Review

☆☆☆MASTERPIECE☆☆☆

(ACHTUNG: REVIEW ENTHÄLT SPOILER)

Das Wort TENET hat seinen Ursprung im lateinischen und bedeutet Grundsatz/ Glaubenssatz. 


Christopher Nolan stellt mal wieder unter Beweis, dass er seine Blockbuster hochintelligent und außergewöhnlich mit seiner eigenen Handschrift zu etwas einmaligen verpackt. Es ist unverkennbar eine noch nie dagewesene Story, welche das Sator-Quadrat, Science- und Agentenfilm ineinander verflechtet.
Das ist echt erstaunlich und extrem atemberaubend! 
Ein physikalisches Grundverständnis wird vorausgesetzt bzw ist es erforderlich, nach der Sichtung des Films notwendiges Wissen zwingend zu ergooglen (Zeitumkehr-Invarianz|Multiversum|Großvaterparadoxon|...). Da kommt man wohl nicht drum herum. Aber man wird umso mehr belohnt, wenn man es tut und Christopher Nolan erreicht, was er mit diesem Machwerk bezwecken wollte... und zwar, dass man sich mit der Aussage des Films beschäftigt und sich seinen eigenen Grundsatz bildet. 

Sowas hat noch kein Film vorher geschafft... mir so simpel einen komplexen Gedanken einzupflanzen. Dieser Film ist also nichts anderes, als eine "Inception" am Zuschauer...grandios!

Du bist also gefragt, von selbst drauf zu kommen.

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Das Sator Quadrat (lateinische Wortfolge SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS)

ist ein Satzpalindrom, das man als magisches Quadrat horizontal und vertikal, vorwärts und rückwärts lesen kann:
Bereits in der Antike eröffnete der Satz magische Verschlüsselungen und veranlasste immer neue Deutungen und Botschaften; er gehört zu den am weitesten verbreiteten zauberkräftigen Zeichen des Abendlandes mit apotropäischer Funktion, z. B. gegen Hunger, Dämonen, böse Geister, Feuersgefahr, Seuchen und Unheil.[Quelle: Wikipedia]

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Worum geht es also noch mal ?

In aller erster Linie um den Lieblingscharakter von Nolan: Die Zeit.
Der Geheimagent "Der Protagonist" (John David Washington) muss zusammen mit seinem Partner Neil (Robert Pattinson) die Welt vor ihrem Untergang bewahren. Und das passiert vor- und rückwärts in der Zeit.

•Ihr Gegner: Andrei SATOR (bedeutet übersetzt: Schöpfergott)
•Die Geheimorganisation mit dem Codewort: TENET
•Die Eröffnungsszene (Geiselnahme)
spielt in einem Opernhaus: OPERA
•Ein Kunstfälscher heißt: AREPO
•Der Film ist eine einzige spektakuläre Verfolgungsjagd und verläuft entlang, als auch entgegen der Zeit- und Raumachse: ROTAS (Räder- ich deute dies als die Räder der Zeit, die sich vor und rückwärts bewegen)

Diese wichtigen Schlüsselelemente (Personen, Orte und Handlungsverläufe) bilden das Satorquadrat und offenbaren Nolan's komplexes Gedankenspiel.
Die Menschen aus der Zukunft bringen ihren Krieg in unsere Gegenwart, denn wir haben bereits ihre Welt mit unseren Handlungen zerstört. Ursache und Wirkung invertieren und bilden die Kampfgrundlage dieses Spektakels. Wäre da nicht der todkranke Antagonist Andrei Sator, der sein ganz eigenes Ziel verfolgt. Als Schwellenhüter der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (mittels einer Zeitinvertierungsmaschine) strebt er die Vernichtung von einfach allem an, um damit gottgleich zu werden.

"Gott hat die Welt ausgesät und hält die Räder des Weltalls in Händen."

Das älteste Bekenntnis der christlichen Religion wird durch Sator blasphemisch pervertiert.
Ein ganz neuer Wettlauf um "die Zeit" findet statt.

