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Ende der 60er waren es vor allem zwei Filme, die das Gesicht des Western veränderten: Sergio Leones grandioses Epos „Spiel mir das Lied vom Tod“ und Sam Peckinpahs Abgesang „The Wild Bunch“. Doch auch „Das Wiegenlied vom Totschlag“ rechnete mit Mythen ab.
Ralph Nelsons Film beginnt mit einem klassischen Indianerüberfall, der doch etwas anders ist als man es gewohnt ist: Der Mythos des blutrünstigen Indianers, der starr tötet und keine Motive hat, kommt bereits beim Diebstahl der Kasse eines Zahlmeisters ins Wanken. Gleichzeitig wird die Armeekolonne aufgrund ihrer eigenen Einfältigkeit niedergemetzelt, während sich die weiße, zu Beschützende Kathy Maribel Lee (Candice Bergen) behaupten kann, da sie Jahre unter den Cheyenne lebte.
Auch der junge Soldat Honus Gant (Peter Strauss) überlebt die Attacke, allerdings mehr aus Glück denn aus eigener Kraft. Gemeinsam mit Kathy will er zum nächsten Fort gelangen, wobei die Lebensansichten der pragmatischen Frau und des Naivling aufeinanderprallen…

„Das Wiegenlied vom Totschlag“ ist vor allem ob seiner Gewaltszenen bekannt und bereits der erste Überfall ist erstaunlich blutig. Vor allem ist aber das finale, auf historischen Tatsachen beruhende Massaker an einem Cheyenne-Stamm, das Nelson in drastischer Form zeigt, ohne zu voyeuristisch zu werden. Szenen mit aufgespießten Kindern, erschossenen Frauen und abgeschnittenen Körperteilen werden entweder in kurzen, aber unangenehmen Szenen gezeigt oder ins Off verlagert – in beiden Darstellungsformen verfehlen sie ihre Wirkung nicht und zeigen deutlich, wie die Weißen sich als die wahren Wilden entpuppen (vor allem in ihrem Siegesgeheul, das stark an Stammesrituale erinnert).
Dazwischen schlägt „Das Wiegenlied“ jedoch einen ganz anderen Ton und erzählt von der Reise des ungleichen Paares, das bald seine ganz eigene Form von Zuneigung entwickelt. Freilich ist dieser Part stellenweise etwas schleppend, gerade das Herumreiten auf Honus’ Prinzipienreiterei ist etwas übertrieben, da man recht schnell versteht was der Film über seine männliche Hauptfigur aussagen will. Trotzdem ist die Wanderei durch die Wildnis nicht unbedingt langweilig, nur stellenweise zu sehr als moralisches Lehrstück angelegt, denn als solches versteht sich „Das Wiegenlied vom Totschlag“ auf jeden Fall – bereits die einleitende Texttafel macht noch mal ganz klar, was hier Ambition ist.

Und gerade daher ist „Das Wiegenlied vom Totschlag“ nicht so gelungen, wie er sein könnte: Oft wirkt er ein wenig zu aufdringlich und zu plakativ in seiner Message; am überzeugendsten ist er meist dann, wenn er bloß die Bilder sprechen lässt (vor allem bei dem bereits erwähnten Massaker am Ende). Dabei ist Aussage an sich lobenswert und es lassen sich gewisse Ambivalenzen ausmachen: Die Indianer entsprechen weder allesamt dem Bild des edlen Wilden (z.B. schießen sie den Zahlmeister trotz weißer Flagge nieder oder fordern Honus während der Wanderschaft zum Kampf auf Leben und Tod) noch entsprechend sie dem klassischen Bild des mordlustigen Schurken (gerade das ausgelöschte Indianerdorf bietet da ein ganz anderes Bild). Die Darstellung der weißen Soldaten ist da etwas einseitiger, doch auch hier gibt es verschiedene Ebene: Honus mag als einziger geläutert werden, doch das Massaker entpuppt sich in erster Linie als Kopfgeburt des kommandierenden Offiziers, eines alten Kriegstreibers, während einige Unteroffiziere Bedenken anmelden (was vom Bild der Soldaten im Blutrausch allerdings wieder etwas negiert wird).
Auch nicht ganz tadellos sind die Darstellerleistungen. Gerade Candice Bergen und Peter Strauss verkörpern ihre Rolle gelegentlich etwas naiv, etwas zu simpel und können den Film daher nicht immer tragen. Dagegen leisten die Nebendarsteller durchweg solide Arbeit, müssen aber meist eindimensionalere Rollen verkörpern.

Trotz seiner Schwächen ist „Das Wiegenlied vom Totschlag“ trotzdem ein sehenswertes Lehrstück über menschliche Grausamkeit. Mit etwas weniger Plakativität und einem etwas strafferen Mittelteil hätte sogar ein Meisterwerk draus werden können.

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