Review

Wenn der Meister der Verlorenen Seelen philosophiert, wirds düster


Nur wenige Zeitgeister können was mit dem Namen Marian Dora, geschweige denn, was mit seinen Werken anfangen. Inzwischen hat er sich bei einer kleinen Fangemeinde, die jenseits des Mainstreams stehen und gehen, einen Namen gemacht; sei es in positiver oder negativer Hinsicht, das sei dahingestellt. Auch ich muss gestehen, inzwischen Gefangener seiner kleinen Filsammlung zu sein, die mich suggestiv beeinflusst hat und ja, ich oute mich als Fan Doras. 2018 drehte er ein Doublefeature; mit dem hier vorliegenden "Meisterwerk", so nenne ich es und eben "Pesthauch der Menschlichkeit". Es dauerte lange, bis Dora ein Label ausfindig machen konnte, um diese Filme in Print zu bringen. Das resultierte daraus, das die Zeitspanne zwischen Vorbestellung und Auslieferung sich über viele Monate hinweg erstreckte, was sich letztendlich aber auch bezahlt machen sollte, nach Sichtung der Filme.

Maria D. (vielleicht eine Anspielung auf Marian Dora himself) ist eine alleingestandene, junge hübsche Frau, verträumt und einsam, die in einer spärlich eingerichteten Wohnung lebt. Nach einem Griechenlandtrip hat sie sich die Überreste eines längst verstorbenen jungen Mannes illegalerweise nach Hause liefern lassen, da sie sich in das Bild, das auf der Truhe prangert,verliebt hat. Ihre Zuneigung zu dem Toten steigert sich allmählich immer mehr bishin zur völligen Ekstase, was ihr letztendlich die Erfüllung ihres Lebens gibt, wäre da nicht der von Maria besessene "Leichenbeschaffer", der ihr Leben zerstören will.

Der Meister des unsagbaren Filmschaffens hat hier wieder voll und ganz abgeliefert. Nach seinem für mich überragenden Geheimtipp "Cannibal", schuf er ein weiteres krasses und zugleich stimmungsvolles Meisterwerk, das auf die allermeisten absonderlich, ekelhaft und krank wirken dürfte.

Selbst mich liess dieser Film, der voller Leidenschaft zum Bizzaren hegt, nicht kalt, doch schafft er kein Unwohlsein und bedrückt nicht; nein durch seine sanfte Darstellung,weiss er zu fesseln.

Zu Beginn werden Urlaubsausschnitte im Wechsel zu Marias Wohnung im Jetzt gezeigt, quasi die Erinnerungen werden Revue passiert und das wird verdeutlicht, in dem Dreckfilter und warme Pastelltöne zum Einsatz kamen. Nach ruhigeren Passagen des Urlaubs folgen düstere Momente voller Tod und Leid, anhand gezeigter Tierkadaver, die Musik wechselt auch von angenehm zu eher beschaulich.

Dann kann man der Handlung besser folgen, als Maria gewünschtes Geschenk erhält. Und dann nimmt diese ihren Lauf. Alles gehalten in warmherziger Poesie, Nekromantik, von der man hier wirklich sprechen kann und das zu stimmigen und ruigen Klängen. Praktisch drehte Dora leidenschaftlich einen melancholischen Liebesfilm, der sich sehr deutlich mit der Seite und den Gefühlen Nekrophilliebenden Menschen auseinandersetzt. Vielleicht auch sein intimster Film ever, aber vor allem ausdrucksvoll und ohne Scham. Verlustängste und Hoffnungen, Wünsche und Träumereien, das Streben nach Tod, alles paart sich aneinander.

Nekrophilie, Tod, Einsamkeit, abgrundtiefe Hässlichkeiten der Menschheit, ein breites und doch so anziehendes Spektrum vom Meister seines Faches, der hier Tiersezierungen mit Genuss zelebriert, die völlige Hingabe zu Leichen bishin zur völligen Lustentfaltung, visuell dargestellt via Masturbation mit Knochenteilen in der Totalen, wenn aus Lust zu dem geliebten Toten alles gegeben wird, auch gewisse Körperflüssigkeiten. Das ganze wird minutiös gesteigert, romantisch und derb.Der Zuschauer muss sich hineinversetzen in die krankhafte sexuelle Welt der Nekrophilie, was mit gesundem Menschenverstand nicht zu begreifen ist und auch doch gesundheitliche Gefahren mit sich birgt.

Diese Erfüllung wird leider durch einen ebenso besessenen wie skrupellosen Typen beendet, der auch seinem perversen Verlangen nachgehen will und zeigt auch, wie schamlos Befangenheit ausgenutzt wird.

Marian Dora setzte mit diesem Kunstfilm der bizarren Erotik ein Statement; blutig, extrem, aber auch erotisierend, mit lakonischen Schnitten zwischen den einzelnen Bildern,sanfttrauriger Musik und kühler Atmosphäre. Verachtend finde ich die Tötung von Tieren; man kann darüber spekulieren, ob Dora hier Snuff miteingebaut hatte. Aber als bekennender Fan von Mondofilmen, wäre es ihm zuzutrauen. Auch im Abspann wird keinerlei Hinweis dargeboten, ob Tiere für den Film gequält wurden. Sollte es so sein, wäre es der einzige Negativpunkt, den ich ihm anhängen würde. Das fand ich schon bei den Kannibalfilmen aus Italien sehr ungünstig und dermassen verstörend.

Zudem wollte das irrwitzige Genie zwei Filme parallel zueinander drehen. Zwei Geschichten, nah einander und zeitgleich. Daran zu sehen, wenn sich bei den Figuren aus beiden Filmen, also "Das Verlangen der Maria D."sowie "Pesthauch der Menschlichkeit" die Blicke kreuzen. Genial!

Eine Perle des intensiven Kammerspiels auf engstem Raum. Ein erotisches Düsterwerk, nicht für jeden zu empfehlen, aber gehoben anspruchsvoll auf alle Fälle. Auch Freunde der morbiden Romantik kommen hier auf ihre Kosten.


Angaben zur Freigabe: auf alle Fälle ab 18 Jahren. Pornographisches Material, Perversionen und extreme Gewaltdarstellung machen den Film Nicht Jugendfrei! Ein Wunder, das der BpjS noch nicht aufmerksam geworden ist.


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