausland inhaftierten Kunsträuber für eine solche Bergung gewinnen will, ist schleierhaft – aber da hat wohl Masako, die bei der Umweltbehörde arbeitet, ihre Empfehlung ausgesprochen. Fachlich hält sie also noch große Stücke auf ihren Geschiedenen (welche Ausbildung er eigentlich hat, erfahren wir übrigens nie). Mit Blick auf eine mögliche fünfzehnjährige Haftstrafe nimmt Takuya den Job an, und so turnen er, Masako und Andoh (ich verwende die Namen, mit denen sie hier angesprochen werden) bald auf der Infanten-Insel herum, überleben knapp einen Hängebrücken-Durchriss mit anschließendem Sturz ins Wasser und landen schließlich in einer Höhle, wobei Takuya und Masako immer mal wieder etwas Zeit für nerviges Gezänk unter Ex-Eheleuten haben.
Nachdem sie die Höhle gründlich erforscht haben, erwartet sie an deren Hinterausgang eine Überraschung ... ein riesiges gelb-grünes Ei liegt vor ihnen. Nachdem sie sich ausreichend lange gewundert haben, treten zwei junge Frauen in mittlerer Barbiepuppen-Größe hinter einer Blume hervor und stellen sich als „Cosmos“ vor (im Singular sollte es dann „Cosmo“ heißen, aber einzeln gibt’s die Kleinen bekanntlich nicht). In früheren Filmen hat man sie Shobijin oder Twin Fairies genannt, aber das ändert nichts an ihrer Wesenheit. Über die klären sie uns und die drei Meteoritensucher nun auch gleich auf und verkünden, dass sie Erdgeister seien, die „darüber wachen, dass die Natur auf der Erde in der Balance bleibt“. Und wir erfahren noch mehr Wissenswertes – ich zitiere einmal weitgehend, aber ohne Anführungszeichen: Vor 12.000 Jahren lebte Mothra auf der Insel, und alles war in Ordnung. Dann aber entwickelten Wissenschaftler ein Gerät, mit dem sie das Klima der Welt beeinflussen konnten. Dieses Gerät beleidigte die Erde, was durchaus geht, weil die Erde ein lebendiger Planet ist. Die Wissenschaftler fühlten ihr Werk allerdings durch Mothra bedroht, und deshalb schufen sie eines Tages die schwarze Mothra respektive „Battra“, ein alles vernichtendes bösartiges Monster. Es kam zum Krieg zwischen Mothra und Battra, den Mothra nach schweren Kämpfen gewann. Seitdem liegt Battra auf dem Boden des Meeres (wetten, dass sie da nicht mehr lange liegt ...?). Nach jenem Krieg brachen große Flutwellen über die Erde herein, aber Mothra und die Cosmos haben in den Bergen der Insel überlebt. So weit der Bericht der jungen Frauen. Nun aber haben Klimaveränderungen für neues Ungemach gesorgt – durch einen Erdrutsch wurde Mothras Ei freigelegt. Da liegt es nun, und mit der Umwelt geht es weiter bergab, wofür die Cosmos noch einmal klare Worte finden: Es sei fünf vor zwölf. Besonders hell scheinen sie aber doch nicht zu sein, denn sie lassen sich von unserem Trio aufschwatzen, dass es das Beste wäre, wenn man das Ei „sicherheitshalber“ nach Japan transportieren würde (dort freut sich indes schon der fiese und rücksichtslose Marutomo-Boss Tomokane darauf, es kaufen und als Attraktion ausstellen zu können – was in der Kaijū-Eiga-Geschichte vor knapp dreißig Jahren schon einmal jemand tun wollte). Also wird die Verladung des Eis organisiert und es beginnt seine Schiffsreise ins Land der aufgehenden Sonne ... wo es aber nicht im gegenwärtigen Zustand ankommen wird, denn unterwegs wartet eine Menge Ärger.
