Normalerweise hab ich ja mit japanischem Monstertrash nix am Hut. Sicher, ab und zu habe ich im Sonntagnachmittagsprogramm in die diversen Godzilla- und Mothrastreifen reingezappt und bin auch regelmäßig amüsiert hängengeblieben. Sie wollen den Grund für den Mißerfolg von Emmerichs Godzilla wissen? Hier wurde versucht, den Hollywood-Perfektionismus auf eine absichtlich fehlerhafte Trashidee anzuwenden. Die japanischen Produktionen arbeiten hingegen bis heute mit deutlich sichtbaren Modellbauten und / oder Monsterkostümen. Und genau so muss das sein.
Trotzdem - ich war noch nie der große Godzilla-Fan und bin auch nicht sonderlich traurig über das angekündigte Ende der Serie, mal ganz zu schweigen von anderen mutierten Echsen. Zur DVD von "Gamera" bin ich daher gekommen wie die Jungfrau zum Kind (mir fehlte noch ein gewisser Betrag für eine portofreie Lieferung. Da die Gamera-Doppel-DVD nur 2,99€ kostete und ich damit über die magische Grenze kam, konnte ich das Porto sparen; lieber 2,99€ für einen Blindkauf als 4,99€ fürs Porto.) Und was soll ich sagen, ich war doch recht positiv überrascht.
Zunächst noch kurz zum Hintergrund der Serie. Was mir vollkommen neu war, ist die Tatsache, dass Gamera, die mutierte Schildkröte, wie der große Bruder Godzilla in den 60ern geboren wurde und nur wenig jünger ist. Angeblich war das gepanzerte Vieh in den 60ern überaus beliebt und nahm hinter Godzilla den zweiten Platz ein. In den 80ern wurde es dann etwas ruhiger um die Monsterserie, die vor allem für jüngere Zuschauer gedacht war. Denn Gamera ist ein Wächter und Beschützer der Kinder, also so etwas wie ein überdimensionales Kuscheltier.
Mit dem vorliegenden Film schaffte die freundliche Superschildkröte dann Mitte der Neunziger ein gelungenes Comeback, und zwar als Publikumserfolg des Fantasy Filmfestes.
Worum geht es? Die Bevölkerung wird von urzeitlichen Flugsauriern angegriffen. Zeitgleich trifft ein Küstenschiff auf eine seltsame Steininsel. Diese Insel entpuppt sich als der Panzer von Gamera, Wächter des Universums. Gamera erwacht aus seinem Tiefschlaf und betritt das Land, um jene Flugsaurier zu jagen. In seinen Schutzbemühungen geht Gamera allerdings so stürmisch vor, dass er vom Militär als feindselig eingeschätzt wird. Nur ein paar Individuen erkennen Gameras wahre Absicht. Dann entbrennt mitten in der Stadt ein destruktiver Kampf zwischen den Drachen und der Schildkröte bis hinein ins Weltall...
Der Film beginnt ungewöhnlich modern mit Einstellungen, wie man sie aus klassischen US-Katastrophenfilmen wie "Deep Impact" oder "The Day After Tomorrow" kennt. Ständig wechselt der Ort des Geschehens zwischen dem Schiff, das die "Insel" entdeckte, den zukünftigen Protagonisten und wahllos ausgewählten öffentlichen Örtlichkeiten wie etwa einer Marktstraße oder einem Kaufladen. So wird die Ruhe vor dem Sturm, die Phase vor dem Erwachen effektiv dargestellt.
Dann stellen sich die ersten Angriffe der Saurier ein. Diese werden natürlich betont billig präsentiert, was aber ja wie gesagt zum notwendigen Inventar eines Monstertrashfilms gehört. Es gibt keinerlei biologische Korrektheiten oder darwinistisch nachvollziehbare Züge zu beobachten. Die Viecher sehen stattdessen aus wie surreale Monster; so, wie sich ein Kind etwa einen Pteranodon vorstellen würde.
Gleiches gilt für Gamera. In seinem Design sicherlich wesentlich vorbestimmt, ist unser freundliches Schildkrötenmonster eine recht simpel gestrickte Kreatur ohne sonderliche Feinheiten. Charakteristisch sind die beiden warzenschweinartigen Stoßzähne, die ansonsten nur von kleinen spitzen Zähnen umringt werden. Der Körper ist plump und unbeweglich, für eine coole Animation also denkbar ungeeigneter als für den hier intendierten trashigen Zweck.
Die Macher von Gamera küren sich damit, dass ihre Figur mehr Fähigkeiten hat als der Monsterking Godzilla. Gamera kann Feuer speien, schwimmen, schlagen, beißen und sogar fliegen. So wird uns irgendwann sogar ein lustiger Kurztrip ins Weltall gewährt. Ob viele Fähigkeiten nun für vermehrte Qualität stehen, will ich mal bezweifeln. Deshalb wird Godzilla wohl immer seinen Platz an der Sonne behaupten können, obwohl natürlich eine von zwei Düsen am Hinterteil angetriebene fliegende Schildkröte den Kult-Trash-Faktor immens in die Höhe treibt.
Die Story ist extrem konfus. Die Details bekomme ich unmöglich wieder zusammen, aber unsere Protagonisten trafen auf eine Steintafel mit irgendeiner Sprache, was wohl auf Übernatürliches schließen lässt. Das alles hängt aber auch mit der Vergangenheit zusammen. Schließlich wird auch wieder die übliche Gesellschaftskritik mit Fokus auf die Umweltdebatte ziemlich offensichtlich vorgetragen. So wird das Verhalten der vorhergehenden Generationen für die Monsterangriffe verantwortlich gemacht, und irgendjemand bemerkt dann schlauerweise, dass die Menschheit auch heute noch genauso agiert und damit genauso schuld ist wie die Vorväter.
Schön gewählt sind die Locations. Wir bekommen zum Beispiel einen nett choreografierten Angriff auf einer roten Brücke vor einer grünen Wiesenlandschaft mit Wäldern zu sehen. Natürlich fehlt am Ende auch der obligatorische Kampf mitten in der Stadt nicht.
Die Schauspieler machen ihre Sache recht gut. Andererseits: wer achtet in diesem Genre eigentlich auf das Acting?
Mir als Außenseiter hat das Comeback der Schildkröte ziemlich gut gefallen. Kamera, Location, Schnitt, Monster und Schauspieler kommen gut rüber. Ich hätte mir vielleicht noch etwas mehr Action gewünscht. Außerdem hat Godzilla bei allen Bemühungen der Kröte meiner Meinung nach immer noch mehr Charme. Der Monster-Experte mag zu vollkommen anderen Schlußfolgerungen kommen; als Outsider scheinen mir 6/10 angemessen.