Der Chicagoer Stadtteil Cabrini Green hat sich im Laufe der Zeit mächtig verändert: neben einigen wenigen Sozialbauten, die in den 1990er Jahren wegen einer aufsehenerregenden Mordserie in den Fokus der Öffentlichkeit rückten, gibt es heute viele moderne Glaspaläste und schicke Lofts. In einem davon lebt der Kunstmaler Anthony McCoy, der von seiner Freundin Brianna, eine Galeristin, mehr oder weniger ausgehalten wird. Um den wirklichen Durchbruch zu schaffen, nimmt sich McCoy der Candyman-Legende an und verarbeitet diese in seinen Werken – ohne zu ahnen, was er damit lostritt…
Mit seiner Rolle als Candyman in dem gleichnamigen Film von 1992 machte sich Tony Todd einen Namen und die von Clive Barker erfundene Figur ging – obwohl vom Franchise her dann nicht unbedingt sonderlich erfolgreich – als weitere Ikone unter den Genrefans neben Michael Myers und Jason Voorhees in die Hall of Fame des Horrorfilms ein. Nun gibt es mit der 2021er-Version des Stoffes eine Neubelebung der kurzen, 1999 mit Teil 3 beendeten Filmreihe, denn Nia DaCostas auffallend politisierender Wiedereinstieg ist Reboot und Remake gleichermaßen: obwohl dem Grunde nach die Geschichte des Originals noch einmal modernisiert und mit gehöriger Gentrifizierungskritik aufgemöbelt neu erzählt wird kommt man ohne Kenntnis des Originals an manchen Stellen als unwissender Zuschauer nur schlecht weiter. Zudem hat man auch deutlich mehr Unterhaltungswert, wenn man gedanklich voll anknüpfen kann. Dem Stilwillen der Regisseurin und Co-Drehbuchautorin DaCosta und ihrem Bedürfnis nach mittels einem Genrefilm verbreitetem Statement zu tagesaktuellen sozialen Themen ist es zu verdanken, dass der von Jordan Peele produzierte „Candyman“ (2021) eben keiner dieser üblichen öden Horrorfilmchen geworden ist, das einfach nur eine originelle Hauptfigur durch einen von „Freitag, der 13.“ inspirierten Abzählreim schickt, sondern ein starker Beitrag zum Black Cinema heutigen Zuschnitts. Nein, „Candyman“ (2021) will mehr sein und ist auch mehr: so funktionieren eben neben handelsüblichen Schocks und gut getricksten Bluttaten auch die sozialkritischen Blicke ebenso wie die allgemeinen, von DaCosta gewollten Irritationen, die durch die mitunter faszinierend-eigenwillige Inszenierung (Scherenschnitt-Theater-Szenen neben auf den Kopf gestellten Wolkenkratzern neben verschachtelter Montagetechnik) hervorgerufen werden. Es mag mitunter ein seltsames, teilweise dysfunktional anmutendes Nebeneinander sein, aber es ist eben auch ein starkes Statement. Irgendwie kurz vor genial. Bildformat: 2,39:1. Mit Yahya Abdul-Mateen II, Teyonah Parris, Nathan Stewart-Jarrett, Colman Domingo u. a.
© Selbstverlag Frank Trebbin