Review

Eins vorweg, dieses Review beinhaltet SPOILER!

„Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ ist ein weiterer Film aus der Zeit des Dreamteams Franco & Dietrich. In dieser Phase konnte Franco mit einem Budget arbeiten, das er weder davor noch danach jemals wieder haben sollte. Genau das sieht man diesem Werk auch an. Es ist prachtvoll ausgestattet, beinhaltet tolle Kulissen und gute Schauspieler.
Der Inhalt sollte eigentlich bekannt sein, deshalb nur ein kurzer Abriss:
Junges Mädchen namens Marie wird von einem Pastor in ein Nonnenkloster geschickt, um dort misshandelt und gequält zu werden.
Klingt nach üblichen Sleaze, was prinzipiell auch stimmt, allerdings hatte Franco einige geniale Einfälle. Zum einen ist diesmal seine Kameraarbeit wesentlich interessanter, es gibt viele schöne Einstellungen, die den Film etwas unkonventioneller erscheinen lassen. Auch seine Symbolik ist beinahe kunstvoll. So zoomt die Kamera bspw. auf ein Klosterfenster während die kleine Marie den Pastor oral befriedigen muss, um dort die auf einen Felsen klatschenden Wellen zu zeigen. Sicher, der Effekt ist heute nicht mehr so beeindruckend und wurde in Filmen wie „Die nackte Kanone“ sehr häufig verwendet, dennoch eine schöne und irgendwie diskrete Art, die Szene zu beenden.
Selbst übertroffen hat Franco aber bei der „Teufelsmesse“. Die Musik, die unterschiedlichen Einstellungen, einfach perfekt. Die Orgie wirkt sowohl erotisch, abstoßend als auch erschreckend. Die Szene besteht aus verschiedenen in unregelmäßiger Reihenfolge zusammengeschnittenen Bildern: Die Vergewaltigung Maries durch den Teufel, die Angst einiger Nonnen und die Lust anderer, die sich dem Treiben hemmungslos hingeben. Durch diese zusammengeschnittenen Impressionen der Messe durchlebt der Zuschauer verschiedenste Emotionen in kürzester Zeit, was dazu führt, dass man am Ende einfach gefühlsmäßig verwirrt ist. Man muss die Sequenz einmal gesehen haben, um das nachempfinden zu können.
Neben der technischen Komponente hat der Film allerdings auch storytechnisch einiges zu bieten:
Die Nonnen im Kloster werden als Teufelsanbeterinnen entlarvt und der Pastor als metaphorischer Teufel persönlich, der die Frauen in die Schande zwingt.
Das bedeutet, dass hier die Kirche abgesehen von der Hexenverfolgung nicht als böse dargestellt wird, da ja die Orgien im Kloster auf dem christlichen Glauben Abgeschworener zurückzuführen sind. Ein großer Unterschied zu den anderen Nunploitation-Filmen.
Weitläufig wird behauptet, der Titel sei irreführend, da Marie gar keine Liebesbriefe schreibt. Dies ist nur bedingt richtig. In dem gesamten Film werden nur zwei Briefe geschrieben, einer an Maries Mutter und einmal an Gott. Letzteren würde ich aber als Liebesbrief ansehen, weil Marie stets ihren Glauben behalten hat und sich nicht von der Obrichkeit im Kloster hat verleiten lassen, der Sünde nachzugehen.
Mit den Worten „Dies ist die Geschichte eines Mädchens, das einen Brief an Gott schrieb… Gott hat geantwortet“ beginnt der Film. Damit hat man im Prinzip das Ende auch schon vorweg genommen, da Marie auf dem Scheiterhaufen gerettet wird.
„Liebesbriefe“ ist ein sehr schöner, mitreißender Film, der überraschend wenig Exploitation bietet, dafür einige ziemlich intensive Sequenzen und gute Schauspieler. Herbert Fux als Teufel muss man einfach gesehen haben.
An Filmen wie diesem kann man deutliche sehen, dass Franco keineswegs der unfähige und trashige Regisseur ist, als der er immer dargestellt wird. Im Gegenteil, er hat mit „Liebesbriefe“ ein spannendes Drama abgeliefert, das auch nicht-francophilen Zuschauern gefallen dürfte, obwohl er auch hier seine eigene Note hinterlassen hat. Vielleicht ist es aber gerade diese Note, die den Film positiv aus dem Genre der Nunploitation und Franco aus dem Einheitsbrei der Regisseure heraushebt.

9/10

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