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Halb Pastor. Halb Velociraptor. Ins Auge springt zunächst diese unmöglich erscheinende Paarung, die jedweder rationalen Grundlage entbehrt. Wie zum Teufel kommt man auf die Idee, einen Film über so etwas zu drehen und ihm dann auch noch den brillanten Titel „The VelociPastor“ zu verpassen?

Doch die Frage ist falsch gestellt. Reptilien-DNA ist schließlich fast so tief in unsere Kultur verwoben wie die Religion in der Menschheitsgeschichte. Na klar; Reptilien sind eine Sache und Religion ist eine ganz andere, doch was hindert uns daran, sie miteinander zu verknüpfen? Haben wir als Kinder nicht bereits mit Rattlor- und Tung-Lashor-Actionfiguren gespielt? Sind Reptiloide nicht zumindest in der Politik schon längst enttarnt? Haben die Nazis nicht in ihren Bunkern heimlich T-Rexe gebrütet? Träumte Mr. Spock nicht von einem friedvollen Dinotopia? Legt der Papst Eier?

Regisseur und Drehbuchautor Brendan Steere macht es hier nicht etwa Gott nach und erschafft die Schöpfung aus dem Nichts, sondern er verlässt sich auf gut abgehangene Tropes aus Vertretern des unteren Budgetsektors. Wo es allzu absurd wird, da traf man eben immer schon auf rosa Elefanten oder Dinosaurier, einfach weil sie die geordnete Realität so schön durcheinanderbringen, und wenn nun noch ein Gottesmann zu zischen beginnt, ist die Melange perfekt. Diese Auswahl an Zutaten, die nur auf den ersten Blick nach englischem Frühstück aussieht, ist zugleich der beste Beweis dafür, dass die Zeit der naiven, arglosen Trashfilme vorbei ist, weil inzwischen vermutlich längst alle Ed Woods dieser Welt ausgestorben sind.

Betrauert werden darf dabei der Tod der Unschuld, wie ihn jene Sorte Trash unter Beweis stellte, die noch geschaffen wurde in dem Glauben, Wahrhaftiges zu leisten, nur um am Ende unerwartetes Gelächter zu ernten. Wer hingegen heute solche Filme dreht, macht das in völligem Selbstgewahrsein der eigenen Unzulänglichkeit. Die Postmoderne fegte wie ein Asteroid über den modernen Film hinweg und killte die Diskrepanz zwischen künstlerischer Vision und Publikumswahrnehmung. Nun ist es der Filmemacher, der seinen Trash von Haus aus so anlegt, dass er die Gedanken des Zuschauers liest. Da macht auch „VelociPastor“ keine Ausnahme. Im Gegenteil; er umarmt diesen Ansatz mit beiden Klauen.

Folglich müht sich Steere nicht einmal mehr um eine billige Miniaturmodellexplosion, als das Batman-Trauma der getöteten Eltern ein weiteres Mal seinen Lauf nimmt, um erneut einen schwarzen Rächer zu gebären, diesmal einen mit weißem Kragen. Da ist einfach nur diese leere Kadrage aus einer Seitenstraße mit der nüchternen Einblendung „VFX: Car on Fire“, wo eigentlich gerade digitale Flammen züngeln müssten. Nuff said. Denn wie könnte man den Mangel an eigenem Talent und Budget konsequenter persiflieren, als wenn man ihn dem Betrachter komplett vorenthält?

So gesehen geht „VelociPastor“ damit auf der Metaebene auch etwas weiter als gängige Party- und Spaßfilme der unernsten Tierhorror-Kategorie, die zwar ein mindestens ebenso selbstironisches Selbstverständnis besitzen, dabei aber in einfacheren Kategorien denken. Ihnen geht es vornehmlich um den bildfüllenden Blödsinn des stochastisch Unmöglichen, was auch der wichtigste Grund dafür ist, dass sie die wahren Tugenden ihrer minderbegabten Vorfahren vergessen haben. Geradewegs spröde wirkt dagegen die farblose Welt um den Pastor herum, nicht nur der ausbleibenden Explosion wegen. Die CGI-Tornados, mit denen sich die Konkurrenz brüstet, bleiben diesmal einzig dem Poster vorbehalten, das mit einem blutrünstigen Turok-Dino, einem leuchtenden Kreuz und einer Ninja-Armee vor brennenden Wäldern ziemlich dick aufträgt. Wer daraufhin nun vergleichbare Effekte im Film sucht, muss sich am Ende mit Kontaktlinsen, angemalten Zähnen und einem Kartoffelsack als Dino-Kostüm arrangieren, das ehrlich gesagt eher wie eine Kreuzung aus Earl Sinclair und Buckelwal aussieht als wie ein Velociraptor.

Eine Mogelpackung könnte man das nennen, wenn man sonst in seiner Freizeit Haie im Dutzendpack konsumiert, zumal als Entschädigung für das Ausbleiben kontrastreicher Spezialeffekte eben nicht etwa geschmackvolle Sergio-Leone-Landschaften winken, sondern lediglich trostlose Einstellungen New Yorker Hintergassen und Innenräume. Gerade diese Leere birgt aber die Chance, das Bild anderweitig zu füllen; eine Chance, die zumindest teilweise genutzt wird.

