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Geht man davon aus, dass Heinz Rühmann als Hauptdarsteller und Autor Heinrich Spörl, die entscheidenden Garanten für den Erfolg der "Feuerzangenbowle" (1944) waren, hätte der drei Jahre zuvor gedrehte Film "Der Gasmann" ein ähnlicher, weit über seine Entstehungszeit hinaus, erfolgreicher Film werden können. Dass er es nicht wurde und im Gesamtwerk Rühmanns eher eine untergeordnete Rolle spielt, macht eine genauere Betrachtung des Films "Der Gasmann" so interessant.

Der größte Unterschied zu Heinrich Spörls erstem Roman „Die Feuerzangenbowle“ von 1933 zeigt sich in der Entstehungsgeschichte zu „Der Gasmann“, denn Spörl schrieb ihn Ende der 30er Jahre in Berlin in Folge der erfolgreichen Verfilmungen von „Die Feuerzangenbowle" (in der ersten Fassung von 1934 unter dem Titel "So ein Flegel" heraus gebracht), "Wenn wir alle Engel wären" (1936) und "Der Maulkorb" (1938). Im Gegensatz zu seinen früheren Romanen, die der gebürtige Düsseldorfer in seiner rheinländischen Heimat ansiedelte, spielte "Der Gasmann" konsequenterweise in der deutschen Hauptstadt, lässt darüber hinaus aber neue Ideen vermissen. Die Geschichte ist eine leicht veränderte Variante von "Wenn wir alle Engel wären“, ohne dessen hintergründige, selbstkritische Komplexität. Statt von einem nachvollziehbaren, die damaligen moralischen Standards provozierenden Seitensprung zu erzählen, muss in „Der Gasmann“ eine übertrieben konstruierte Situation als Auslöser für die weiteren Ereignisse herhalten.

Der Beamte der Berliner Gaswerke Knittel (Heinz Rühmann) kehrt nach einer kurzen Dienstreise mit dem Zug nach Berlin zurück, als ein sichtlich erregter Mann in einem Pyjama (Walter Steinbeck), ihn dazu bewegen will, ihm seinen Anzug zu verkaufen. Desto mehr sich der Zug dem Anhalter-Bahnhof nähert, umso höher steigt der Preis, bis Knittel sich selbst im Pyjama wieder findet mit einem Scheck über 10.000 Reichsmark in der Hand. Angesichts der Preisverhandlungen, die sich zuerst noch unter 1.000 Reichsmark bewegten, überrascht die hohe Summe, denn auch ein deutlich niedrigerer Tausenderbetrag hätte seinen Zweck erfüllt, bedenkt man Knittels Monatsgehalt von etwa 270 Reichsmark. Diese Summe hatte nicht nur etwas Sensationelles an sich, weshalb Knittel zuerst an einen schlechten Scherz glaubte, sondern sollte dem Protagonisten vor allem die Sympathien erhalten. Denn wer würde bei 10.000 Reichsmark nicht weich werden? – Anders als in „Die Feuerzangenbowle", in der Jeder eigene Erfahrungen wieder finden kann, fehlt diesem Beginn der Realitätsbezug.

Obwohl Spörl das Drehbuch nach seiner Buchvorlage selbst schrieb, lässt er die im Roman entlarvende Betrachtung der charakterlichen Veränderungen, angesichts der großen Versuchung, im Film vermissen. Die Filmcrew unter der Leitung von Carl Frölich, dem Göbbels damals direkt unterstellten Präsidenten der Reichsfilmkammer, wagte diese harmlose Komplexität offensichtlich nicht mehr, als die Kinofilme ausschließlich beschwerdefrei unterhalten sollten. Rühmann bleibt als Knittel auch in Momenten "größter Verfehlungen" brav und bieder. Zuerst wirken seine Eskapaden, heimlich auszugehen und sich eine Geliebte (Erika Helmke) zuzulegen, der er zudem einen Parfümladen finanziert - dabei seiner Frau Erika (Anny Ondra) vorschwindelnd, mit einem Nebenjob Geld zu verdienen - noch gewagt. Aber der einfache Angestellte scheint nie Spaß daran zu finden, sondern wird von seiner Geliebten nach Strich und Faden ausgenommen, ohne auf seine (leiblichen) Kosten zu kommen, eine gänzlich unglaubwürdige Konstellation. Heinz Rühmann sollte in seiner Rolle ein geistiger Täter bleiben, der der Versuchung nicht wirklich erliegt - eine noch verzeihliche Sünde. Wie verlogen diese Konzeption war, wird an seinem Schwager deutlich, der ihn überwachen sollte. Nachdem Knittel ihn mit "geliehenen" 50 Reichsmark bestochen hatte, hat dieser kein Problem damit, sofort mit einem „netten Fräulein“ zu verschwinden - er durfte sich menschlich fehlbar verhalten.