Vorher gibt es freilich schon anderenorts Ärger, und zwar richtigen: Battra beziehungsweise ihre Larve ist nämlich wirklich erwacht und schwimmt nun mit bösen Absichten auf Nagoya zu, wo man sie schon für unbesiegbar hält, bevor man überhaupt versucht hat, sie zu besiegen. Als es das Militär an Land schließlich doch versucht, klappt’s tatsächlich nicht – die japanische Armee fängt sich in feinster Genre-Tradition eine weitere Schlappe ein. Battra gräbt sich aber wie ein Maulwurf durchs Erdreich und kommt mitten in Nagoya wieder ans Tageslicht, um die Stadt mit beeindruckender Gründlichkeit in Schutt und Asche zu legen.
Währenddessen gerät der Ei-Transport auf hoher See in akute Gefahr – es blubbert verdächtig, und dann taucht ... Godzilla auf! Der steht mal wieder bis zur Hüfte im Wasser (so richtig gut ließ es sich da vorher sicher nicht schwimmen beziehungsweise tauchen ...) und hat es auf das Ei abgesehen, dessen Transportboot sicherheitshalber von Takuya abgekoppelt wird. Jetzt aber zerspringt die Eierschale und die Larve von Mothra kommt zum Vorschein, um sich, kaum ist sie auf der Welt (!), gleich mal mitten im flachen Meer mit Godzilla prügeln zu dürfen. Der wird aber bald abgelenkt, denn die grimmige Battra-Larve ist mit Nagoya fertig und kommt nun sicher nicht ganz zufällig auch noch vorbei. Godzilla und die beiden Mottenlarven liefern sich erst einmal ein kurzes Jeder-gegen-jeden-Gekloppe, bis sich schließlich der Große Grüne und die Battra-Larve zum Duell finden und unter Wasser (dafür ist es wieder tief genug) heftig miteinander ringen. Auch Strahlen schießen sie fleißig aufeinander ab, bis ... ja, bis ein Unterwasservulkan ausbricht und die beiden Monster in einer Lavaflut begräbt. Aus die Maus für Godzilla und die Battra-Larve ... oder? Wohl kaum – wie wir wissen, macht ein erfrischendes Lavabad zumindest dem Großen Grünen rein gar nichts aus. Aber erst einmal sind er und die Battra-Larve weg, und auch die Mothra-Larve ist bereits von dannen geschwommen. Dummerweise sind jetzt aber auch noch die Cosmos weg! Die hat nämlich Andoh geklaut und zum fiesen Marutomo-Chef Tomokane gebracht, der hoch erfreut ist und seinen Sekretär sofort in den nächsten Spielzeugladen scheucht, um eine angemessene Wohnungseinrichtung für die jungen Damen zu kaufen. Die Entführten nutzen freilich die erstbeste Gelegenheit, um ihr „Mosura“-Liedchen zu trällern ... woraufhin die Mothra-Larve, die ja eine Art telepathischen Draht zu den Mini-Zwillingen hat, ob des Kidnappings sauer nach Tokio aufbricht. Das Militär versucht auch bei ihr sein Glück, aber ach – davon lässt sich die Larve nicht aufhalten, rauscht durch die japanische Metropole und legt schon mal Teile von ihr in Trümmer, während die Cosmos ihr zweites Liedchen singen ...
Apropos telepathisch: Miki Saegusa bleibt uns natürlich auch in diesem Film nicht erspart, denn nun gibt es eine Kleinigkeit für sie zu tun. Im Hause Marutomo muss man nämlich nach kurzer Freude entsetzt feststellen, dass die Cosmos verschwunden sind – jetzt hat sie nämlich Takuya geklaut, um sie für einen dicken Batzen Geld an irgendeinen windigen Menschen zu verscheuern. Miki kann aber dank ihrer besonderen Fähigkeiten herausfinden, dass sich die Zwillingsfeen gerade in einem Hotel aufhalten. Masako, Miki und Midori, die nun auch noch hinzugestoßene kleine Tochter von Masako und Takuya, fahren sofort dorthin, um die Cosmos sicher- und Takuya zur Rede zu stellen. Der gelobt reumütig Besserung, zumal ihn besonders Midori darum bittet: „Hör auf zu stehlen, Papa!“ Die Mothra-Larve erreicht nun auch das Hotel, kann aber am Fenster von den Cosmos beruhigt werden. Sie „bedankt sich“, stellt ihren Zerstörungsfeldzug ein, rutscht zum Rathaus (freilich nicht ohne weitere Gebäudeschäden) und verpuppt sich dort. Kitschige Musik ertönt und Midori nervt.