TENET ist ein Meisterwerk und ich muss diesen Film ehrlicher Weise noch mehrmals gucken, um alles verstehen zu können. Das ist wohl auch genauso von Nolan beabsichtigt. Er bezieht sein Publikum mit ein und fordert jeden einzelnen von uns dazu auf, sich über die Grenze des filmisch dargestellten hinaus mit den Kernaussagen seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Nolan's Intention, eine harsche Gesellschaftskritik im Unterbewusstsein des Zuschauers zu streuen und ihn damit quasi dazu zwingt, sich noch intensiver mit der Materie zu befassen , ist ein sehr klug gewähltes Stilmittel.
Die Themen Glaube und Wissenschaft fließen in die Syncopy- Gussform und verschmelzen in einem epochalen Ausmaß mit Zeit (-umkehr) und Raum ineinander. Die Zerstörung unserer Umwelt durch den Menschen spielt eine essenzielle Rolle in dieser Geschichte.
In einem Interview gab Mister Nolan das Statement ab, der Spaghetti- Western "Spiel mir das Lied vom Tod" inspirierte seine Herangehensweise beim Schreiben des Drehbuchs. Der Theorie- Physiker Kip Thorne, der schon mit Nolan zusammen an Interstellar (2014) arbeitete, wurde für TENET ebenfalls hinzugezogen, um Zeit und Quantenphysik logisch nachvollziehbar zu machen.
Statt eine Mär mit "Es war einmal..." einzuläuten, tut es Nolan mit "Was wäre wenn...".
Ein Fantasie- Experiment mit wissenschaftlichen Theorien zu stützen und mit dem Gewand des Spionage- Thrillers einzukleiden hat in dieser Form noch nie zuvor existiert.
Ich hatte das Privileg, diesen Film in der analogen 70mm Projektion im Kino Lichtburg Essen zu gucken und wurde wahrlich nicht enttäuscht, sondern vielmehr um eine weitere Kino- Erfahrung bereichert. Diese spezielle Erzählform wird vielen Gemütern den Schädel spalten.
TENET ist wohl das unkonventionellste Blockbuster- Kinoerlebnis, dass bis Dato in den Lichtspielhäusern die Leinwand erblickt hat. Mehr als nur ein Film...

John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki und Kenneth Brannagh spielen ihre Rollen sehr glaubhaft und eindringlich. 
TENET ist ein wirklich böser und düsterer Film mit einem wirklich bösen Antagonisten. Die FSK hatte wohl einen entspannten Tag. Mir soll es egal sein, aber ich denke dieses Werk ist für erwachsene Geister geeignet, die kein Problem mit dem "Querdenken" haben. Der Anspruch ist hier nämlich gewaltig. Darüber hinaus ist alles sehr cool und stylisch.
Man hat es hier nicht mit typischer Hollywood- Massenware zu tun, sondern mit richtigem Filmhandwerk!

Der Soundtrack von Ludwig Göransson hämmert sich immer spannungsgeladen, grobkörnig und roh in den Gehörgang des Zuschauers und macht einen bis in die Zehenspitzen nervös. Da werden Synth- Klänge wie Percussions getrommelt und schaffen ein pulsierendes Klangerlebnis.
Ebenfalls hervorzuheben sind die Action, die Settings, die stylischen Anzüge,... alles sehr episch eingefangen von der DOP- Legende Hoyte van Hoytema, das Editing von Jennifer Lame sowie die Special Effects von Supervisor Scott R. Fisher (nach Nolan's Aussage hat TENET ungefähr genauso viele Computer- Effekte wie eine gewöhnliche Rom- Com - Der Schauwert wird auf handgemachte Effekte gelegt).
Hier werden wohl alle Cineasten feucht im Höschen... und das zu Recht! 

10/10

Technische Daten:
Working Title: Merry Go Round
Produktionskosten: ca. 205 Mio $
Kamera: IMAX Format/ 70mm | Panavision Lenses
Laufzeit: 150 Minuten
Drehorte: United States, Great Britain, Denmark, Norway, Estonia, Italy, India

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