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Ein Grundschüler, besessen von der Farbe Rot und vermutlich großer Fan der TV-Serie „Ultraman“ (1966), reichte 1971 seinen Beitrag für einen von Seiyu ausgerufenen und von Toho gesponserten Kaiju-Design-Wettbewerb ein. „Red Alone“ war der Name des ironischerweise nicht roten, sondern weißen Roboters. Natürlich, ein Roboter; Kinder sind seit Anbeginn der Science Fiction besessen von Robotern. Der kleine Erschaffer dieses besonderen Exemplars jedenfalls konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen, dass sein „Red Alone“ als Gewinner des Wettbewerbs die Chance dazu hatte, im neuesten Abenteuer der Godzilla-Franchise mitzumischen. Das wurde den Finalteilnehmern erst während einer TV-Show mitgeteilt.

Dass es kein Kinder-Entwurf einfach so in einen Godzilla-Film schafft, versteht sich dabei von selbst. Das finale Design stammt letztlich nicht von einem kleinen Jungen, sondern von Teruyoshi Nakano, einem langjährigen SFX-Supervisor für allerhand Monsterfilme. Aus „Red Alone“ wurde „Jet Jaguar“, eine mit den Grundfarben Blau, Rot und Gelb akzentuierte Reminiszenz an die futuristischen Anzüge der Weltraumeroberer aus unzähligen Pulp-Comics und natürlich auch aus Raumfahrtfilmen, zu denen letztlich auch „Godzilla“-Erschaffer Ishiro Honda seinen Teil beigetragen hat.

Und dennoch, aus der Ferne betrachtet erscheint Jet Jaguar wie albernes Kinderspielzeug. Acht Jahre „Good-Zilla“ seit der Verwandlung zum Guten in „Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah“ haben schließlich Früchte getragen. Auch wenn die Entscheidungshoheit bei den Erwachsenen liegt, es sind die Kinder, die das Spielzeug kaufen und die Serien schauen, deren Stimmen man hören möchte. Und sie verlangten offenbar nach mehr Metall in einem Universum, das bislang hauptsächlich von prähistorischem Inselgemüse und außerirdischen Tyrannen angetrieben wurde. Mehr also von einer Schaffenskraft menschlichen Ursprungs.

In gewisser Weise fungiert Jet Jaguar daher als Legitimation für mehr Blechschäden, wie sie später vor allem durch „Mechagodzilla“ Einzug in die Reihe erhielten. Der feierte 1974 in „King Kong gegen Godzilla“ sein Debüt und unterstrich durch seine stählerne Anmutung das schizophrene menschliche Verhältnis zu Götteranbetung und Gottkomplex: Einem Gott ein Denkmal zu bauen, dieses aber dann gegen den Gott antreten zu lassen, nichts könnte typischer für unsere Spezies sein.

Auch Jet Jaguar ist schon so etwas wie die Fingerspitze auf Michelangelos Gemälde „Die Erschaffung Adams“, die Brücke also zwischen Mensch und Godzilla. Immerhin kann er sich für die Prügelei am Ende ohne weitere Erklärung einfach von einem 150-Kilo-Metallgestell in 25.000-Tonnen-Ungetüm verwandeln. So steht er dem König der Echsen zur Seite, wenn der sich zum Kampf gegen den alten Bekannten Gigan und die Insekten-Abart Megalon stellt, wobei letztere ihr Debüt und im Grunde ihren einzigen Auftritt absolviert, sieht man mal von ein paar Spielzeug-Cameos ab.

Grund für die ganze Aufregung sind natürlich mal wieder Atomtests, die einen fröhlichen Jungen bei einem Ausflug zum See beinahe in ein Wasserloch zerren. Eine Unverschämtheit, meint nicht nur der Wissenschaftler, der das Tretboot für den Jungen entworfen hat, sondern meint auch das Unterwasservolk der Seatopianer, die im Film einerseits die Natur repräsentieren, andererseits aber arrogant wie die Römer oder abgehoben wie die Götter der griechischen Mythologie auf ihrer Wasserwolke sitzen und dem verdienten Untergang ins Auge blicken. Wenn sie also Megalon an die Oberfläche senden, um alles zu Klump zu schlagen, tritt Godzilla dann nicht als Anwalt der Atomkraftwerke auf, wenn er Megalon wieder postwendend zum Teufel schickt?

Ein verzwicktes moralisches Dilemma, dem das Drehbuch aber gar nicht weiter auf den Grund gehen will. Also füllt es die Laufzeit bis zur obligatorischen Quartett-Klopperei mit allerhand Stock-Footage-Exkursen und einem Haufen inhaltsleerer Diskussionen im Wissenschaftlerlabor, während Jet Jaguar reglos in der Ecke steht und in der deutschen Fassung irritierenderweise dauernd als „King Kong“ referenziert wird - wohl auch, weil „Frankenstein“ ausnahmsweise mal Urlaub hatte. Leerstellen vertreibt man sich mit fesch auf Fast-Forward getunten Miniauto-Verfolgungsjagden, die den abenteuerlichen Irrfahrten von Wunderkäfer Herbie in Disneys „The Love Bug“ nachempfunden scheinen, auch weil die durchaus schicke See- und Kraterlandschaft des Films allerlei Stunt-Gelegenheiten bietet.

Unsere großen Freunde machen sich in der Zwischenzeit ziemlich rar. Erst als Megalon effektvoll einen Damm durchbricht, brechen alle Dämme und unserem geschuppten Freund vom anderen Ufer reißt der Geduldsfaden. Dass Godzilla diesmal noch knuffliger aussieht als sonst mit seiner knautschig eingedrückten Schnauze und seinen schalen Knopfaugen, hat wohl nicht nur mit dem kindlichen Zielpublikum zu tun, sondern auch mit dem geringen Zeitfenster, das für die Kostüme zur Verfügung stand. Echte Highlights bleiben rar gesät, sieht man mal davon ab, dass Megalon kleine Feuerbomben spucken kann und dabei auch mal den Godzi-Suit in Brand steckt. Unauffällig bleibt ansonsten auch die Choreografie, die eigentlich nur ein echtes Highlight im Köcher hat: Godzillas physikalisch völlig unmöglichen Flying Sidekick, der jedem angehenden Karateka seine Grenzen aufzeigt.

„Godzilla gegen Megalon“ entpuppt sich damit als Kinderfantasie mit wirrem moralischen Unterbau, das seinen Leerlauf nur unzureichend mit Pseudo-Tempo zu kaschieren weiß. Obwohl die prinzipiell hübschen Kulissen hin und wieder gekonnt als Sprungschanze für irgendwelchen Blödsinn genutzt werden, hätten ein paar Schauwerte mehr ganz gut getan; und was Jet Jaguar angeht, hat es schon seinen Grund, dass er danach nur noch in Serien, Videospielen und Comics auftreten durfte, niemals wieder jedoch in einem Godzilla-Film.

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