Der Mondofilm (Mondo = Welt, Schöpfung, Erde, Universum), ist eine recht umstrittene Kreuzung von Dokumentation und sogenannter Exploitation, wobei sich das Wort auf das englische to exploit (ausbeuten, nutzen machen von) bezieht. Mondo Cane ( logisch übersetzt wohl "Das Leben ist ein Hund") oder im Alternativtitel "A Dog's Life", gilt, noch vor Erscheinen eines ähnlich umstrittenen filmhistorischen Wandels (Blood Feast, der das Splattergenre begründete), zu dem Erstlingswerk einer genauso ausgeschlachteten oder eben ausgebeuteten Reihe von Filmen, die in ihrer Inszenierung in erster Linie schockieren wollten.
Mondo Cane, in seinem Ursprung der Urvater von Filmen wie Gesichter des Todes oder Faces of death, ist aber in erster Linie keine Unterhaltung beziehungsweise eine pseudodokumentarische Aneinanderreihung von selbstzweckhaften Fakeszenen, sondern ein reiner Dokumentarfilm, bei dem man sich sicher sein kann, dass er wahr ist. Ob das heute aus heutiger Sicht noch genauso schockierend sein mag, wie damals vor knapp 50 Jahren, als man den Menschen dieses filmische Gut vorführte und die von fremden Kulturen in Afrika, Asien und andere exotische Ländern noch nichts wussten, ist fraglich, denn durch die fortschreitende Anhebung filmtechnischer Brutalität und der Hang zu immer härteren und ekelerregenden Stilmitteln in Filmen ist nicht nur unser Schamgefühl und unser Ekel gesunken, sondern vielmehr die komplette Menschheit in ihrem Denken und Empfinden abgestumpft und verroht. Und das ist eigentlich die traurigste Erkenntnis, vorallem weil der Film mit seiner ganzen Darstellung vor den Kopf stoßen möchte.
Dabei reiste das italenische Team rund um den Globus, von Amerika, Europa, hauptsächlich Asien und Dschungelgebiete mit primitiven Stammesvölkern und dabei filmten sie allzu menschliche aber insofern auch unmenschliche Eigenarten, Kulturen, Glaubensrituale oder maschinerelle Grausamkeiten. Angefangen von religiösen Fanatismus, Tierquälerei wie Stierkämpfen, Umweltverschmutzung und oder ähnlichen Obskuritäten und Grausamkeiten in dieser Welt schafft Mondo Cane ein Werk, dass zwar rein dokumentarisch wirkt, aber auch das Entsetzen in den Zuschauern, die gespannt und unterhaltend vor dem Fernseher sitzen, hervorrufen möchte. Unterhaltung ist dabei gewiss das falsche Wort, auch wenn die recht harmonische Urlaubsmusik im Hintergrund und die absolut zynisch - ironischen Kommentare des Sprechers das andeuten könnten. Aber das macht den Film eben zu dem was er ist. Er will nichtmal ansatzweise unterhalten, durch seine fast schon "normale" Darbietung einer "normalen" Dokumentation, mit der harmonischen Musik und dem Sprecher, lässt er dieses Entsetzen noch vertiefen, die guten Schnitte des Filmes und die ineinander übergehende Szenen, fassen wunderbar Zusammenhänge und Gegenüberstellungen von menschlichen Grausamkeiten.
Denn wenn zum Beispiel in China Hunde als Hauptspeise auf der Restaurantspeisekarte stehen und jeder Europäer entsetzt von unmenschlichen Essgewohnheiten sprechen würde, blendet das Bild um und zeigt uns Szenen von einer Fabrik, die kleine unbeholfene Küken zeigt, die für das Osterfest in bunte Farbe getaucht und anschliessend im Hochofen getrocknet werden. Schöne heile Welt. Und während man in China in Gebeinhäusern kleine Kinder Skelette und Schädel zu Kunstwerken zusammenbauen lässt und alle paar Wochen säubert als hätte man ein Auto vor sich, werden auf hoher See feuchte Massengräber eingerichtet, wo von die menschenfressenden Haie auch noch etwas haben. Doch vordergründig bezieht man sich eben doch auf solch makabere und religiöse Glaubensriten, wie zum Beispiel bei primitiven Stammesvölkern. Schlachtungen, sinnlose Köpfungen von Tieren, der Ehre wegen, die Fütterung eines Schweinebabys an einer weiblichen Frauenbrust, blutige Stierkämpfe. Doch neben diesen weltfremden Szenen gibt es auch noch recht humoristische Szenen, die zwar nicht schockieren, aber dennoch deutlich machen, wie eigentartig der Mensch doch ist. In Erinnerung bleiben da sicher die Reeperbahn, alkoholisierte Menschen sind da sicher eine Sache für sich, der Hundefriedhof, der in seiner ersten Szene eher wie ein Friedhof für Menschen wirkt. Pompös aufgebaut, herrliche Grabsteine, abstrakte Inschriften und teure weitläufige Friedhofareale und nebenbei pinkelt der Pudel auf den Grabstein seiner Vorfahren. Schöne heile Welt.
Die Aufmachung des Filmes ist schlichtweg auf gehobenen Status, die Optik astrein, die Bildqualität und Kameraführung professionell beinahe schon wie ein wirklicher Film. Doch es scheint alles real zu sein, zumindest kann man das aus heutiger Sicht nachvollziehen und erkennen, denn diverse Abartigkeiten und Merkwürdigkeiten eines menschlichen Abgrundes sind gar nicht mehr so merkwürdig, denn man hat sich im Laufe der Jahre nicht dran gewöhnt, sondern damit abgefunden. Schöne heile Welt.
Und genauso abgestumpft wie die Menschheit, ist auch im Laufe der Jahre diese Reihe und auch Ausrichtung dieser Filme, denn anstatt vor den Kopf zu stossen und zum Nachdenken anzuregen, beutet das Mondogenre das Schema zu selbstzweckhaften und kommerziellen Gründen aus wie kein anderes. Das Konzept ging ohne weiteres auf, die Welt war schockiert, die Regisseure berühmt und die Kassen voll. Wen kümmern da die ganzen Grausamkeiten auf dieser Welt, wenn man mit solcher "Unterhaltung" Geld verdienen kann. Und so bekamen die Blut ,- und Sensationgeilen, kranken Menschen im Laufe der Jahre immer härtere und ekelerregendere Filme. Eigentlich aus heutiger Sicht traurig, denn anstatt genauso auf solche abgrundtiefe Seelenunheile des Menschen aufmerksam zu machen und das zu hinterfragen, gelang dieses Konzept ins Umgekehrte. Aus Anwiedern wurde Unterhaltung. Der Durst des armen Menschen war gestillt. Gereinigt seine kranke Seele. Schöne heile Welt.
Fazit:
Mondo Mondo Mondo. Wenn schon Mondo dann dieser und vielleicht noch der zweite Teil. In all seinen Facetten zwar minder schockierender Film, zumindest aus heutiger Sicht, aber dokumentarisch höchst wertvoll und auch nachdenklich, zynisch und vor den Kopf stossend. Was uns der Film allerdings bloss offenbart ist: Der Mensch ist krank. Mondo Cane sollte man sehen, darf man sehen ohne sich zu schämen, denn das ist alles weit davon entfernt, was man mit Gesichter des Todes in die umgekehrte Richtung lenkte.
80%