Knittel erkennt dagegen schnell die Oberflächlichkeit seines Handelns und kehrt reumütig in den Schoß der Familie zurück. Spörls Buchvorlage ist in dieser Hinsicht wesentlich komplexer, lässt keinen Zweifel daran, dass Knittel den Versuchungen tatsächlich erlegen war, und erschwert damit dessen Rückkehr ins traute Heim. Von schlechtem Gewissen geplagt überträgt er seiner Frau den üppigen Rest der großen Geldsumme, die darüber sofort eigenmächtig verfügt und ihm ähnlich den materiellen Versuchungen erliegt. Während der Roman ein Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern beibehält, kommt Erika Knittel im Film deutlich schlechter weg. Ihre Kaufsucht wirkt angesichts des schnell zur Vernunft gekommenen Ehemanns, der sich angeblich nichts vorzuwerfen hat, maßlos - und ist schließlich schuld daran, dass Knittel zu Unrecht vor Gericht landet.

Man könnte die oberflächliche Komödie vom kleinen Beamten, der einmal groß rauskommen möchte, schnell vergessen, besäße die Inszenierung für ihre Entstehungszeit nicht außergewöhnliche Details. Der Film verstieß gegen das damalige Gebot Goebbels, Realitätsbezüge zu vermeiden, um die Bevölkerung vom Alltag abzulenken. Zwar wird der Krieg nicht explizit erwähnt, aber die Nachrichten, die Knittel im "Angriff am Abend" liest, sind von aktuellem Zeitbezug und betreffen Roosevelts Haltung zum Kriegseintritt der USA (natürlich aus Sicht der NSDAP interpretiert). Dazu gibt es erstaunlich realistische Einblicke, die auch die Geldknappheit der Bevölkerung nicht aussparen. Besonders der Weg zu den Behörden, den Knittel mehrfach beschreitet, wirkt Furcht erregend und verdeutlicht schon in einer frühen Szene, als er die Sache mit dem Scheck noch anzeigen will, wie auch lautere Absichten argumentativ ins Gegenteil gewandelt wurden. Später als die Polizei früh am Morgen bei Knittel klingelt und ihm dabei ihre Marke zeigt, sieht er gar nicht hin, wohl wissend, dass Niemand sonst um diese Zeit vor der Tür steht.

Nicht nur Deutschland wirkt in "Der Gasmann" wenig freundlich, auch die Filmkomödie beweist nur in wenigen Momenten Humor. Interessanterweise gilt der Film in vielen Publikationen als "Propagandafilm", ist es aber nicht im üblichen Sinne einer kritiklosen Verherrlichung. Offensichtlich galt es, der eigenen Bevölkerung die Grenzen auszuzeigen. Obwohl Knittel nur dezent vom Pfad der Tugend abwich, gerät er durch sein Verhalten in große Gefahr, der er nur durch einen glücklichen Zufall am Ende entkommt. Das die Polizeimethoden und das Gerichtsverfahren - angesichts der Tatsache, dass man Knittel immerhin des Landesverrats verdächtigt - verharmlosend dargestellt werden, ist der äußerlichen Komödienform geschuldet, wird damals aber nicht missverstanden worden sein. Im Gegensatz zur Buchvorlage, die das behördliche Tun auch etwas spöttisch betrachtete und damit in das heiter menschliche Geschehen mit einbezog, sind im Film alle offiziellen Vertreter des Staates von unbeirrbarem Ernst und nur da sich Knittel als unschuldig erweist, bleibt er ungeschoren. Rühmann, der in seiner Rolle den „Hitlergruß“ zeigte – das einzige Mal in einem seiner Filme – wird so zum Vorbild des kleinen Mannes, der weiß, das Anstand und Ruhe erste Bürgerpflicht ist. Eine Umkehrung der Intention Heinrich Spörls, der in seinen Romanen immer Verständnis für die allzumenschlichen Verfehlungen zeigte.

Aus heutiger Sicht ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Oberflächlich betrachtet erzählt der Film eine harmlos wirkende Geschichte mit einem typisch agierenden Rühmann als "kleinem Mann" auf Abwegen. Die realistische Sichtweise auf Behördenwillkür wirkt zudem fast gewagt. Bedenkt man aber, wie fortgeschritten 1941 schon die Judenverfolgung (Knittel verirrt sich in ein Büro mit der Aufschrift "Arier-Nachweis"), die Jagd auf Andersdenkende und der Krieg waren, dann zeigt sich hinter der Komödienfassade ein erschreckendes Bild von Deutschland (3/10).

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