Auch der Fuji nervt – der bricht nämlich jetzt aus. „Die Erde rächt sich“, wissen die Cosmos. Dass Andoh gerade von seinem Boss gefeuert wird, ist derweil weniger wichtig, denn nun kreuzt, es wird Zeit, Godzilla wieder auf, der von der Lava „hochgespült“ wurde (wussten wir‘s doch, dass er mit der kein nennenswertes Problem hat). Ein Journalist, der den beratenden Wissenschaftler Professor Fukazawa bei einem Hubschrauberflug über den Ort des Geschehens begleitet, will das dennoch nicht kampflos wahrhaben und verweist noch einmal darauf, dass die Lava doch mindesten 1.500 Grad heiß sei – um eine denkwürdige, das gesamte Kaijū-Eiga-Genre auf den Punkt bringende Totschlag-Antwort zu erhalten: „Das ist mit dem menschlichen Verstand nicht zu erklären, mein Junge.“ Völlig richtig.
Mothra aber wird zum leuchtend bunten Schmetterling und fliegt erst einmal zu Battra, die anderenorts ebenfalls ihre Umwandlung abgeschlossen hat, aber standesgemäß etwas düsterer gefärbt ist. Die beiden kämpfen ein wenig gegeneinander und flattern dann nach Yokohama, weil dort mehr los ist: Godzilla hat begonnen, die Stadt zu zerlegen. Battra legt sich sogleich mit ihm an, zieht aber den Kürzeren und muss erst einmal verschnaufen. Mothra nutzt diese Gelegenheit, um ein ernsthaftes und längst überfälliges Gespräch mit ihrer bösen Schwester zu führen (!) ... welches offensichtlich gut verläuft: Goldstaub wirbelt, die Cosmos singen, und dann ist die Verbrüderung oder Verschwesterung vollzogen. „Battra und Mothra sind jetzt Freunde!“, verkünden die Cosmos, und Midori freut sich besonders. Nun bekommt es der Große Grüne mit zwei Motten zu tun, und das wird schwierig. Battra donnert ihm ein Riesenrad um die Ohren (!), man beschießt sich wild mit Strahlen, Blitze zucken, Häuser werden zertrümmert. Schließlich können die Motten ihren Gegner packen und aus der Stadt herausfliegen, was Battra jedoch das Leben kostet, da sich Godzilla in ihr festbeißt (grünes Blut fließt!). Weit draußen über dem Meer klinkt Mothra die beiden aus.
Ob Godzilla an alledem ernsthaft Schaden nimmt, darf beziehungsweise muss bezweifelt werden, Battra jedoch, so teilt man uns mit, ist tot. Bliebe also vorerst Mothra – die hat Battra vor deren Ableben versprochen, „gut auf die Welt aufzupassen“, vereinigt sich mit den Cosmos (die in ihren Fühlern verschwinden) und bricht nach einem herzlichen und emotionalen Abschied ins Weltall (!) auf, wo anscheinend schon wieder ein Meteorit im Anmarsch ist und abgewehrt werden muss. Hoffen wir, dass es gelingt ...
