Review

iHaveCNit/tiNCevaHi: TENET (2020)
26.08.2020 und 28.08.2020

Auf „TENET“ liegt ein großer Druck. Seit Beginn der Corona-Pandemie sind nahezu alle großen Filmproduktionen von den Studios nach hinten verschoben worden, weil kein Filmstudio das Risiko eines finanziellen Misserfolgs tragen möchte, dass durch eine Einschränkung der möglichen Besucherstärke in den Kinos weltweit einhergehen kann. Aber ein Filmstudio und ein großer Film muss eben der Erste in dieser Zeit sein. In diesen Zeiten muss ein Film eben Langstreckenläufer sein, um seine Kosten wieder einspielen zu können. Die Frage ist nun, wie viel Puste hat Christopher Nolans neuester Film um eine möglichst lange und hoffentlich ertragreiche Strecke zurückzulegen. Nach 2 Sichtungen und 2 weiteren bereits geplanten Besuchen hoffe ich zumindest einen sehr kleinen Teil dazu beizutragen.

Christopher Nolan ist einer der wenigen Namen in Hollywood (neben Tom Cruise, Tom Hardy, Denis Villeneuve und James Bond), bei dem ich mir immer sicher sein kann, dass er meinen Geschmack trifft. Nachdem er sich bereits Obsessionen (Following), Erinnerungen (Memento), Schlaflosigkeit (Insomnia), Angst, Chaos und Schmerz (Die Dark-Knight-Trilogie), Magie (Prestige), Träumen (Inception), Liebe (Interstellar) und Zeit (Dunkirk) gewidmet hat, ist sein neuester Film eine Mischung aus einem James-Bond-artigen internationalen Spionagethriller, bei dem er natürlich seinen eigenen Obsessionen mit der Zeit nachgegangen ist und den wohl realistischsten und wissenschaftlichsten Ansatz für „Zeitreisen“ integriert hat, so dass der Film durchaus auch einen anderen Namen hätte tragen können: Inversion. Aber er hat sich für TENET entschieden – ein Palindrom, ein Wort, dass invertiert ist und von vorne wie von hinten genau gleich geschrieben und ausgesprochen wird. TENET ist der 11. Film von Nolan mit einer Laufzeit von 151 Minuten – so viel akribische Arbeit ist der Grundsatz (eine Übersetzung des Wortes TENET) der Arbeit eines Christopher Nolans. Gerade da ich in der aktuellen Zeit nicht weiß, welche meiner groß erwarteten Filme die noch 2020 erscheinen sollen tatsächlich erscheinen oder nicht, bleibt für mich nur zu sagen, dass TENET mein aktueller Film des Jahres 2020 ist.

An dieser Stelle würde ich eigentlich in eigenen Worten den Inhalt des Films wiedergeben, aber ich nehme hier die weitestgehend spoilerfreie Synopsis, die auch bereits aus den Trailern zu erkennen ist: Ein Agent wird rekrutiert, um einen besonderen Auftrag auszuführen. Er soll den 3. Weltkrieg verhindern. Diesmal ist jedoch keine nukleare Bedrohung der Grund. Es muss eine Person gestoppt werden, die die Fähigkeit besitzt, die Zeit zu manipulieren.