Noch während des Schmerzensschreis des Pastors ob seiner verlorenen Eltern beginnt der Regisseur nämlich die handwerklichen Mängel seiner eigenen Zunft aufs Korn zu nehmen. Die Kamera wischt nach oben, wie sie es bei einem solchen Schrei immer tut, um den Weg der weichenden Energie einzufangen und den Trauernden in all seiner Einsamkeit bloßzustellen. Doch dann weiß die Linse nicht weiter, sie zögert, schwenkt nach rechts, fällt wieder abwärts und kauert da verstohlen, bis endlich die erlösende Abblende kommt.

In solcher Manier wird nun eine gewitzte Demontage von Filmtechniken freigesetzt. Die Funktionsweisen filmischer Ebenen werden ganz ohne ablenkende CGI-Schichten effektiv bis auf den Kern freigelegt und mit trockenen Pointen aufgelöst. Der Regisseur hat offensichtlich weniger eine Variation der Creature-on-Foreign-Territory-Formel („Sharknado“, „Sand Sharks“, „Snakes on a Plane“ etc. pp.) im Sinn, die proportional zur Erschwinglichkeit von Computer-Spezialeffekten zu boomen begann, noch die kostengünstigen Man-turns-Monster-Produktionen der 00er Jahre (“Mosquito Man”, “Sharkman”). Vielmehr teilt er sich das Mindset mit Exzentrikern wie Steve Oedekerk („Kung Pow – Enter the Fist“) oder Mike Myers („Austin Powers“), denen es darum ging, die wiederkehrenden Muster zu persiflieren, die sich in der Bildung von Genres herauskristallisierten.

Ein ehrenhaftes Anliegen, das der Film mit einigen wenigen Geistesblitzen gelegentlich dann auch zu voller Blüte treibt. Zooms und Ausleuchtung, Schnitt und Perspektive genießen ein besonderes Augenmerk, sie scheinen sich immerzu bei Klassikern der Filmgeschichte zu bedienen. Als Lohn der Arbeit wirken herrliche Bild-vs-Inhalt-Dissonanzen, äußerst ansteckende Evil Laughters und etliche Awkward Situations, wie man sie nur mit guter Vorbereitung und entsprechendem Timing in der Ausführung bewerkstelligen kann.

Die endgültige Offenbarung der finalen Verwandlungsform des Raptor-Pastoren ist dann in all ihrer Nüchternheit die Krönung; ein Ärgernis für einige, ein perfekt platzierter Sucker Punch für andere wiederum, in jedem Fall aber eine freche Provokation für ein Publikum, das von der sonst gültigen Grenzenlosigkeit des Darstellbaren, die selbst im Low-Budget-Sektor inzwischen gilt, verwöhnt ist. Gerade Gregory James Cohan sorgt in der Hauptrolle mit Erfolg dafür, dass der Einschlag möglichst trocken und hart kommt. Ein wenig bedient er sogar die Tugenden Buster Keatons: Die Komik ergibt sich aus der Ernsthaftigkeit des Protagonisten.

Leider fehlen auf lange Sicht die Ideen und Mittel, diese Nummer über die volle Meile engmaschig und lückenlos durchzuziehen. Schon die Einflüsse wirken nicht immer ganz taufrisch. Eine Ikone des postmodernen Films wie Quentin Tarantino zum Beispiel, hier vertreten vor allem durch deutliche Verweise auf „Kill Bill“, in gleicher Manier zu dekonstruieren, wie Tarantino es mit seinen Vorbildern zu tun pflegt, war noch selten eine gute Idee. Comic-Franchises (Heldenwerdung wie bei „Batman“, Superkräfte wie „Hulk“) als Grundlage zu erklären, ist da mit Blick auf die Pulp-Ursprünge früherer Groschenhefte schon eine sinnvollere Investition. Der Einfluss chinesischer Folklore in Form von Drachen als mythologisierte Variante der Dinosaurier passt ebenso ins Bild, zumal die durchs Bild hüpfenden Ninjas dadurch automatisch jene Art von Kulturignoranz ausdrücken, die dem westlichen Publikum mit Blick auf die östliche Halbkugel nachgesagt wird, frei nach dem Motto: Shanghai oder Tokio, Hauptsache China.

Das alleine macht den Kohl allerdings nicht fett. Selbst bei der knappen Laufzeit von 70 Minuten gerät die Gagdichte recht dünn, weil einige der Gags überdurchschnittlich viel Anlauf brauchen, und obwohl das reine Storytelling im Stil eines Origin-Comics unter dem Strich durchaus flüssig geraten ist, stottert der Film zeitweise dahin wie eine alte Rostlaube, die man immer erst in den Leerlauf setzen muss, um einen Gang höher schalten zu können.

„The VelociPastor“ ist letztlich mit ganzer Seele Lo-Fi-Trash, und als solcher nötigt er dem geneigten Schund-Connaisseur weit mehr Respekt ab als all die austauschbaren Modulfilme der letzten Jahre über mutierte Tiere aus dem Rechner es je könnten. So ein schäbiger Gummianzug altert einfach besser als CGI-Hülsen. Noch dazu fallen die Meta-Spielereien mit etlichen Genre-Aspekten und Filmtechniken unerwartet durchdacht aus. Eine höhere Taktfrequenz an Gags und schrägen Einfällen hätte man aber durchaus vertragen können.

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