„Kein Mensch kann sich heute sicher fühlen!“
Zwischen seinen Komödien „King Frat – Die Wildschweine sind los“ und „Das total verrückte Ferien-Camp“ drehte der in erster Linie für die Zombie-Komödien-Fortsetzung „Return of the Living Dead II“ bekannte US-Regisseur Ken Wiederhorn im Jahre 1981 den Spielfilm „Eyes of a Stranger“, der sich überraschend als bierernste Melange aus Thriller und Slasher entpuppt. Die Vermarktungsversuche als „Maniac 3“ hingegen sind grober Unfug, allein schon, weil der ebenfalls nur angebliche „Maniac 2“ (eigentlich: „Love to Kill“) erst ein Jahr später erschien.
In Miami geht ein Frauenmörder um, der seine Opfer zunächst mit obszönen Telefonaten belästigt, um sie anschließend niederzuschlagen, zu vergewaltigen und zu erdrosseln. Die TV-Nachrichtensprecherin Jane Harris (Lauren Tewes, „Love Boat“) hat mit Tracy (Jennifer Jason Leigh, „Dolores“) selbst eine jüngere Schwester, die Opfer eines Missbrauchs wurde und sich seitdem blind und stumm stellt. Durch einen Zufall beginnt Jane, ihren Nachbarn Stanley Herbert (John DiSanti, „Das Wunder in der 8. Straße“) aus dem Hochhaus gegenüber zu verdächtigen, doch ihr Freund David (Peter DuPre, „Naked Space – Trottel im Weltall“), von Beruf Anwalt, schenkt ihr keinerlei Glauben. So ermittelt Jane auf eigene Faust, dreht den Spieß kurzerhand um und versucht, auf Herbert telefonisch Druck auszuüben. Doch schließlich gelangen sowohl Tracy als auch Jane selbst ins Visier des Triebtäters…
Wiederhorns filmischer Auftakt erinnert sicherlich nicht von ungefähr an Fred Waltons Klassiker „Das Grauen kommt um 10“, wenn (nach Bildern eines Wasserleichenfunds) quasi die komplette Durchführung eines Mords durch den Täter gezeigt wird: Eine Frau sitzt allein zu Hause, schaut ausgerechnet Wiederhorns Zombie-Film „Shock Waves“ im Fernsehen und wird von anonymen Anrufen belästigt. Eine dunkle Gestalt schleicht sich unbemerkt ein. Kurze Zeit später klingelt ihr maskierter Freund und sorgt für einen sog. False Scare. Klassischer geht es bis hierhin kaum, diese und ähnliche Motive finden sich zuhauf in diversen Slashern und das Subgenre maßgeblich beeinflusst habenden Werken. Ihr Freund bekommt schließlich die Rübe abgeschlagen und der maskierte Mörder fügt der Frau das Gleiche zu wie seinen Opfern zuvor. Diese ausgedehnte Einstiegssequenz macht alles richtig, setzt auf Hitchcock’sche Suspense, arbeitet visuell geschickt mit seinen Schatten und Ausleuchtungen und zieht die Spannungsschraube bis zu den eruptiven Gewaltausbrüchen stetig an.
Nachdem nun jeder Zuschauer weiß, mit welchem Ausmaß an Gewalt er es genau zu tun hat, richtet der Film seinen Fokus auf Nachrichtensprecherin Jane und ihre blindstumme kleine Schwester. Die Entführung letzterer erlebt der Zuschauer in den Erinnerungen Janes mit, dem dadurch auch verdeutlicht wird, weshalb Jane diese Fälle besonders nahe gehen. Das Drehbuch lenkt fortan den Verdacht auf Janes Nachbarn, während nunmehr eine im Büro arbeitende Annette die Anrufe erhält und, nachdem Wiederhorn erneut einige schöne Suspense-Szenen ausgewalzt hat, ihr der Mörder in ihrem eigenen Auto auflauert.
Der Knackpunkt ist, dass der Zuschauer nach nur 40 Minuten bereits weiß, dass es sich beim Täter tatsächlich um denjenigen handelt, auf den der Verdacht gelenkt wurde. Ohne sein Whodunit? also überhaupt richtig ausgebaut zu haben, beendet der Film es bereits und wird vom Suspense-Slasher zum ein gutes Stück weit an Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ erinnernden Thriller, in dem Jane nach einem bösen Alptraum vom Fund ihrer Schwester auf eigene Faust ermittelt und selbstredend in entsprechende Gefahren gerät. Das ist alles sehr annehmbar und solide inszeniert, verfügt weiterhin über einen angenehmen Spannungsgrad, verschenkt aber das Potential, das eine weitere Konzentration auf die Suche nach dem Mörder, eine gewitzte Wendung der Handlung oder ein Festhalten am Slasher-Sujet gebracht hätten. Die bei näherer Betrachtung doch arg konstruierte Handlung unterwandert die Thematik der urbanen Anonymität, in der sich der Täter zunächst so sicher wähnt. Der für manch einen vielleicht Voyeurismus und daraus resultierenden Sleaze-Gehalt suggerierende Titel wiederum findet seine Entsprechung eher in Verfolgung und möglichem Verfolgungsjagd, was nicht als Kritikpunkt gemeint ist, sondern falschen Erwartungshalten vorbeugen soll. Positiv für sich verbuchen kann „Eyes of a Stranger“ die wohldosierten blutigen Spezialeffekte von niemand Geringerem als Tom Savini, die den Film im wahrsten Sinne mit einem Knall enden lassen, sowie engagierte Schauspieler mit seriösen Leistungen (glaubwürdig: Lauren Tewes, Typ unheimlicher Spießbürger von nebenan mit Leichen im Keller: John DiSanti, niedlich: die noch junge Jennifer Jason Leigh), dem gegenüber stehen aber eben ein meines Erachtens nicht ganz aufgehendes Konzept zwischen den Genre-Stühlen und die damit einhergehende Überraschungs- und Innovationslosigkeit.