Bis auf die kürzlich aktuellen Ausrufezeichen Declared Legally Dead und Beyond the Dream, die Juli 2020 trotz noch Einschränkung aufgrund der Covid19 Pandemie und kurz vor der erneuten Schließung der Kinos als einheimische HK-Produktion ungewohnt viele lokale Zuschauer in die Lichtspielhäuser zogen, war The Grand Grandmaster der einzige kommerzielle Hit. Ein Neujahrsfilm, der pünktlich Ende Januar und damit ebenso pünktlich zum ersten Peep der Infektionszahlen in China und Umgebung selber noch mit einigen Mitstreitern wie der Konkurrenz um All's Well End's Well 2020 oder Enter the Fat Dragon in die Kinos gelangte, und dort schon auf ein Klima nur nicht der allgeneinen Verunsicherung aufgrund der bald weltumspannenden Gesundheitskrise, sondern auch ein diffuses politisches Umfeld stieß. Autor, Regisseur und Hauptdarsteller Dayon Wong, der nur wenig zuvor mit dem Comeback Agent Mr. Chan (2018) ganz erstaunlichen Zuspruch seitens der Zuschauer und entsprechend finanziellen Erfolg erhielt, musste sich hierbei schon aufgrund der Anspannungen zwischen der Sonderverwaltungszone und dem Fest- und 'Mutter'land China gegenüber dem Publikum rechtfertigen und die Finanzierung dieses Projektes öffentlich erklären; sein Glück, dass er keine unterstützenden ('Schmier')Gelder angenommen und so einem Boykott von selbsterklärten Freiheitskämpfern entging, sein Pech, dass er das Budget aus eigener Tasche und mit der Aufnahme von Krediten stemmen musste und man unter den Erwartungen und v.a. auch unter dem Vorgänger blieb:
Der eigentlich angesehene und damit auch lukrativ verdienende Kung Fu Großmeister Ma Fei-Lung[ Dayo Wong ] hat ein Problem. Auf der Straße zufällig in einen Konflikt mit der jungen Boxerin Chan Tsang [ Annie Liu ] geraten, wurde er von dieser auch 'kämpferisch' geschlagen, vor vielen Zeugen und zudem noch medial aufgenommen und viral verbreitet. Ma, der damit zum Gespött der Leute wurde, hat auch deutlich Umsatzeinbußen und einen Rückgang auch der Schüler seiner Kampfschule zu vermelden, und ist natürlich in der Ehre gekränkt, wodurch er in einer Hauruckaktion die Frau zu einer öffentlich ausgetragenen Revanche herausfordert. Glück im Unglück könnte sein, dass Iron Chan [ Hui Siu-Hung ], der Vater von Chan Tsang sich anbietet bzw. geradezu aufdrängt, ihn zu trainieren, und dafür auch bei ihm einzieht, im Anhang Chan Tsang selber und ihre Freundin Aunt Rose [ Harriet Yeung ], wobei Ma sich bald in seine Konkurrentin verliebt.
Ironischer- oder auch sarkastischer Weise bricht gleich die erste richtige Szene mit dem Verhalten der Menschen vor Ort, wird in einer wuseligen Traube mitten in der Stadt geschlossen von falschen Voraussetzungen und quasi 'Fake News' ausgegangen und ein Geschehen für bare Münze genommen, dass nicht nur so nicht stattgefunden hat, sondern vollkommen im Gegenteil dessen abgelaufen ist. Ma, der beschuldigt wird, einen alten Mann zu Fall gebracht zu haben – der Mann war nicht nur vorher im Unrecht, sondern hat die Situation ausgenutzt und sich als Opfer hingestellt, um sich durchzusetzen – wird von der rasant eintreffenden Menge als 'Schläger' beurteilt und verurteilt; man ist schlicht von Vermutungen ausgegangen und hat sein Urteil ohne jede Handhabe und mit umso mehr Motiv gewählt.
