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Das moderne indische Kino nicht nur in der Ausgestaltung von Liebesdramen und -komödien, sondern seit längerem auch im Genre des Actionfilmes und seiner Varietäten tätig, wobei die Motive in Sachen Inhalt und Form oftmals eine Wiedergabe anderweitig bekannter Muster wie das Kino aus Hongkong bzw. jetzt der Volksrepublik China und natürlich auch dem aus Hollywood sind. Gerade das letztere wirkt in der Anlage identifizierend und identisch, der Versuch und oft das Gelingen vom Erreichen eines Massenappe(a)ls, die Mischung aus Spektakulären und Konventionellen und die Bedienung eines Starsystems hat Bollywood mit seinem Namensvetter gemein. Stören tut sich das westliche Publikum dabei weniger an dem Plot oder den Bildern, die in ihrer pompösen Gelacktheit und dem sichtlich aufwändigen Finanzrahmen auch aus dem amerikanischen Blockbusterfilm stammen könnten, sondern an dem Überschwang jeglicher Gefühle, was die Inszenierung und das Schauspiel miteinbezieht sowie folgerichtig auch den wenig gelittenen Musik-, Tanz- und Sangesszenen, die selbst in Actionthrillern oder wenig empfindsamen Propaganda-/Kriegsreißern zum Vorschein kommen und den Rhythmus eher aufreißen und am Stören sind:

Agra, im Bundesstaat Uttar Pradesh. Die Brüder Ranveer "Ronnie" Chaturvedi [ Tiger Shroff ] und Vikram Charan Chaturvedi [ Riteish Deshmukh ] sind nicht erst seit dem Tod ihres Vaters, des Polizisten Inspector Charan Chaturvedi [ Jackie Shroff ], ein Herz und eine Seele, sondern schon seit frühester Kindheit; wobei gerade der jüngere Ronnie immer auf seinen etwas tollpatschigen und naiven Geschwisterteil aufgepasst hat. Dabei hilft er ihm vor allem auch im eher zögerlich angenommenen Polizistenjob, der Zivilist Ronnie ist als schlagkräftige Ein-Mann-Armee quasi die Verstärkung des Hasenfußes Vikram, der dadurch aber schnell in der Karriereleiter aufsteigt und so nicht nur in die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten gerät. Als Vikram eines Tages routinemäßigen Papierkram in Syrien erledigen soll, wird er von Schergen des ISIS-Terroristen Abu Jalal Gaza [ Jameel Khoury ] entführt. Ronnie reist sofort hinterher.

Ein dramatischer Tod gleich zu Beginn, vielleicht auch derer zwei, in grundsätzlich verschiedenen Gegenden und auch 15 Jahre voneinander getrennt. Eine Prophezeiung und eine Rückblende stellen den Rahmen hier und das Gerüst, die Verbindung von Vergangenheit zur Gegenwart und die Basis einer Narration und Dramaturgie, die aus dem speziellen Land kommend oftmals in einer Überzeichnung der Emotionalität, sowohl der positiven Ebene als auch der negativen dieser einhergeht. Ein Pathos, das diesen eher abschätzigen Ruf hier vollends verdient und ein zuweilen mehr als merkwürdiges Gesellschaftsbild – im Vorgänger und auch in anderen zeitnahen Werken schien Polizeigewalt wie auch die Folter in Gefangenenschaft nicht nur gang und gäbe zu sein, sondern auch dem Zweck geheiligt, während hier zu Beginn der (liebende) Vater, ebenfalls auch Polizist, seinen Sohn mit Schlägen die 'gute' Erziehung beibringt und ihn so erst zu einem 'rechtschaffenen' Manne formt – zeichnet und für westliche Augen und Ohren eher Fragezeichen bis Abscheu auslöst.

Dass die Filmemacher dahinter die visuelle Sprache, die sie verwenden, schon auch verstehen und mit Absicht einsetzen, um gewisse Szenen extra hervorzuheben, keinen Anspruch auf Realität setzen und die Werte auf andere Dinge wie möglichst vielfältige Unterhaltung mit ebenso breiten Publikum legen, wird in der ersten Konfrontation in einem Kinosaal bzw. dem Vorraum dessen, der Lobby noch sowohl verbal als auch formell dagelegt. "Films are miles away from reality.(...)For example, the hero's entry. I mean when he enters,...why does he come in slow motion. And one guy beats up a dozen guys single-handedly. Does any of it even make sense?", worauf natürlich genau das und auch genauso absurd heroisch passiert. Eine erste Actionszene, die im Grunde genau wie das Aufmischen eines ganzen Polizeireviers in Baaghi 2 seitens des Hauptdarstellers und nahezu 1:1 mit den gleichen Einstellungen, zusätzlich auch noch als Referenz also inszeniert und so trotz einiger spektakulärer Bewegungen genauso wenig relevant oder gar beeindruckend, da in einer anderen Sphäre schwebend ist. Auch Darsteller aus dem Vorgänger spielen hier mit, teils in anderen Rollen, teils aber in gleicher Funktion und mit dem gleichen Rang und Namen besetzt, ein anything goes demnach, welches sich eine fiktive Welt mal teil und mal nicht.

Der Bösewicht wird übrigens auch in Slowmotion vorgestellt und übertrifft dann auch alles, was selbst in Agra (mit dem Auto überfahrene kleine Mädchen, wenn der Polizistenvater nicht beide Augen angesichts der Kriminalität zudrückt; oder offen vor dem Revier angezündete Menschen, ohne Einschreiten der Gesetzeshüter) los ist; wird mit dem Schauplatz Syrien und dem dortigen Terrorregime ein neues Kapitel der Grausamkeit und eine neue Form des Unwohlseins, der Ausdruck eines perfiden und alle Hebel in Gang setzenden filmischen 'Unterhaltungs'monstrums mit explodierenden Statuen, Hubschraubern, Fabriken sowie weiteren völlig absurden, da leider auch regelmäßig heillos übertriebenen oder schlecht im Effekt konstruierten Actionszenen eröffnet. Der Aufwand ist deutlich da und der Film funktioniert in seiner reinen bisweilen imposanten Kinetik auch wesentlich besser als den 'dramaturgischen' oder 'komödiantischen' Szenen, der Ton bleibt aber vollkommen daneben und die Sympathien längst verspielt.

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