"Ich wollte schon immer nach Afrika."
John Pattersons Kindheitstraum scheint sich nun zu verwirklichen. Der Architekt ist trotz seines jugendlichen Alters Spezialist für Brückenbauten und weltbekannt durch seinen Erfahrungsschatz, den er sich bei zahlreichen Projekten in Indien zuziehen konnte. So wird er von der britischen Eisenbahngesellschaft engagiert, um in Kenya eine Brücke über den Tsavo-River zu bauen für die entstehende Eisenbahnlinie von Mombasa über Nairobi bis nach Uganda. Das Projekt ist allerdings gefährdet, da als "Menschenfresser" bekannte Löwen immer wieder das Arbeiterlager angreifen und Menschen töten.
Der Film beruht auf eine wahre Begebenheit aus dem Jahre 1898. Tatsächlich griffen immer wieder Löwen die Arbeiter an und töteten insgesamt mehr als 130 Menschen. Noch heute kann man im Eisenbahnmuseum von Nairobi die Bilder des Baus betrachten und den ersten Zug bewundern, der die dann fertig gestellte Brücke überquert hat. Aber dazu später mehr.
"Der Geist und die Dunkelheit" wartet mit traumhaft schönen Bildern aus Kenya auf, vornehmlich schon bei der Ankunft Pattersons und seinem Weg zur Arbeitsstelle. Der gewaltige Tierreichtum und die schönen Landschaftsbilder stammen allerdings nicht aus Tsavo, sondern wurden in der Masai Mara abgedreht. Macht aber nichts, eine Schirmakazie bei Sonnenaufgang ist immer beeindruckend, egal wo sie steht.
Stephen Hopkins konzentriert sich nunmehr auf die Löwenjagd. Er arbeitet die daran beteiligten Charaktere sorgfältig aus, sowohl Patterson (ein Val Kilmer als Milchbubi) als auch Charles Remington (Michael Douglas) verleiht er Tiefe. Manch einer mag Val Kilmer für eine Fehlbesetzung halten, wenn man aber die wahren Hintergründe kennt, verkörpert Kilmer Patterson durchaus treffend. Michael Douglas hingegen macht es sichtlich Spaß aus seinem Edelzwirn vergangener Filme herauszuklettern und sich hier richtig menschlich präsentieren zu dürfen. Endlich darf er sich Ausrutscher leisten, da ist er mit Elan bei der Sache. Als schreiender Rüpel agiert er interessant und abwechslungsreich. Brian McCardie als Pattersons Assistenten Angus Starling macht ebenso eine gute Figur wie Bernhard Hill als Lazarettarzt Dr. Hawthorne.
Erstaunlich gute Darstellungen liefern allerdings die bisher wenig bekannten Nebendarsteller. Hier hätten wir zum einen Samuel, ein einheimischer Samburu und treuer Helfer Pattersons, gespielt von John Kani. Seine menschliche Wärme, sein Humor und seine Ehrfurcht vor der Natur sind meisterhaft dargestellt und lassen uns den Charakter ans Herz wachsen. Ebenso allerdings auch Om Puri als Abdullah, Anführer der Aufständischen - überzeugend kann er die Rolle verkörpern.
Besonders die Menschlichkeit zwischen den Charakteren Patterson und Samuel und die letztlich keimende Freundschaft zwischen den beiden nehmen weite Teile des Films ein. Hopkins konzentriert sich allerdings ausschließlich auf die Löwenproblematik, was der Historie kaum gerecht wird. Unzählige weitere Probleme machten den Arbeitern zu schaffen, angefangen von Unwettern bis zu Krankheiten wie Malaria. Die unzureichende Darstellung dieser Aspekte ist auch Hauptkritikpunkt, denn die Konzentration auf eine Löwenjagd bei gleichzeitigem Ausschluß der blutrünstigen Szenen zugunsten des Jugendschutzes provoziert einige Längen, die dem Film nicht gut tun. Hier hätte Hopkins mehr Nebenhandlungen einbauen sollen, andere Aspekte der damaligen Begebenheit schildern. Zum Beispiel wird völlig verschwiegen, daß es sich hier ausschließlich um Sklavenarbeit handelte. Den Zwang der Militärs die Einheimischen arbeiten zu lassen trotz der Löwenangriffe und deren Ängste kommt überhaupt nicht zur Sprache, ebenso wenig wie die mutige Auseinandersetzung Abdullahs mit Patterson - diese wurde letztlich von Hopkins nur auf eine "kurze Pöbelei" zusammengestaucht. Schade und enttäuschend! Auch die Konflikte innerhalb der ethnischen Gruppen (Moslems, Hindus, die ostafrikanischen Stammesreligionen) werden völlig unberücksichtigt gelassen, obwohl dies Stoff für einige gute Szenen gewesen wäre - etwas Ideenreichtum hätte hier nicht geschadet, stattdessen beschränkt sich Hopkins auf das Zeigen einiger Massai-Rituale und deren Gesänge. Viel zu wenig!
Eine wirkliche Frechheit ist allerdings das Weglassen des tragisch-komischen Endes der ganzen Begebenheit. Als erstes ward nämlich Patterson die Ehre zuteil die Brücke im Zug überqueren zu dürfen. Und ausgerechnet hier greifen die Löwen wieder an und reissen Patterson nachts aus seinem Waggon und töten ihn. Zugunsten eines hollywoodgerechten Happy Ends wurde dies völlig unter den Teppich gekehrt, blamabel hoch zehn.
So bleibt ein zwiespältiges Gefühl. Der Film an sich ist gut gemacht und auch größtenteils spannend mit klasse Darstellern. Hätte man die "ganze Story" historisch korrekt verfilmt wären hier absolut 10 Punkte drin, doch so gibt es kräftigen Abzug. Für Nichtkenner der Historie allerdings bleibt immer noch ein sehenswerter Film übrig.
(7/10)