Meine persönliche Höchstwertung bekommt ein Film auch, wenn der Film per se nicht allgemeingültig die Bezeichnung „Meisterwerk“ tragen wird. Ich denke nicht, dass es sich bei TENET um ein Meisterwerk handelt, aber trotzdem um einen Film, dessen Konzept mich vollends begeistert hat und der Film durchaus das Potential zum persönlichen Langstreckenläufer und Lieblingsfilm haben wird. Für ein unbestrittenes „Meisterwerk“ hätte der Film entsprechend schon wesentlich länger sein müssen, um sowohl den hier handelnden Charakteren die vollständige Tiefe als auch der Thematik den notwendigen Raum zu geben. Des weiteren fällt es auf, dass der Schnitt des Films diesmal nicht durch Lee Smith, sondern durch Jennifer Lame übernommen worden ist, die in Dialogen und allgemein ein wenig hektisch geschnitten hat. Aber genau das fällt für mich hier absolut nicht ins Gewicht, weil der Film genau das geschafft hat, was ein Film schaffen sollte – mich ins Staunen zu versetzen und Bilder zu erschaffen, die es so noch nie auf der Leinwand gegeben hat. Nicht zu vergessen, dass dem Film zugrundeliegende Konzept. Als großer Fan der James-Bond-Filme und mittlerweile ausgehungert, weil die Zeit seit dem letzten Film bereits so weit zurückliegt und ich mir nicht sicher bin, ob der neue Film tatsächlich im November in die Kinos kommt, habe ich mich gefreut, wieder einen klassischen Spionagethriller mit internationalem Einschlag zu bekommen, der viel von dem Glamour und dem Hochglanz von Bondfilmen mitbringt und sich auch an der klassischen Struktur orientiert. Auch die Aufstellung des Casts weiß in diesem Fall zu gefallen. Wir haben John David Washington in der Hauptrolle, der seine Sache großartig macht. Für „BlacKkKlansman“ bereits für den Oscar und Golden Globe nominiert sehe ich für ihn eine ähnlich großartige Karriere wie die von seinem legendären Vater Denzel Washington. Den hauptsächlichen Antagonisten haben wir hier mit Kenneth Branagh, der vielleicht etwas plump den russischen Oligarchen spielt, aber mit unterschwelliger Raffinesse und Brutalität punktet. Die Dame im Bunde des Films ist dann Elizabeth Debicki, deren persönliches Drama durchaus einer der emotionalen Ankerpunkte des Films ist und sie natürlich das auch großartig macht. Den wichtigen Part des Sidekicks übernimmt hier Robert Pattinson als zwielichtiger Neil, der ebenfalls eine scheinbar interessante Verbindung zum Protagonisten hat. Weitere Charaktere erfüllen den Zweck von Pendants zu z.B. M, Q, und diversen Informanten. So bietet Nolan in der Grundstruktur eben eine Blaupause eines bondähnlichen Spionagethrillers. Eine großartige Liebeserklärung an das Genre und durchaus auch eine Empfehlung für künftige Aufgaben – wer weiß ? Das klingt vielleicht für einen Nolan schon sehr simpel aber Nolan wäre nicht Nolan, wenn er durchaus auch noch eine harte Aufgabe parat hätte. Seine Obsessionen mit der Zeit haben bereits schon einige großartige Ideen hervorgebracht, so z.B. in Inception die parallele Erzählung von unterschiedlichen zeitlichen Horizonten je tiefer die Traumebene ist, in Interstellar das unterschiedliche Zeitgefüge auf Planeten, in Dunkirk die Kombination aus unterschiedlichen zeitlichen Horizonten. Aber eine Sache hat er selbst noch nicht auf Leinwand gebannt. Was passiert, wenn Menschen und Objekte ein gegenläufiges Zeitgefüge haben. Wenn Dinge sowohl vorwärts als auch rückwärts ablaufen. Hierzu nutzt Nolan eine narrative Mischung aus immer wieder eingeschobener klassischer Exposition und dem „Fish-Out-Of-Water-Prinzip“, das für mich eine sehr gute Mischung darstellt. Denn es geht hier wie im Film auch betont darum es zu fühlen und nicht unbedingt darum es zu verstehen. Das Gefühl muss ja nicht unbedingt in emotionaler Bindung zu den Charakteren liegen, sondern im Erleben des Films mit seinem audiovisuellen Konzept. Christopher Nolan hat hier nach Interstellar wieder mit Kip Thorne zusammen gearbeitet um das Thema der Zeitreisen möglichst wissenschaftlich genau und realistisch darzustellen. Und genau das erfordert vor allem bei der Choreographierung von feinsten Nuancen bishin zu riesigen Actionsequenzen zu einer enormen inszenatorischen Planung und einem riesigen Aufwand, den Nolan hier mithilfe seiner gesamten Crew auf die Beine gestellt hat. Mit einem extremen Minimum an computergenerierten Effekten bedient sich Nolan hier ausschließlich handgemachter Action und handgemachten Effekten, die dafür sorgen werden, dass der Film in dieser Hinsicht den Test der Zeit bestehen wird. Die Kameraarbeit von Hoyte van Hoytema ist wieder mal großartig. Da Hans Zimmer mit „Dune“ ; „Top Gun: Maverick“ ; „Wonder Woman 1984“ und „James Bond 007: No Time To Die“ ganze 4 Filmscores in der Pipeline hat, ist leider keine Zeit mehr für einen Score für „TENET“ gewesen, so dass der Schwede Ludwig Göransson hier das Ruder übernommen hat. Göransson hat bereits für „Black Panther“ den Oscar gewonnen und ist mir insbesondere mit seinen Scores für „Creed“ und „Creed 2“ im Gedächtnis geblieben. Er ist bekannt dafür, wummernde und wuchtige Beats in seinen Score einzubinden und da sorgt er bei „TENET“ natürlich auch für einen treibenden, temporeichen, wuchtigen und sehr guten Score, der an manchen Stellen sogar invertiert ist. Was für Göransson üblich ist, war es bisher bei Nolan noch nicht – die Zusammenarbeit mit Rappern und der Einfluss von Hip-Hop. So kam es für den Film zu einer Zusammenarbeit mit Travis Scott, der den interessanten Song „The Plan“ beisteuert, dessen Beats auch im Film zu finden sind. Nolans „TENET“ hat mich auch bei der 2. Sichtung begeistert und ich bin als großer Liebhaber von Kinos natürlich auch ein großer Fan von Nolans konservativer Ideologie was das Erlebnis von Filmen im Kino anbelangt. Wegen Filmen wie „TENET“ gehe ich gerne ins Kino und lasse mich gerne darauf ein, etwas neues zu erleben. Mit „TENET“ erlebt man definitiv unter der konservativen Oberfläche etwas neues, das wieder zum Staunen einlädt. Versuch es nicht zu verstehen, fühle es.

„TENET“ - My First Look – 10/10 Punkte / etknuP 01/01 – kooL tsriF yM - „TENET“

Das invertierte Wortspiel konnte ich mir am Ende und am Anfang dann doch nicht verkneifen, aber die gesamte Review invertiert, dass wäre dann doch Zuviel des Guten.

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