Review

„Murder in the front row / crowd begins to bang / and there's blood upon the stage / Bang your head against the stage / and metal takes its price / Bonded by blood” – Exodus

Der 2019 veröffentlichte US-amerikanische Dokumentarfilm „Morder in the Front Row“ von Regisseur Adam Dubin („A Year And A Half In The Life Of Metallica“) basiert auf dem gleichnamigen Buch Brian Lews und Harald Oimoens aus dem Jahre 2012 und beschäftigt sich mit einem musikalischen/subkulturellen Phänomen, das sich Anfang der 1980er Jahre in San Francisco anbahnte und durchsetzte: dem Thrash Metal. 13 Jahre nach Rick Ernsts „Get Thrashed – The Story of Thrash Metal” ist also ein weiterer abendfüllender Film verfügbar, der sich mit diesem Thema befasst.

Als die Entwicklung des Thrash Metal begünstigt habend betrachtet man die damalige Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, ohne jedoch im weiteren Verlauf politische und gesellschaftliche Aspekte zu vertiefen. Stattdessen widmet man sich voll und ganz den Protagonistinnen und Protagonisten jener Ära innerhalb der Bay Area an der Westküste der USA. Als musikalische Einflüsse werden übereinstimmend europäische Hardrock- und Metal-Bands und insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter der NWOBHM genannt. Und es ist ein illustrer Haufen, den Adam Dubin hier vor der Kamera versammelte: Nicht nur die Jungs von Exodus, Metallica (inkl. Dave Mustaine) und Slayer, die zur allerersten US-Thrash-Welle zählten, sondern auch Charlie Benante (Anthrax), Chuck Billy (Testament), Mark Osegueda (Death Angel), Rob Flynn/Phil Demmel (Vio-lence/Machine Head), Dave Ellefson (Megadeth) und weitere Vertreter der zweiten Thrash-Generation kommen mit zahlreichen Statements zu Wort, flankiert von Plattenladen und -label-Betreibern wie Brian Slagel, Fanzine-Machern (inkl. dem späteren „Bravo“-Chefredakteur Alex Gernandt) sowie engen Wegbegleiterinnen und -begleitern der Bands, Zeitzeuginnen und -zeugen der Thrash-Explosion und Fans. Und die Krönung: Der Vater des 1986 tödlich verunglückten Metallica-Bassisten Cliff Burton erklärte sich bereit, seinen Beitrag zu dieser Dokumentation vor der Kamera zu leisten.

Brian Posehn führt als Off-Sprecher durch den rund eineinhalbstündigen Film, der erzählt, wie es Metallica in die Bay Area verschlug, wie man Slayer dort einst empfing (Spitzenstory!), welchen Stellenwert Exodus in der frühen Szene hatten und von welcher Bedeutung das Tapetrading war, wie man das Ruthie’s Inn für sich annektierte und dort die wildesten Konzertexzesse veranstaltete, wie man Krieg gegen die verdammte Poser führte, aber auch, welche Rolle Gewalt und Zerstörungswut spielten – neben den musikalischen Herausforderungen, seine Instrumente möglichst schnell und hart zu spielen, um sein betont bodenständiges Publikum, das nichts von Schminke, Rockstargehabe und Verkleidungen hielt, zu begeistern. Es ist auch ein Film über Paul Baloff, jenen charismatischen ehemaligen, 2002 viel zu früh verstorbenen Exodus-Frontmann, der die Thrash-Attitüde wie kaum ein Zweiter verkörperte.

Illustriert mit die Leidenschaft und das Lebensgefühl der Thrasher und die Aufbruchsstimmung der Szene perfekt transportierenden, authentischen alten Aufnahmen und Bildern sowie angereichert mit einigen originellen Animationen erzählt „Murder in the Front Row“, wie es damals losging, bricht nur leider bereits an dem Punkt ab, an dem die Bands sich mit zweiten Alben beweisen mussten und zahlreiche neue Bands auf den Plan traten, um ihren Vorbildern nachzueifern oder sie gar zu übertrumpfen. Die weitere Entwicklung der Thrash-Szene hätte dann sicherlich auch mehr Anlass zur Kritik geboten als der überwiegend unkritisch aus Fan-Perspektive reflektierte Abschnitt, auf den sich Dubin und Co. hier fokussieren. Dafür bekommt man es hier aber mit einem nur so vor jugendlicher Energie, juvenilem Aufbegehren, Pionierstimmung und Metal-Power strotzenden Tatsachenbericht zu tun, der bei allem Wahnsinn auch Zeit für leisere Töne findet, wenn er Gary und Tom von Exodus an Paul Baloffs Grab zeigt oder noch einmal deutlich wird, welch immenser Verlust der bestürzende Tod des hochtalentierten Cliff Burton war. Beiden ist dieser Film gewidmet.

Thrash Metal bleibt allen weiteren Extremisierungstendenzen wie Death oder Black Metal zum Trotz immer noch eine der energetischsten und aggressivsten Musikrichtungen, die zudem noch immer junge Bands hervorbringt, die diesen Stil mit frischem Leben füllen – und die Bay Area gilt in Kennerkreisen nach wie vor als Synonym für eine seiner wichtigsten Wiegen. „Murder in the Front Row” dokumentiert auf sehr sympathische, unterhaltsame und inspirierende Weise, weshalb – auch wenn es nicht immer leicht fällt, beim einen oder anderen Beteiligten auszublenden, dass von seiner Attitüde kaum noch etwas übrig ist und er heutzutage für etwas ganz anderes steht…

Details
Ähnliche Filme