Auf verlorenem Posten? Oder umzingelt von Genreklischees?
Der Krieg ist ein schmutziges Geschäft, er ist grausam, er ist dreckig und er dient oft rein machtpolitischen Interessen einiger weniger. Der einzelne Soldat ist in diesem Szenario lediglich ein Mittel zum Zweck, ein winziges Rädchen, das die Vernichtungsmaschinerie am Laufen hält. Der Kriegsfilm - und dabei spielt es keine Rolle, ob man ihm das Etikett „Antikriegsfilm“ aufklebt, oder nicht - kann mit dieser Sichtweise nur selten etwas anfangen. Er setzt deshalb bevorzugt auf Personalisierung und vor allem Heroisierung des Kriegserlebnisses. Das ist auch gar nicht mal unverständlich oder per se verurteilenswert, denn als Zuschauer verliert man ohne konkrete Identifikationsangebote sehr schnell das Interesse und vor allem den Bezug zum Gezeigten. Fiebert man mit, hat man Angst, fühlt man sich hinein, dann ist man involviert und nimmt Teil. Damit einher geht allerdings auch der problematische Eindruck einer Sinnhaftigkeit und vor allem der Möglichkeit des Einzelnen Einfluss zu nehmen. Dem Wesen, der DNA des Krieges kommt man damit allerdings kaum näher, eher entfernt man sich von ihr.
Was also tun, wenn man den Anspruch auf größtmögliche Authentizität hat und den Unterhaltungsprimat des Mediums nicht gänzlich über Bord werfen will? Die beiden Regieschwergewichte Sam Mendes und Christopher Nolan haben vor kurzem, jeder auf sein Art, versucht dieses Dilemma zu lösen. In beiden Werken spürt man eindringlich die Ambition, leider aber auch die Abstraktion. Sowohl Mendes „1917“ wie auch „Nolans“ Dunkirk verlieren sich in artifiziellen Posen, die den Zuschauer mit opulenten Bildern und komplexen Raffinessen wie Handkameraplansequenzen oder dem Spiel mit Zeitebenen zwar zeitweise beeindrucken können, ihn aber auch stirnrunzelnd im Filmuni-Hörsaal sitzen lassen. Der eine versucht zu betören, wo es nichts zu betören gibt und der andere versucht individuelles Empfinden durch abstrakte Zeitblöcke greifbar zu machen.
Der auf einem Tatsachenbericht basierende „The Outpost“ sieht im Vergleich mit diesen beiden Ambitionsmonstern wie ein böser Rückfall in antiquierte Genre-Muster aus. Die frappierend an „Alamo“ erinnernde Geschichte um den 2009 von Feinden überrannten U.S.-Army-Außenposten „Keating“ im nördlichen Afghanistan, hätte man noch vor kurzem als typisches B-Action-Futter für jede gut sortierte Videothek abgestempelt. Neben dem Szenario sprechen das überschaubare Budget sowie der Zweite-Reihe-Cast (Orlando Bloom sowie die Starsöhne Scott Eastwood und Milo Gibson) dahingehend eine vermeintlich eindeutige Sprache. Hat sich der Rauch nach der finalen Schlacht allerdings etwas gelegt, ist man einigermaßen baff. Unverhofft wurde man Zeuge eines der besten Kriegsfilme der letzten Jahre, ohne dass man so recht weiß, wie die Macher das hinbekommen haben. Schließlich hat man so Ähnliches doch schon oft gesehen.
Tatsächlich ist es nicht der eine große Kniff, der eine geniale Einfall, der die Werke von Mendes und Nolan fast schon aufreizend spielerisch in den Schatten stellt - zumindest in punkte Annäherung an das Wesen des Krieges. Nein, es sind die kleinen Stellschrauben, die den Unterschied ausmachen. Der Film folgt oberflächlich einer klassischen Dramaturgie: Lagerleben, Kennenlernen einer Reihe von Protagonisten und ihrer Beziehungen untereinander, kleinere Feuergefachte und schließlich das finale Inferno einer großen Schlacht.
Innerhalb der drei Akte geht Regisseur Rod Lurie aber ungewohnte Wege. Aus dem Außenpostenpersonal schält er keinen eindeutigen Sympathieträger heraus, auch einen Antagonisten präsentiert er nicht. Die Männer werden einfach, fast schon nüchtern in ihrem Alltag aus ereignisloser Langeweile, latenter Bedrohung von außen, mehr oder minder derber Frotzeleien und ausgefallener Ticks gezeigt. Hier finden sich so ziemlich alle denkbaren Haltungen von Hoffnung, über Resignation, über nervöse Unruhe bis hin zu pragmatischer Akzeptanz der ungünstigen Situation. In seiner Gesamtheit wirkt das ungemein echt und nahe dran.
Die Kampfhandlungen kommen oft überraschend und auch kurz daher, sind dafür aber enorm wuchtig inszeniert. Schnell wird es dabei sehr unübersichtlich und willkürlich im Sinne, wer wann und wo getroffen wird. Alles schient für jeden zu jeder Zeit möglich. Zufälle und Instinkt entscheiden über Unversehrtheit, Verwundung oder Tod. Diese brutale Willkür spiegelt sich auch in den Gesichtern und Dialogen. Für heroische Szenen, gar noch in Zeitlupe und pathetisch musikuntermalt, bleibt hier keine Zeit, sie würden auch wie ein Fremdkörper wirken. Und obwohl die Kamera sehr dicht am Geschehen ist, gibt es nicht das fast schon obligatorische Spiel mit der verwackelten Optik, das so gar nicht dazu angetan ist, ein hektisches Empfinden erfahrbar zu machen, sondern nur das Gegenteil erreicht.
Dass eine Handvoll Männer, die selbst als Kombattanten am „Battle of Kamdesh“ teilgenommen hatten, nicht nur als militärische Berater fungieren, sondern sich im fertigen Film auch selbst spielen, ist sicher ein weiterer wesentlicher Faktor. Aber auch sie agieren und partizipieren letztlich nur im vorgegebenen Rahmen des Regisseurs. Und der hat einen ungewöhnlichen Hintergrund. Die interessante Mischung aus Westpoint-Abgänger, Filmkritiker und Regisseur dürfte wesentlich für seine inszenatorischen Entscheidungen bei „The Outpost“ gewesen sein.
Am Ende des Films lässt er ein paar der Überlebenden von Outpost Keating zu Wort kommen, was dem Film fast schadet, denn ein Hauch von Pathos ist so unvermeidlich. Dennoch ist Lurie der Fratze des Krieges mit seinem Verzicht sowohl auf Heroisierung wie auch auf Dämonisierung näher gekommen als die allermeisten Kriegsfilme der jüngeren Vergangenheit. Sein Film zeigt echte Menschen in einem echten Grauen einer echten Geschichte. Das klingt simpel und im Kern ist es das auch. Das gewählte Sujet ist lediglich eine Randnotiz im amerikanischen Afghanistaneinsatz der 9/11-Nachwehen, eine Randnotiz, die aber sehr klar Irrsinn und Willkür vieler politischer Entscheidungen in Kriegszeiten zeigt, mitsamt ihren fatalen Auswirkungen auf die beteiligten Soldaten. Eine Randnotiz aber auch, die sehr leicht zum heldischen Überlebenskampf und patriotischen Hohelied auf das US-Militär hätte hochgejagt und ausgeschlachtet werden können. Dass dies nicht passierte, ist das große Verdienst dieses in seiner Unaufgeregtheit ungemein aufregenden Films.