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Was der Tausch eines Filmplakates zwecks Promotion doch für Kreise ziehen kann.
Ursprünglich sieht man ausgelassene Mädchen auf einer Straße, was aufgrund der Farbgebung auf ein Jugendabenteuer schließen ließe. Bei einem populären Streaming-Dienst änderte man das Plakat, welches knapp bekleidete Mädchen in anzüglichen Posen zeigt.
Der Aufschrei der Empörung ließ natürlich nicht lange auf sich warten, - war diese Aktion nur saudumm und unüberlegt oder eine knallhart kalkulierte Provokation?

Erst seit kurzem lebt die elfjährige, aus dem Senegal stammende Amy (Fathia Youssouf) mit ihrer Mutter und den beiden jüngeren Geschwistern in einem Vorort von Paris. Als sie die gleichaltrige Angelica (Médina El Aidi Azouni) kennen lernt, die Teil einer Tanzgruppe ist, wird Amys Begeisterung geweckt. Doch der Ehrgeiz, beim anstehenden Tanzwettbewerb die Konkurrenz zu übertrumpfen, treibt Amys Enthusiasmus in ungeahnte Höhen…

Das Drama der aus dem Senegal stammenden Regisseurin Maïmouna Doucouré stellt zugleich ihr Debüt dar und befasst sich mit dem Blick auf zwei unterschiedliche Systeme, die sich in ihrer Konsequenz gar nicht so unähnlich sind. Da gibt es zum einen die Wurzeln der senegalesischen Familie, in der Frauen Verschleierung, Unterdrückung und die Mehrehe des Mannes erdulden müssen, wobei letzteres recht deutlich anhand von Amys Mutter veranschaulicht wird. Zum anderen das, was Amy zunächst im Hinterhof, später per Internetclips aufschnappt: Musikvideos, in denen leicht bekleidete Frauen tanzen, sich räkeln oder twerken.
Beides wirft kein gutes Licht auf die Frauenwelt und degradiert sie quasi zu Objekten.

Dadurch entsteht ein gewisser Zwiespalt, denn Amy will aus ihrer Kultur, der sie nur sporadisch beiwohnt ausbrechen, weil sie diese größtenteils noch nicht verstehen kann. Gleichermaßen begreifen sie und ihre Freundinnen nicht, was sie mit ihrer Form des Tanzes verkörpern, wie die Reaktion zweier Clubbetreiber verdeutlicht. Der eine schaut der Gruppe nach und meint „bis hoffentlich bald“, während ihn der andere entsetzt ansieht und entgegnet „echt jetzt?!?“.

Doucouré hebt zuweilen sensibel hervor, dass es sich bei den jungen Heranwachsenden um Kinder handelt, die trotz einstudierter Moves zu unbeholfenen und naiven Reaktionen neigen, wie etwa nach dem unbedarften Hantieren mit einem Kondom oder dem Glätten der Haare per Bügeleisen, was mitunter zu kleinen Aufheiterungen führt. Was indes ein wenig zu kurz kommt, ist das direkte Aufeinanderprallen der Kulturen, da die Reaktionen von Mutter und Tante eher vage bleiben und sich die Interaktionen auf ein Minimum beschränken. Folgerichtig ist Amy in ihrer Findungsphase irgendwann hin und her gerissen, wonach ein angedeuteter Mittelweg nicht die schlechteste Lösung parat halten würde.

Kinder haben schon immer versucht, die Welt der Erwachsenen zu imitieren, sich Helden auserkoren und daraus ein Stück Freiheit gebastelt, um dem zu entgehen, was sie für spießig halten. „Mignonnes“ hat sich zwei Extreme herausgesucht, die zwangsläufig aufeinanderprallen, obgleich hier der große Knall ausbleibt. Mithilfe authentisch aufspielender Jungmimen überzeugen vor allem die ruhigen Momente, das innerfamiliäre Konfliktpotential hätte jedoch etwas deutlicher in den Fokus gerückt werden können.
6 von 10

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