Review

„Mondo Cane“ gab die Initialzündung für ein neues Genre und zog unzählige Nachahmer hinter sich her. Und in der Tat, so etwas hatte es bisher noch nicht gegeben: Das Kaleidoskop von unterschiedlichen internationalen Obskuritäten funktioniert genau anders herum wie eine gewöhnliche Dokumentation, wird aber im selben Rahmen präsentiert. Sämtliche Aufnahmen erheben den Anspruch authentisch zu sein, was am Anfang in Form einer Schrifttafel deutlich gemacht wird.

Jacopetti konzentriert sich ganz auf die Kraft seiner zweifelsfrei großartigen Bilder. Der Originalton der Aufnahmen ist fast nie zu hören, keine der hier dargestellten Personen kommt zu Wort oder bekommt gesonderte Aufmerksamkeit. Zudem verfolgt der Film kein erkennbares Konzept sondern reiht eine Szene an die nächste, springt dabei innerhalb von Minuten von Thema zu Thema und von Kontinent zu Kontinent. Die Länge der unterschiedlichen Beiträge variiert genauso wie ihr Inhalt extrem, der Stil bleibt aber stets derselbe.

Offensichtlich verfügten die Macher über ein angemessenes Budget, welches Reisen an weit entfernte Schauplätze und das nötige Equipment garantierte. Auf hochwertigem Filmmaterial gedreht, verfügt „Mondo Cane“ über eine ganz eigene Ästhetik, die von experimentell geführter Kamera und einem perfekten Schnitt bestimmt wird. Die Aufnahmen sind von hoher Qualität und werden mit Bedacht aneinander montiert, untermalt von Riz Ortolanis starkem Score.

Der Effekt der Bilder steht im Vordergrund und durch kulturell bedingte Befremdlichkeiten gelang Anfang der 60er Jahre das Vorhaben perfekt: Kaum einer in Europa und den USA interessierte sich für den schwarzen Kontinent und Asien war den meisten auch noch ziemlich fremd. In seiner Zeit schlug er ein wie eine Bombe und wurde nicht umsonst zum Namensgeber für ein neues Genre. Überraschend facettenreich gestaltet sich die Atmosphäre, während die meiste Zeit ein leichter, geradezu lockerer Grundton vorherrscht, wird dieser ohne Ankündigung einige Male heftig durchbrochen mit düsteren Einschüben. Trotz dieser emotionalen Wechsel wirkt die Aussage nicht verwässert oder unausgegoren.

Im Zusammenhang mit den Werken Jacopettis wird oft der Zynismus und das negative Menschenbild seines Machers in die Argumentation einbezogen und das nicht ohne Grund. Schon in „Mondo Cane“ wird deutlich mit welch provokativer Ambition Jacopetti an seine Filme geht, so hat er schließlich den gesamten Text des Off-Kommentators geschrieben. In seinen späteren Filmen sollte er seine Polemik auf die Spitze treiben, hier bleibt es bei scharfen Bemerkungen und spitzen Bemerkungen.

Zivilisationskritik wird vermengt mit einem latenten Rassismus, der fast von alleine zu entstehen scheint. Schließlich bieten die Macher keinerlei tiefe Informationen über die gezeigten Bilder oder die angesprochenen Naturvölker. Der wenig fundierte Kommentar wirkt in einigen Aussagen schlichtweg herablassend und erscheint ärgerlich. Dasselbe gilt aber für die Sequenzen, die in der Zivilisation spielen und es bleibt zu erwähnen das Stefano Sibaldi seinen Job als Kommentator ordentlich erledigte, jede sarkastische Spitze in Jacopettis Text trifft er vorzüglich und weitaus besser als der deutsche Synchronsprecher.

X-Rated veröffentlichte eine um ganze zwanzig Minuten erweiterte Ur-Fassung. Die erweist sich ganz schnell als künstlich aufgebläht, das ohnehin schon unfangreiche Füllmaterial wird lediglich um ein paar grottenlangweilige Sequenzen erweitert, die wohl keiner in der alten Fassung vermisst hat. Von den drei populären Synchron-Fassungen (deutsch, italienisch, englisch) erscheint außer dem italienischen Original die deutsche am besten, obwohl in alle die entsprechende Mühe investiert wurde.

Nach so langer Zeit ist der Zuschauer wohl nicht mehr schockiert von „Mondo Cane“, stellenweise wirkt der Film auch leider unfreiwillig komisch. Tierfreunde müssen ein paar Mal weg gucken, richtig unappetitlich wie in späteren Genre-Beiträgen wird es hier niemals. Der Titelsong „More“ wurde übrigens nominiert für den Oscar, ein Novum im Genre – auch wenn Ortolani den Preis nicht mit nach Hause nahm.

Fazit: Der Klassiker des Mondofilms, für Fans selbstverständlich Pflichtprogramm. Doch aufgrund des filmhistorischen Stellenwertes und den unübersehbaren Qualitäten auch für Cineasten mit Sinn für das Exotische durchaus einen Blick wert.

07 / 10

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