Eine Szene nur im Film, die noch weitere Kreise zieht und eine Szene auch nur, die schon komplett anders aussieht als das, was man aus anderen aktuellen Programmen, allen voran die der (noch) weiterhin fleißig produzierenden Fernsehstudios um TVB vor allem kennt. Der Straßenzug ist anders, nahezu unwirklich, eigentlich bleiben nur die Masse der Umstehenden im Gedächtnis, die nicht nur Richter ist, sondern irgendwo auch Henker und mit ihren Smartphones etc. auch gleichzeitig Berichterstatter; alles in einem und jetzt und gleich und dann geht es schon weiter zur nächsten Aufmerksamkeit. "New TV. Explore. Expose. Explode." heißt es kurz später in einer Textzeile und als Slogan. Die Welt hat sich geändert. Die Welt hat sich gedreht.
Die Haupt- und Titelfigur hier hat auch keine andere Wahl der Einsicht, kommt diese doch nicht nur von jetzt auf gleich, sondern auch peu a peu und direkt hintereinander in rapiden Schritten; die bisherige Fassade platzt nicht einfach nur ab, sondern wird auf einmal weggerissen, wie der Schleier eines Traumes, der mit dem Aufwache und die nackte Realität entblößt. Filmemacher Wong (und sein Co-Autor Rico Chung) zeigen das gleichzeitig mit bitterer Gehässigkeit, aber auch dramatischer Bitterkeit und aufheiternden, da simplen Slapstick, oftmals in einer Überzeichnung, in der v.a. auch die ansonsten im Genre eigens eleganten Bewegungen hier entweder grobmotorisch sind, oder die Ausführenden der Bewegung eine gewisse deutliche Albernheit im Gesichtsausdruck haben oder körperlich auffallend (unattraktiv) oder sonst wie 'unpassend' für die Ausführung scheinen. Ein Missverhältnis im Gezeigten, was dadurch einen Effekt auslösen soll und zusätzlich mit Übertreibungen, Parodien und Hommagen sowie Niederen wie Penis- und Potenzgags oder 'ausgesprochenen' Gedanken verknüpft wird.
Mehr oder minder ist das Low Brow Humor, Mo Lai Tau, etwas, dass Stephen Chow ab Anfang der Neunziger für sich eingenommen hat und womit er zu einem der profitabelsten und einflussreichsten Darsteller und später auch Macher des HK-Kinos wurde und was hier durch Wong (der eine eigene Karriere als Standup-Komiker besitzt) noch einmal 'neu' oder doch eher wieder aufbereitet wird und zeitgenössisch arrangiert. Im Vorgänger Agent Mr. Chan wurde die Agenten- und Spionagefilme als Rahmen dafür genutzt, hier sind es (scheinbar) die Kung Fu Werke, etwas, dass in beiden Fällen heute so gut wie nicht mehr aus dem Filmland kommt und zur Tradition von Anno Tobak, aber ebenso zum Kontext für das Publikum und zur Einladung von (normalerweise) 90min weitgehend harmloser Unterhaltung gehört. Was sich später erst herausstellt bzw. im Laufe der fast zweistündigen Geschichte immer offenkundiger wird: Eigentlich ist das weniger eine Komödie als eine Dramödie, bis hin zur Tragödie, die nur lockerer als üblich erzählt wird; mit einem alten, weißen Mann als Hauptfigur, der kurz vor Ende nicht umsonst "Are you even a man? Are you not ashamed?" gefragt wird, da er meist, wenn überhaupt nur reagiert und dann selbst passiv mit Ausweichen und Ausflüchten reduziert. Entsprechend ist das Setting relativ klein hier gehalten, oft sind höchstens fünf Personen im Raum und das auch dieselben und in denselben, die isoliert wirkende Trainingsstube von Ma nämlich, wo auch die Wohneinheit mit dran ist und das gesamte Interieur im gedämpft braunen Holz und ebenso wie von früher und lange her, archaisch heimelig also dekoriert.