„Protest ist damals unser zweiter Vorname.“
Gegen Ende der 2010er-Dekade wurde die Dokumentarfilm-Autorin und -Regisseurin Melanie Didier vom WDR vielfach mit der Entwicklung von zurückliegende Dekaden boulevardesk aufarbeitenden Infotainment-Filmen betraut, beginnend mit „Kassettenkinder – Unsere Kindheit in den 80ern“ im Jahre 2018. Es folgten der sich einem bestimmten nationalen Musikphänomen jener Zeit widmende „Neue Deutsche Welle – Revolte, Spaß und Da-Da-Da“, „Jung in den 90ern – Gameboy, Girlies, Glücksgefühle“, „Jung in den 70ern – Schlaghose, Freiheitsdrang & Discofieber“, „Jung in den 60ern – Rebellen, Beat und Minirock“ und „Jung in den 2000ern – Sommermärchen, SMS und Castingträume“. Zwischen den Genannten war – man ahnt es – noch Raum für „Jung in den 80ern – Dauerwelle, Punks und Friedensträume“, der fast wie eine Replik auf den nicht von Didier, sondern Marion Försching umgesetzten Quasi-Nachfolger zu Didiers „Unsere Kindheit in den 80ern“-Film, „Generation Walkman – Unsere Jugend in den 80ern“, wirkt, sich inhaltlich aber trotz einiger Überschneidungen unterscheidet.
Diesem Film liegt das gleiche Konzept zugrunde wie den o.g. artverwandten Dokus, was bedeutet: Eine sympathisch klingende Off-Sprecherin (in diesem Falle Franziska Knost) führt aus vornehmlich bundesdeutscher Perspektive durch ein buntes Potpourri historischer, den jeweiligen Teilaspekt illustrierender TV-Ausschnitte, die von diversen Promis vor der Kamera kommentiert und mitunter um eigene Erfahrungen und Anekdoten ergänzt werden. Bei diesen handelt es sich um Schauspielerin und Moderatorin Elena Uhlig, MTV-Moderatorin Anastasia, die Journalisten Anna Planken und Sven Lorig, den ehemaligen „Bravo“-Chefredakteur Alex Gernandt und den Schriftsteller Frank Goosen. Seinen Schwerpunkt legt dieser Film auf Jugendkultur von Mainstream über Populär- bis Subkultur.
Die in den Rund eineinhalb Stunden angerissenen Themen sind:
Das ergibt eine unterhaltsame Mischung, die natürlich recht oberflächlich bleibt, aber zumindest einen ganz groben Überblick vermittelt und durch die Verwendung des historischen Fernsehmaterials und die damit verbundenen authentischen Bilder multimediale Belege liefert, auf die man sich abseits der Kommentierungen auch einen eigenen Reim machen kann. Einige Bilder kennt man indes schon aus ähnlichen Dokus (erinnert sei bspw. an Heiko Schäfers „Die Verrückten 80er – Das Lieblingsjahrzehnt der Deutschen“, eine WDR-Produktion aus dem Jahre 2016). Zu begrüßen ist die Idee, einige Protagonistinnen und Protagonisten speziell für diesen Film in der Gegenwart noch einmal vor die Kamera zu holen, was einen echten Mehrwert darstellt. Neben den bereits in der Aufzählung aufgeführten darf auch Friedens- und Frauenaktivistin Eva Quistorp ihre alten Bilder kommentieren. Fehlbesetzt wirkt hingegen Elena Uhlig, die nicht verstanden hat, worum es bei Hausbesetzungen überhaupt geht und hier generell ein wenig einfältig wirkt. Prädestiniert etwas über die Jugend in den 1980ern zu erzählen, ist hingegen natürlich Alex Gernandt, der nicht nur die von ihrer Aufklärungsarbeit abgesehen fragwürdige Teenie-Postille „Bravo“ eine ganze Weile leitete, sondern auch einen persönlichen subkulturellen Hintergrund vorweisen kann. Besonders sympathisch wirkt einmal mehr Frank Goosen, auch die anderen Kommentarinnen und Kommentatoren geben sich kaum eine Blöße.
Inhaltlich allerdings fährt Didier etwas sehr auf der Wohlfühlschiene, der Grundton ist ein fröhlich nostalgischer und soll es offenbar den überwiegenden Teil der Laufzeit auch bleiben. Jugend- und Straßengang-Gewalt spielt da kaum eine Rolle. HIV und Aids werden immerhin angesprochen, die Atomkraft durch die Öko-Bewegung indirekt auch, der Super-GAU in Tschernobyl aber bleibt ausgespart. Zu kurz kamen mir auch andere Jugendsendungen (als nur „Formel Eins“) und der private Rundfunk (ab 1984) sowie der Siegeszeug des Heavy Metal unter etlichen Jugendlichen gerade in den ‘80ern (Punk wirkt dagegen fast ein wenig überrepräsentiert). Das Rebellentum und die Anything-goes-Attitüde der ersten postmodernen Generation schafft es dieser Film aber tatsächlich zu vermitteln, was einen großen Teil seines Reizes, vor allem aber der ‘80er-Jugendkultur ausmacht.
Ob wohl die Vielzahl an ‘80er-Rückblicken auch einmal Bestandteil von Dokumentation über die 2010er-Jahre sein wird…?