Na ja, es wird schon. Ich muss sagen, dass mich Godzilla – Kampf der Saurier-Mutanten sehr angenehm überrascht hat. Wie wohl alle erwachsenen Kaijū-Freunde bin ich kein Fan der Riesenmotte Mothra – die Idee, die ihrer Schöpfung zugrunde liegt, ist großartig (man überlege sich das: eine Motte mit zweihundertfünfzig Meter Flügelspannweite!), aber ihre Umsetzung schmeckt mir seit jeher viel zu sehr nach Kuscheltier. (Um’s noch einmal festzuhalten: Eigentlich ist Mothra eher ein Schmetterling als eine Motte, aber es hat sich nun mal eingebürgert, sie Motte zu nennen, worauf ja auch ihr Name zielt.) Zudem hat sie immer noch einen Berg übersinnlichen und mythologischen Mumpitz wie eben die singenden Mini-Zwillingsfeen im Schlepptau und lädt förmlich zu einer kitschigen Inszenierung ein. Auf die muss man auch hier nicht verzichten: Gegen Ende jaulen die Geigen, die Cosmos trällern einen Schmachtfetzen, Goldstaub wirbelt aus allen Rohren, die Sonne versinkt im Meer ... Das gilt es zu schlucken, wobei es im Zuge dessen allerdings auch Momente gibt, die man bei geeigneter Konstitution als poetisch bezeichnen könnte. Sehr schön ist zum Beispiel eine Sequenz, in der die Mothra-Larve zum ruhigen Gesang der Cosmos den „Abwehrriegel“ des hilflosen Militärs durchbricht und eingerahmt von Flammen und Explosionen gen Tokio schwimmt. Solche Versuche, die Kaijū-Kernkompetenz Krawall einmal ein Stück weit aufzubrechen, sind immerhin anerkennenswert – solange der Schmalztopf zwar wackelt, aber noch nicht kippt. Mit den „Kosumosu“, also Cosmos (so heißen sie jetzt offiziell – früher nannte man sie Shobijin oder Twin Fairies) bin ich derweil wie eigentlich immer halbwegs gut klar gekommen, obwohl es (sorry) schon welche gab, die mir besser gefallen haben, sie uns geschlagene vier Mal mit ihren Liedern beglücken und einem ihre quäkig-piepsigen deutschen Synchronstimmen die letzten Nerven rauben können (für die können sie freilich nichts). Hoch erfreut war ich darüber, dass mir diesmal keine ausschweifenden, dümmlichen und von braun angepinselten Japanern vollzogene „Eingeborenen“-Zeremonien vorgesetzt wurden wie in früheren Motten-Abenteuern, und noch erfreulicher war in meinen Augen der Auftritt von Mothras böser schwarzer Schwester Battra, die mich sowohl als Larve als auch als vollendeter Schmetterling oder Falter, wie immer man’s nun nennen mag, sehr beeindruckt hat – sie bringt doch mehr frischen Wind ins Geschehen als erwartet und hat genug Charakter, um nicht einfach nur eine zweite Motte zu sein. Die größte und angenehmste Überraschung war für mich indes das Ausmaß des Krawalls, den die Motten beziehungsweise die Mottenlarven hier veranstalten. Beim gewaltsamen Umgestalten von Großstädten stehlen sie dem Großen Grünen sogar eindeutig die Show – der hat am Ende nicht einmal genügend Zeit, um in Ruhe Yokohama zu verwüsten. Die Battra-Larve aber macht sich schon nach 28 Minuten über Nagoya her, und das fühlt sich wie später auch der Besuch der Mothra-Larve in Tokio sehr wuchtig an, weil den beiden ganze Modellbau-Stadtviertel hingestellt wurden.
Ein paar Probleme hatte ich bei der „charakterlichen“ Einsortierung der Monster – zunächst wird ja Battra als glasklare Antagonistin eingeführt, weswegen man instinktiv dazu neigt, Godzilla wie in den Sechzigern und Siebzigern auf Seiten der Menschen zu verorten (ein Shōwa-Reflex gewissermaßen), aber das ist falsch: Der Große Grüne taucht als Feind der Menschen auf und bleibt es bis zum Schluss, während Battra einen (vorbildlich kurzen ...) „Läuterungsprozess“ durchläuft. In diesem Punkt bleibt sich die Heisei-Reihe also weiterhin treu – Godzilla ist böse. Auf einem der Godzillaüberwachungssystembildschirme im Godzillakontrollzentrum können wir übrigens zu Beginn seines Post-Lava-Auftritts ablesen, dass er bei einem Gewicht von 60.000 Tonnen exakt 656,168 Fuß lang und 328,084 Fuß hoch ist – das sind fast auf den Mikrometer genau 200 beziehungsweise 100 Meter. Merkwürdig, oder? Na ja, auf jeden Fall wussten wir’s noch nie so genau. Die menschlichen Mitwirkenden bleiben bei alledem recht weit im Hintergrund – nach den