Les Dèmons (1972)
Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne (1977)
von Jess Franco
Jess Franco hatte sich mehr als einmal vom Erfolg anderer Filme inspirieren lassen um seine eignenen Versionen zu kreieren... Das war der Fall bei Franjus "Yeux sans visage" (1960), Reeves "Witchfinder General" (1968), den Kannibalenklassikern Umberto Lenzis und Ruggero Deodatos und noch bei einigen Filmen mehr, die er für seine (eher niederen) Zwecke plünderte. So verwundert es nicht dass er auch früh auf die Welle der Nunploitationfilme aufgesprungen ist, deren publikumswirksames Potential er früh erahnte.
Rivettes "Suzanne Simonin, la religieuse" (1966) nahm - natürlich keinesfalls exploitativ, dafür jedoch subtil und mit viel Fingerspitzengefühl - die Unterdrückung der Individualität durch die festgelegten, repressiven Regeln des Klosterlebens vorweg während er sie gleichzeitig von Diderot übernahm. 4 Jahre darauf inszenierte Eriprando Visconti (der Neffe Luchino Viscontis) seinen Nonnenklassiker im Gewande eines historischen Melodramas und 1971 nahm sich der britische Regieexzentriker Ken Russell der Thematik an als er "The Devils" auf das Publikum losließ. Die wilde Mixtur aus Blasphemie, Folter und Sex ging auf und neben einem kleinen Skandal gab er auch die Vorlage für die wahren Nunploitation-Filme ab.
Die meisten Vertreter, von denen "Flavia, la Monaca Musulmana" (1974) der gelungenste ist, übernahmen sowohl die den Katholizismus anklagende Darstellung unterdrückender Machtstrukturen - die den Vorteil liefert, einerseits den Sexualakt oder auch bloß erotische Untertöne in ein beständiges Spannungsverhältnis zur idealisierten Keuschheit zu setzen, und andererseits konsequent zur grausamen Bestrafung überzugehen, die wie im gleichzeitig aufkommenden Hexenjäger-Subgenre heimliche Höhepunkte bildete - als auch das Moment uneingestandener sexueller Begierden.
Franco schuf mit "Les Dèmons" einen sehr frühen Nunploitation-Beitrag, der sich ebenso wie der - eher an seine deSade-Umsetzungen gemahnende - "Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" dem eigentlichen Muster dieser Subgenre-Welle entzog ("Les Dèmons" hält sich eher an die Struktur seines "Il Trono di fuoco" (1969), also der Hexenjägerfilme).
"Les Dèmons" ist aber dem deSadeschen Juliett/Justine-Stoff in gewisser Weise ebenfalls verhaftet: Von zwei als Nonnen lebenden Schwestern wird genau diejenige der Hexerei beschuldigt, die völlig unschuldig ist, während die andere Schwester tatsächlich die Hexerei beherrscht; Letztlich muss aber doch die tatsächliche Hexe brennen (und damit weicht Franco dann bereits von deSade ab) und zudem wird hier keine strikte Trennung zwischen den Schwestern vorgenommen, was die Bewertung der Charaktere mit den Begriffen gut und böse betrifft - und damit weicht Franco nicht nur erneut von deSade ab, der mit Justine und Juliette moralische Gegenstücke entworfen hatte, sondern auch von der sich später etablierenden Form des Nunploitationfilms.
Die vorgeschobene Verurteilung der peinlichen Befragung (die es Franco sowieso nur erlaubt, ein wenig nackte Haut zu zeigen - was sich ansonsten in dem Film noch in ansehnlichen Lesben-Szenen ereignen wird) und der Hexenverbrennung erweist sich durch die tatsächliche Existenz von Hexen im Film als völlig unpassend und es wird eher eine Rechtfertigung für die Inquisition geliefert. Andererseits liefert der Film auch genügend Hinweise darauf, dass der Satan womöglich gar nicht schlechter als Gott sein muss (die Existenz von beiden ist hier Vorrausetzung - was die teilweise anklingende Kritik an der Kirche ein wenig verwässert) und von der Hexerei weit weniger Bedrohung ausgeht als es bei der (dann auch bisweilen noch die Falschen erwischenden) Inquisition der Fall ist. Es ist wahrscheinlich, dass Franco sowieso nicht an der (völlig uneindeutigen) Aussage des Film interessiert war, als er den Roman von David Khunne (eines seiner vielen Pseudonyme) umsetzte (für dessen Existenz ich meine Hand nicht ins Feuer legen würde), dummerweise weist aber das fertige Produkt widersprüchliche Aussagen auf, was als Makel ins Auge fällt. Einzig und allein die Gestalt des Inquisitors Jeffrey selbst wird ausgiebig verurteilt und verteufelt, hier ist die Anklage von Machtmissbrauch noch am reinsten.
Gänzlich eindeutig nähert er sich allerdings dem erotischen Aspekt des Films an: vielfach präsentiert Franco dem Zuschauer sich räkelnde, stöhnende und liebende Frauen, alleine oder in Gesellschaft, nackt bis halbnackt, in Betten oder in Ketten. Man merkt dem Film durchaus an, dass Franco viel auf die durchaus hübschen Leiber seiner Darstellerinnen gesetzt hat, bedenkt man die Fülle dieser Einstellungen, die zudem reichlich gedehnt werden. Aber auf visueller Ebene braucht sich der Rest des Films nicht unbedingt hinter diesen Szenen zu verstecken. Hier ist durchaus noch Francos Gespür für hübsche Kulissen und schöne Landschaftsaufnahmen zu bemerken, die Handlungsorte sind zahlreich, die Ausstattung ist für die Verhältnisse noch recht opulent. Hinzu gesellen sich noch eine teils sehr warme Beleuchtung, vielfach Weitwinkelaufnahmen in den Innenräumen, Francos Hang, die Einstellungen häufig ganz deutlich in Vorder-, Mittel- und Hintergrund aufzuteilen, indem er vor dem eigentlichen Geschehen Balken, Gitter etc. ins Bild ragen lässt, und extrem schnelle Zooms, die immerhin ansatzweise erfolgreich für Action in den Flucht- und Kampfsequenzen sorgen.
"Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" schlägt etwas andere Seiten an und die Parallelen zu deSade sind überdeutlich: Franco hält hier lüstern den Leidensweg einer unfreiwilligen, jungen und jungfräulichen Nonne fest, die sich in ihrer vermeintlich religiösen Umgebung andauernden sexuellen Ausbeutungen ausgesetzt sieht: Die 16jährige Marie wird von ihrer armen Mutter dem zwielichtigen Pater Vinzenz ausgeliefert der sie mit sich in ein Kloster nimmt, deren Oberin dem Satanismus verfallen ist - und wie in "Les Dèmons" wird auch hier der Teufel in Persona (hier verkörpert durch einen sichtlich glücklichen Herbert Fux) auftauchen und sich an Nonnen vergreifen. Franco setzt hier ungewohnt stilsicher sexuellen Missbrauch und Folter in Szene (nach ihrer Flucht wird Marie nämlich der Inquisition ausgeliefert und erst in letzter Sekunde begnadigt) und schreckt dabei nicht mal davor zurück, in einer wenige Frames dauernden Sequenz einen (gestellten) Samenerguss in das Gesicht der 16jährigen Hauptperson festzuhalten; Produzent war Erwin C. Dietrich, das erklärt auch nochmal einiges...
Doch auch wenn Franco hier einen anderen Ansatz wählt als zuvor und die grausige Odyssee eines Mädchens festhält, verheddert er sich auch hier wieder in einer letztlich nicht aufgehenden, wenngleich angestrebten Kirchenkritik. Schließlich ist die Inquisition nicht identisch mit dem in Wahrheit gotteslästerlichen Satanismus-Kloster und stellt hier eine vor Irrtümern nicht gefeite Institution dar, die tatsächlich eine höhere Gerechtigkeit vertritt. Allerdings gibt es soviele blasphemische, antiklerikale Einstellungen zu bewundern, die völlig hemmungslos einen krassen Tabubruch ansteuern, dass es nicht verwundert, dass die katholische Kirche Jess Franco neben Luis Bunuel zum für sie gefährlichsten Regisseur erklärte.
"Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" ruft auf formaler Seite ansatzweise den Abstieg ins Gedächtnis, der zwischen seinen Kostümfilmen (Ende der 60er und Anfang der 70er) und der anschließenden Schweizer Phase lag: neben "Jack the Ripper - Der Dirnenmörder von London" (1976) sicherlich einer der wenigen ziemlich solide erarbeiteten Filme aus dieser Phase, zeigt sich im Vergleich zu früheren Werken doch, dass die Handlungsorte hier etwas spärlich gewechselt werden, dass Außenaufnahmen und vor allem Massenszenen hier seltener zu sichten sind. Die gehäufte Verwendung von Nahaufnahmen bei Gesprächen und den Folter- und Erotikszenen sorgt zusätzlich dafür, dass die Bildebene weniger opulent ausfällt. Bisweilen mag Franco da an Bresson oder Dreyers "Passion de Jeanne D'Arc" (1929) gedacht haben, erreicht die zurückhaltende Poesie dieser Werke aber kaum, dafür sind die Sex- und Gewaltbilder dann zu reißerisch geraten und die Dialoge zu klischiert - von der mangelnden Konsequenz, mit der Franco dieses ästhetische Konzept verfolgt, mal ganz abgesehen. Über sehr wenige eingestreute extreme Aufnahmewinkel und Licht- und Schattenspiele soll die Fülle der kaum noch abwechselungsreichen Innenaufnahmen und die Seltenheit von Totalen kaschiert werden, insofern Franco auf diesem Wege trotzdem noch für etwas Abwechselung auf der Bildebene sorgt.
Insgesamt ist aber auch "Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" formal noch ganz anständig geraten und den meisten von Francos schweizer Filmen deutlich überlegen.
Beide Filme nutzen zwar exploitativ die Nonnenthematik aus, grenzen sich aber von der (erst ab "Les Dèmons" so richtig aufkommenden) Nunploitationwelle dadurch ab, dass die ebenfalls vorgeschobene Anklage kirchlicher Fehltritte und Unterdrückungsmechanismen zwar ebenso platt und vorgeschoben aber letztlich eben nicht einmal in sich schlüssig ist. Im Grunde kranken beide Filme daran, dass sie sich antiklerikal geben, gleichzeitig aber alle möglichen christlichen Vorstellungen zum Bösen übernehmen. Damit funktionieren die Filme weniger als Kirchen- oder gar Religionskritik (das noch viel weniger), sondern eher als Verurteilung von Machtmissbrauch, welcher inhaltlich nur noch rein zufällig im Kirchenmilieu angesiedelt ist und produktionsgeschichtlich aus dem sich abzeichnenden Erfolg solcher Nunploitation-Stoffe entstanden ist.
Gute 6/10 für "Les Dèmons", schwächere 6/10 für "Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne".