Im Jahre 2025 haben sich die USA in ein unsicheres Land verwandelt, das seine Bürger nicht mehr unter Kontrolle hat und die ausufernde Kriminalität mit einem neu entwickelten Funksignal namens API bekämpfen will: Dieses in Kürze von allen Funkmasten landesweit ausgestrahlte Signal wirkt auf das menschliche Gehirn und verhindert Straftaten, wie in langen Tests zuvor bewiesen wurde. 14 Tage vor der erstmaligen flächendeckenden Ausstrahlung, deren Countdown an vielen öffentlichen Uhren heruntergezählt wird, steigt der Film mit der Story über den Gangster Graham Bricke (Edgar Ramírez) ein, der mit seinem Bruder Rory in der Unterwelt einer amerikanischen Großstadt bisher gute Geschäfte gemacht hat, weil er auch stets an den dortigen Oberboss Dumois abgedrückt hat. Jetzt aber ist Graham allein, denn sein zwischenzeitlich eingeknasteter Bruder hat (angeblich) Selbstmord begangen und mit dem bald startenden API-Programm wird nichts mehr so sein wie zuvor. In einer Kneipe trifft er die Hackerin Shelby (Anna Brewster) und nach einer schnellen Nummer auf dem Klo gesellt sich auch deren derzeitiger Freund dazu, Kevin Cash (Michael Pitt). Cash, ein exaltierter Möchtegern-Mafioso und eigentlich ein Dumois-Sproß, der seinen Vater jedoch hasst und seit Jahren eigene kriminelle Wege geht, war mit Brickes Bruder Rory im Knast und unterbreitet Graham wortreich einen "genialen" Plan: Mit Shelbys Hilfe will er Blüten herstellen und diese kurz vor dem Start des Funksignals bei einer Bank eintauschen, um somit das auf den Titel bezugnehmende letzte amerikanische Verbrechen zu verüben. Bricke, der Rache für seinen toten Bruder will, willigt ein - ein furioser Trip beginnt...
Der von Olivier Megaton (Taken 2, Colombiana) für Netflix gedrehte Actioner basiert, wie man aus der Prämisse eines gehirnsteuernden Funksignals (wtf?) schon herauslesen kann, auf einer Graphic Novel vulgo Comic, dementsprechend darf die Erwartungshaltung in punkto Spannung schon etwas niedriger angesetzt werden. Der Einstieg immerhin verspricht knallharte Action, leider erweist sich The Last Days of American Crime mit zunehmender Dauer als fade Angelegenheit, deren für die Hauptdarsteller erfolgreiches Ende bereits nach kurzer Zeit feststeht. Neben der viel zu langen Spielzeit von zweieinhalb Stunden liegt dies aber vor allem an den Darstellern.
Denn zu den drei Hauptdarstellern fällt es schwer, einen Draht aufzubauen: Edgar Ramírez als bärtiger Schönling verzieht fast zu keiner Zeit (s)eine Miene, was am Anfang noch wohlwollend als cool gewertet werden kann, spätestens in Filmmitte jedoch als Desinteresse an seiner Rolle interpretiert werden muß - entsprechend egal ist einem dann auch sein Part. Davon abgesehen übersteht er sämtliche Schießereien nahezu unbeschadet und verfolgt keinen erkennbaren Plan, obwohl er allein durch seine physische Präsenz eine treibende, ja eigentlich die treibende Kraft des Films darstellt. Kaum interessanter ist Anna Brewster als Schlampe mit Hackerkenntnissen, die sich betont lässig jedem an den Hals schmeißt, der ihr von Nutzen sein kann - klischeehaft auch der Nebenplot mit ihrer kleinen Schwester, für die sie später mit ihrem Anteil an der Beute sorgen will. Ihr offizieller Boyfriend Kevin Cash ist da noch der Interessanteste: ein völlig durchgeknallter Kleinkrimineller, der mit einem Riesen-Mundwerk seine Umwelt beeindrucken will und dabei ein ums andere Mal kläglich scheitert ("Passt auf meine Jacke auf, die ist von Armani"). Dieser schrille Vogel mit seinen waghalsigen Ideen ist dann aber im Endeffekt derjenige, der den Film mit seiner im Grunde ganz gewöhnlichen Heist-Thematik trägt: Man weiß nicht, was er sich ausdenkt, und als er den zum Tresorknacken benötigten Spezialsprengstoff direkt in der Villa seines Vaters abholt, darf der bis dato als Flachpfeife agierende Michael Pitt auch mal richtig aufdrehen...
Die vermeintlich sozialkritischen Untertöne (in gewisser Weise passend zu den USA unter Donald Trampel) mit der staatlichen Überwachung (API-Programm) werden leider in keinster Weise vertieft und stellen nur einen (unabänderlichen) Bruchteil der Rahmenhandlung dar - hier wurde eindeutig Potential verschenkt. Witzig immerhin die Darstellung der nahen Grenze zu Kanada, das sich mit riesigen Transparenten am Checkpoint als das "Land der Freiheit" bezeichnet, in das die meisten Amerikaner am liebsten abhauen würden. Aber dorthin darf man nur mit speziellen Papieren, und das beiderseits der Grenze (obwohl nicht näher erwähnt, spielt der Film vermutlich in Detroit) postierte schwer bewaffnete Militär läßt kaum jemanden hinein oder hinaus.
So prügelt, ballert und intrigiert sich das Trio also in vielen betont stylish gehaltenen (und dadurch aufgesetzt wirkenden) Szenen samt entsprechend flacher Dialoge durch die Landschaft, wobei jeder nebenbei noch sein eigenes Süppchen kocht. Immerhin sind die zahlreichen Action-Szenen einigermaßen gut choreografiert (hier merkt man dem Film ein angemessenes Budget an) genauso übrigens wie die vielen durchaus fetzigen Musiktitel, mit denen diverse Szenen textfrei unterlegt sind - was freilich nur zeitweilig über viele gravierende Logiklöcher hinwegzusehen hilft: Ein Sattelschlepper, der Panzersperren wegräumt wie Styroporblöcke und hinterher keine Schramme hat, der von beiden Seiten mit MG beschossen wird und nur ein paar wenige seitliche Einschußlöcher plus intakter Windschutzscheibe aufweist, ist genauso unglaubwürdig wie ein Shoot-out mit Machinenwaffen auf wenige Meter durch eine Holztüre ohne daß der "Held" getroffen wird. Von diversen Sprengungen in kleineren, abgeschlossenen Räumen, welche die Protagonisten ohne Blessuren überstehen einmal abgesehen, bleibt einem auch die Szene mit dem mit Diesel(!) begossenen Gangster in Erinnerung, der mittels einer in den Mund gesteckten angezündeten Zigarre flambiert werden soll - als Bricke später zu demselben Zweck selbst damit übergossen wird, sieht man - passend abgefilmt von oben - wie der ganze Wohnwagen brennt, nur der gefesselte Bricke auf seinem Stuhl nicht. Ach ja...
Mit sympathischeren Hauptdarstellern und einigen Kürzungen (der Film ist mindestens eine halbe Stunde zu lang) wäre The Last Days of American Crime zumindest unterhaltsame Action-Kost, so aber zieht sich der vorhersehbare Plot immer weiter in die Länge und verursacht (besonders bezüglich der Romanze zwischen Bricke und Shelby) streckenweise gähnende Langeweile. Aber was ist von einer Comic-Verfimung (die vorliegende ist immerhin deutlich interessanter als Vin Diesels 2020er Rohrkrepierer Bloodshot) eigentlich Großartiges zu erwarten? 4 Punkte.