vergleichsweise „hoch komplexen“ (besser: überladenen) Vorgängerfilmen von Kazuki Ômori begnügt sich Godzilla – Kampf der Saurier-Mutanten mit einer eher schlichten und konventionellen Handlung (obwohl das Skript erneut von Kazuki Ômori ersonnen wurde, wobei ihm einige Kaijū-Storys halfen: „Gojira tai Gigamosu“ von Wataru Mimura, „Mosura tai Bagan“ von Akira Murao, „Kingu Gidora no Gyakushu“ von Yukiko Takayama, „Mosura tai Bagan“ von Tomoyuki Tanaka und „Mikuro Supa Batoru Gojira tai Gigamosu“ von Minoru Yoshida). Wenn man will, kann man „konventionell“ auch durch „einfallsarm“ ersetzen, denn über weite Strecken erinnert der erstmalig von Takao Okawara in Szene gesetzte Film sehr stark an Ishirô Hondas Klassiker Godzilla und die Urweltraupen, und dies nicht nur durch das maßgebliche Tun der Cosmos und die Unannehmlichkeiten, die Godzilla zwangsläufig mit dem Eier-Inhalt bekommt, sondern beispielsweise auch dadurch, dass sich wieder ein schmieriger Kapitalist das Ei unter den Nagel reißen möchte. Einige weitere Motive (wie den Angriff der Mothra-Larve auf Tokio, um die Cosmos respektive Shobijin zurückzuholen oder ihre Verpuppung in Tokio) findet man sogar schon in Mothras Solofilm und Leinwanddebüt Mothra bedroht die Welt von 1961. Hier nun wurde nur noch eine Öko-Botschaft hinzugepappt, die zwar ziemlich offensiv verkündet wird, über das Postulieren von Parolen aber nicht hinauskommt. Immerhin fanden die Cosmos schon vor mehr als dreißig Jahren, dass es mit Blick auf das Klima „fünf vor zwölf“ ist – wenn die wüssten, dass uns die Uhr inzwischen längst halb eins geschlagen hat.
Für sein eigentliches, sprich unverkennbar als solches angelegtes Protagonistenpärchen hat das Skript indes nicht allzu viel übrig – Takuya und Masako sind unter dem Strich nur Mittel zum Zweck, was auch von ihrer gelegentlich angerissenen, schablonenhaften und letztlich mit zwei, drei Versöhnungssätzen auf die Schnelle durchgewischten (sprich: überflüssigen) Beziehungsgeschichte nicht verschleiert werden kann. Bemerkenswert ist hierbei bestenfalls die Zeichnung Takuyas, der schon als unsympathisches Großmaul eingeführt wird, sich charakterlich kaum entwickelt und schließlich sogar noch (Sauerei!) die Cosmos klaut, um sie zu verhökern. (Wieso lassen die sich überhaupt klauen? In Godzilla und die Urweltraupen konnten sie noch auftauchen und verschwinden, wie’s ihnen gerade recht war. Die Zwillingsfeen sind anno 1992 auch nicht mehr das, was sie mal waren.) Na ja, wirklich interessant wird Takuya damit noch lange nicht – am Ende ist er uns so schnurz wie alle anderen auch, zumal sämtliche menschlichen Mitwirkenden ohnehin schon eine halbe Stunde vor dem Ende des Films Feierabend haben, denn von da an sind sie in allerbester Kaijū-Eiga-Manier nur noch Zuschauer beim Wüten der Monster und beschränken sich aufs Daumendrücken und ein, zwei sinnlose Zurufe (wunderschön ist eine Szene, in der Masako Mothra aus knapp drei Kilometern Entfernung „Pass auf, Godzilla kommt!“ zuruft – als ob die Motte nicht mitbekommen würde, dass unmittelbar hinter ihr ein hundert Meter hohes Monster mit seinem Aufstampfen die Hochhäuser zum Wackeln bringt). Etwas Nennenswertes hat jetzt nur noch Midori zu tun, nämlich Mothra anzufeuern und sich bei Battra dafür zu bedanken, dass sie ihrer Schwester im Finale geholfen hat. Das ist allerdings nicht nennenswert, weil es nennenswert ist, sondern weil es nervt und zudem immer wieder aufzeigt, wie sinnlos ihre Figur ist. Mag sein, dass Midori erst spät eingeführt wird und tatsächlich nur wenige Szenen hat, aber keine einzige davon hat jemals irgendein Mensch oder Tier auf Erden gebraucht (was selbst für die „Hör auf zu stehlen, Papa!“-Läuterungs-Initialisierung gilt). Wenn ich mich nicht irre, ist Midori übrigens das erste Mädchen, das im Zuge der Godzilla-Reihe eine nervige Kinderrolle bekleidet – bisher sind uns zumindest in der vorderen Front nur Jungen auf den Wecker gegangen. Wenn ich mich weiterhin nicht irre, wird sie aber nicht das letzte überflüssige Mädchen bleiben. Und auch Mothra wird man wiedersehen. Auf sie kann man in Japan nicht verzichten.
Optisch macht zumindest meine Marketing-Veröffentlichung des Streifens einen erstaunlich guten Eindruck – seine heiseitraditionell im 1.85:1-Format vorliegenden Bilder sind klar, verschmutzungsfrei und extrem farbenfroh, wann immer es frohe Farben gibt. Das ist keineswegs immer der Fall (denken wir einfach einmal an Mothras Larve ...), aber wenn, dann erschlagen sie einen förmlich, wie im Finale mit dem hinreißend bunten Mothra-Schmetterling. Das sieht natürlich krass übersättigt aus (vor allem in den Rottönen), hat aber unbestreitbar seinen Reiz und sorgt für einige memorable Aufnahmen. Ich habe selbstredend auch hier wieder in meine alte DVD von Astro/Best Entertainment hineingeschaut, und in diesem Fall zeigen sich doch dramatische Unterschiede. Abgesehen von der üblichen Großbildschirm-Untauglichkeit dieser Fassung sind ihre Farben krass untersättigt und gewähren allerlei trostlosen Grau- und Brauntönen die Vorherrschaft. Aber gut – auch diese Scheibe hatte ihre Zeit. Beim wie immer essenziellen Blick auf die Tricktechnik schneidet Godzilla – Kampf der Saurier-Mutanten besser ab als der Vorgängerfilm Godzilla – Duell der Megasaurier. Das betrifft vor allem die Rückprojektionen, die erneut reichlich vorhanden und zwar noch lange nicht State of the Art sind, aber deutlich weniger auffallen als in vergangenen Zeiten – wie beispielsweise bei den vielen Sequenzen, in denen die Zwillingsfeen beziehungsweise Cosmos einkopiert werden mussten. Es gibt sogar zwei oder drei Einstellungen, bei denen ich mir nicht einmal ganz sicher war, ob ich es mit Rückprojektionen zu tun habe – dies einzuräumen kommt schon einer Belobigung gleich. Die sollte es auch für die sehr umfangreichen Modellbauten geben, die den Monstern freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden. Nicht alle sind bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, aber dabei muss schließlich immer abgewogen werden, ob sich die eine oder andere Feinheit für die drei Sekunden lohnt, in denen man die betreffenden Bauwerke stehen sieht. Und wenn sie dann fallen und einstürzen, dann ist das wie immer höchst beeindruckend. Sehr authentisch sehen dabei vor allem die entstehenden Qualmwolken aus – so etwas bekommt man als CGI-Umsetzung zumindest bei preiswerteren Produktionen bis zum heutigen Tag noch nicht zuverlässig gebacken. Einige Explosionen sind ebenfalls erstklassig, während Flammen wie gewohnt nur in Glücksfällen überzeugen können. Ihr Einsatz ist allerdings eher selten – wesentlich wichtiger sind Strahlen aller Art, und gerade die von den Motten erzeugten sehen verblüffend echt und beispielsweise sehr viel realistischer aus als die von King Ghidorah im Vorgängerfilm. Mitunter, wenn sie eckig sind, also mehrere scharfe Knicke aufweisen, wirken sie sogar regelrecht bedrohlich. Auch alles andere, was blitzt und kracht, ist okay – das betrifft vornehmlich die Einsätze der Armee, die hier wieder einmal mit einem großen Aufgebot an Spielzeugpanzern anrückt, während Militär-Stock-Footage die Ausnahme bleibt. Und ja, auch die Monster halten, was man sich von ihnen verspricht. Das ist im Fall der beiden Larven nicht allzu viel, aber ein paar ordentliche Schwimmbewegungen bekommen sie schon auf die Reihe, und die angemessen „böse“ gestaltete Battra-Larve hat man immerhin noch nie gesehen. Die fertigen Schmetterlinge aka Motten sehen dann nicht nur schön bunt aus, sondern beeindrucken auch mit toll umgesetzten Flügelbewegungen. Das Hauptmanko bleiben freilich auch hier ihre nutzlos und latent lächerlich herumbaumelnden Beinchen und der generell steife Eindruck, den alles macht, was in den Tōhō-Studios durch die Lüfte fliegt – Flügelbewegungen hin, Flügelbewegungen her. Godzilla respektive sein zuverlässiger Stammdarsteller Kenpachirô Satsuma trägt derweil den neuen Batagoji-Suit und sieht auch mit ihm wieder ausgesprochen grimmig aus. Für die Unterwasserszenen kam jedoch noch einmal der alte Biogoji-Anzug zum Einsatz, der inzwischen allerlei erlebt hatte: Er wurde nämlich aus den Studioräumen der Tōhō gestohlen und erst Wochen später in böse ramponiertem Zustand von einer alten Frau in der Nähe der Tokyo Bay gefunden.
Die Darsteller des menschlichen Personals sind mehrheitlich Kaijū-Eiga-Debütanten. Der Cast wird von Tetsuya Bessho als Takuya Fujita angeführt, der immer dann am glaubwürdigsten wirkt, wenn er seine Figur als selbstgefälligen Taugenichts anlegt, was nicht unbedingt für ihn spricht. Eine wohltuend gute Vorstellung liefert derweil Satomi Kobayashi als Masako ab, der man zutrauen darf, dass sie auch schauspielern kann, wenn’s nötig ist. Hier ist’s nicht nötig, aber sie wirkt dennoch von allen maßgeblichen Mitwirkenden mit Abstand am souveränsten. Takehiro Murata kann sich als Kenji Andoh in seiner etwas linkisch angelegten Rolle nicht wirkungsvoll in Szene setzen, Megumi Odaka hat als Telepathin Miki Saegusa immer noch Segelohren, war mir in diesem Fall aber gar nicht so unsympathisch (dankenswerterweise hat ihre Figur auch nur eine einzige halbwegs bedeutsame Szene), und Akira Takarada steht als „Environmental Planning Board Chief“ Minamino nur in seiner Behörde herum und kommentiert gelegentlich die Lage. Er ist abgesehen von den Monsterdarstellern der Einzige im prägenden Cast (na ja, wenn man‘s denn „prägend“ nennen will), der auf Kaijū-Eiga-Erfahrung zurückblicken kann – Freunde des Genres haben ihn bereits als Ogata im Ur-Godzilla, als Reporter Sakai in Godzilla und die Urweltraupen, als Astronaut Fuji in Befehl aus dem Dunkel und als Einbrecher Yoshimura in Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer gesehen. Darüber hinaus war er auch in der Genre-Parallelproduktion U 4000 – Panik unter dem Ozean für die Tōhō tätig und in Ishirô Hondas herrlich trashigem Godzilla-Spin-off King-Kong – Frankensteins Sohn als stellvertretender U-Boot-Kommandant Jiro Nomura an Bord (warum hat die Tōhō bloß ihren „Mechanikong“ nie reaktiviert?). Ich habe immer noch die wunderbare Fotografie vor Augen, die ihn fast fünfzig Jahre nach den Dreharbeiten zum letztgenannten Streifen mit seiner damaligen Filmpartnerin, der amerikanischen Gelegenheitsdarstellerin Linda Miller, zeigt. Aber zurück zu Godzilla – Kampf der Saurier-Mutanten. Die Cosmos, wir kommen nicht um sie herum, werden von Keiko Imamura und Sayaka Osawa verkörpert, denen man im Prinzip nichts vorwerfen kann – das, was sie hier machen müssen, machen sie tadellos, ob es einem nun gefällt oder nicht. Ich persönlich konnte ihnen und ihren Figuren nicht böse sein und habe mich nicht einmal von ihrem aufreizend häufigen Geträller ernsthaft belästigt gefühlt. Ein wichtiger Akteur fehlt noch: „Hurricane Ryu“ Hariken, der in Battras Larvenkostüm steckt. Anders als bei der Mothra-Larve, die ohne „innere Hilfe“ zum Leben beziehungsweise zum Kriechen erweckt wird, ist bei ihrer bösen schwarzen Kollegin ein Darsteller nötig, weil diese immer mit aufgerichtetem Oberkörper durch die Gegend tobt (eine permanente Angriffsstellung, wenn man so will) – und dort vorn „steht“ der Darsteller, der zweifellos nicht allzu groß sein darf. Vielen Dank auf jeden Fall an „Hurricane Ryu“ Hariken. Auch dem Altmeister Akira Ifukube darf man schließlich wieder einmal danken, denn der verantwortet wie in den meisten Godzilla-Streifen auch hier den Score. Damit ist man natürlich auf der sicheren Seite – mitunter, vornehmlich natürlich in den Actionszenen, haftet seiner Musik etwas arg Altmodisches an (die Fünfziger und ihre Genrefilme kamen mir in den Sinn), aber insgesamt überwiegen die angenehmen Passagen sehr deutlich, was sowohl für die „klassischen“ Godzilla-Motive als auch die Mothra zugeordneten Passagen gilt. Zu denen zählen auch die Lieder der Cosmos – der bekannte „Mosura“-Song lässt sich immer hören (stammt aber schon aus dem Jahr 1961 und wurde von Yuji Koseki für Mothras Solofilm komponiert), während das zweite Lied, dessen Thema regelmäßig auch instrumental verarbeitet wird, mehr als einmal recht draufgängerisch auf dem schmalen Grat zum Kitsch herumturnt. Das gilt nicht für die Melodie (die ist nicht übel), sondern für die Interpretation beziehungsweise das Arrangement: Ein paar schmalzig jammernde Frauenchöre muss man schon ertragen.
So bleibt ein schöner Kaijū Eiga aus der Mitte des mittleren Leinwandlebensabschnitts seines titelgebenden Kultmonsters, das hier allerdings vergleichsweise wenig zu tun hat und sich nach einigen fruchtlosen Kurzauftritten ungebührlich schnell von zwei Motten vermöbeln und aus dem Verkehr ziehen lassen muss. Aber gut – es sind zwei sehr große Motten ... und die bestimmen hier sowohl im Larvenzustand als auch in ihrer endgültigen Form ganz eindeutig das Geschehen. Battra erweist sich als überraschend wertvoller, viel Kurzweil fabrizierender Neuzugang, während Mothra und ihr Erdgeister-Anhang eine Brücke zurück in die präinfantilen Shōwa-Jahre schlagen und etwas von jenem naiven märchenhaften Charme dieser Zeit in die eher düstere und ernste Heisei-Ära transportieren. Ungeachtet aller mythischen Verklärungsansätze und etwas ungelenker Bemühungen um eine ökologische Botschaft ist Takao Okawaras Streifen aber in erster Linie noch immer eindeutig dem Kaijū-Krawall verpflichtet: Er mag bisweilen kurz innehalten, aber wenn seine Monster in Aktion treten, dann brechen wirklich alle Dämme und Godzilla – Kampf der Saurier-Mutanten wird zum strahlen-, blitz- und explosionsgesättigten Destruktions-Overkill, bei dem auch mit dem Genre vertrauten Filmfreunden gelegentlich der Mund offen stehen sollte. Sehr schön. Ich selbst bin mehr als zufrieden und habe zudem mein Verhältnis zu Mothra wieder ein Stück weit verbessert – ich konnte die Cosmos mit Humor nehmen und im Treiben einer ganze Stadtviertel zerlegenden Plüschmotte sogar etwas Surreales erblicken. Mit Blick auf meine einleitenden Worte soll daher abschließend vermeldet werden, dass ich mich in Zukunft definitiv an Godzilla – Kampf der Saurier-Mutanten erinnern werde. Und das mit dem Verkehr, aus dem der Große Grüne gezogen worden ist, blieb selbstredend ein kurzes Intermezzo – schon ein Jahr später sollte man ihn gesund und munter wiedersehen.
Sichere 8 von 10 Punkten vom Kaijū-Eiga-Freund, ansonsten wieder gern 6 von 10.
(05/24)