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Die Craig-Ära: Ein schwieriges Kapitel

Mit dem letzten Craig-Bond steht es nun fest: Diese fünf Teile werden rückblickend ein Fremdkörper innerhalb der langlebigsten Filmserie bleiben.

Ich hatte seit „Ein Quantum Trost" wachsende Probleme mit dem Darsteller und den Wegen, die das Produktionsteam beschritt, da man zunehmend die für das Franchise typische Leichtigkeit verließ und sich in langanhaltende Dramen rund um die Hauptfigur verstrickte, um noch irgendwie zeitgemäß zu wirken. Nicht nur die zentrale Figur, auch das Franchise selbst schienen mehr und mehr ums Überleben zu kämpfen. Offensichtlich wollte man den Mythos James Bond nutzen, um bruchstückhaft ein Bild zu erstellen, das den Fragen nach dem Menschen James Bond Antworten bietet. 


Ich allerdings habe diese Fragen nie gestellt und so blicke ich nun auf das Mosaik, das sich in den letzten fünf Filmen zusammengesetzt hat und frage mich, wie man auf einen solchen Blödsinn kommen kann. Ich verkneife mir hier die Spoiler, allerdings bin ich wirklich baff, dass die im Schwachsinn geborene Idee des Vorgängers, Blofeld zum Bruder James Bonds zu machen, noch weiter getoppt werden kann. Ob der dann in „Kein Zeit zu sterben" verwendete Twist von vorherein klar war oder ob man zeitweilig überlegt hat, Judi Dench wiederauferstehen zu lassen, um sie zu leiblichen Mutter Bonds zu machen - alles scheint möglich. Und so sieht man, auf welchem Niveau die Riege der Drehbuchautor*innen, darunter auch die hoch gehandelte Phoebe Waller-Bridge, unterwegs war. 

In den Craig-Bonds ist eine Grundhaltung des Produktionsteams ganz deutlich zu erkennen: Man hat kein Vertrauen mehr in den bekannten James Bond. Also bricht man mit allen Mitteln den Topos des einzelgängerischen Geheimagenten, der dem ewigen Tanz auf Messers Schneide mit Sarkasmus, Todesverachtung, maximalem Machismo, Leichtlebigkeit, Alkohol und möglichst viel Ablenkung in der Kiste begegnet. James Bond ist heute offensichtlich ein ernster, besorgter aber auch liebevoller Mann, mit dem es das Schicksal und schlecht organisierte dunkle Mächte, auch innerhalb der Verwandtschaft, einfach nicht gut meinen. Dieser Versuch, diese vollkommen überholte und anachronistische Figur zeitgemäßer erscheinen zu lassen, funktioniert für mich nicht und letztlich opfert man so die einzigartige Möglichkeit, vollkommen anachronistische Filme mit großem Budget machen zu können. Eventuell irre ich mich hier auch und ohne diesen großen und ausschweifenden Handlungsbogen wären die letzten Filme weniger erfolgreich gewesen, weil alle in Wirklichkeit nur wissen wollten, wie James Bond so als Privatmensch ist und wie es um seine seelische Beschaffenheit so steht. Aber irgendwie bezweifle ich das.  


Der Abschluss: Schwaches Buch + kompetenter Regisseur = misslungenes Finale 

Neben falschen Entscheidungen im Drehbuch und einer vollkommen überzogenen Laufzeit, die mich teils auf eine harte Geduldsprobe stellte, werden dann viele kleine Reminiszenzen an vergangene Bonds eingestreut, als würde der Film dem Publikum vergewissern wollen, er wisse sehr wohl, was er denn eigentlich ist. Gerade „We have all the Time in the World" kommt zweimal zu Ehren und macht dann im Abspann deutlich, was man eigentlich vermisst: einen klassischen Bondfilm, halt nur in neuem Gewand. Dafür fehlte es aber wohl an Kaltschnäuzigkeit.  

In dem ganzen gefühlsduseligen Drama um James Bond gibt es dabei wirklich gelungene Sequenzen, Setpieces oder Ansätze, die aber nie Teil des Ganzen werden und in anderen Filmen ohne diesen James Bond eventuell besser zur Geltung gekommen wären. Die Verfolgung und der Volleinsatz des DB5 wird beispielsweise durch den emotional verletzten Bond so sehr belastet, dass in dieser Szene alle Leichtigkeit und aller Fanservice verloren gehen.  

Da funktioniert es schon besser, wenn Fukunaga das tut, wofür er sich mit der Ausnahmeserie "True Detective" empfohlen hatte. So gibt es hier eine Actionszene, die mit ihrer Dichte und Nähe zum Geschehen stark an eine Szene aus "True Detective" erinnert, in der Matthew McConaughey sich in nur einer Einstellung 10 Minuten durch eine Schießerei in einem Wohnviertel bewegt. Das fühlt sich jetzt nicht sonderlich passend für James Bond an. Wenn man aber neue Wege gehen will, dann eben so, dass die Szenen in sich gut funktionieren.  

Auch die Sequenz auf Kuba mit Ana de Armas funktioniert schon wesentlich besser als weite Teile des Films und findet einen leichtfüßigen Tonfall frei von der ansonsten allgegenwärtigen Depression, so dass man schon fast ein wenig aufatmet und sich an klassische Bond-Abenteuer erinnert fühlt. Aber das ist in "Keine Zeit zu sterben" nur ein kurzes Intermezzo.

Und gerade im Vergleich beider letztgenannten Szenen fällt auf, das die Autoren wohl mit sehr unterschiedlichen Ansätzen an das Drehbuch gegangen sind und der Film eins um andere Mal ins Stolpern gerät. Auffällig ist, wie sehr man sich in manchen Dingen von öffentlichen Debatten um die Zukunft der Serie lenken ließen. Der im Vorfeld angesichts des nahenden Ausstiegs Craigs viel diskutierten Umbesetzung der Hauptfigur setzten sie gewissermaßen einen Kommentar entgegen, wenn diese Umbesetzung hier bereits stattgefunden hat. Die Idee hätte interessante Möglichkeiten geboten, scheitert aber an der undankbaren Rolle für Lashana Lynch, der im Drehbuch kein besonderer Ideenreichtum zugestanden wird, der seit jeher letztlich das wesentliche Merkmal von 007 gewesen ist. Eine toughe Fußsoldatin macht eben noch keine Geheimagentin und so schießt sie sich allein von Bonds Gnaden durch den Film, ohne so etwas wie ein ernsthaftes Angebot an die gefährdete Welt und das Publikum zu sein. Diese Figur wurde schlicht nicht gut geschrieben und die neue 007 singt still und leise Carly Simons "Nobody does it better", beziehungsweise hat sie dessen Aussage ganz tief verinnerlicht. 

Den weiteren Irrungen des Drehbuchs folgend gelangen wir später im Film zu einer letzten Konfrontation zwischen Bond und Christoph Waltz‘ Blofeld, die ganz im Sinne des Vorgängers das Potential dieser ebenfalls kinomythologisch übergroßen Figur verheizt. 

Und das nur um Platz zu machen für Rami Malek, der ganz klassisch mal wieder die Weltbevölkerung ausrotten möchte. Aber warum? Na klar: Familiendrama. Das muss dann als Erklärung aber auch reichen. Die optische Anlehnung an Dr. No und seine Bösewichtinsel gehen dann leider in Bonds eigenem Familiendrama unter und auch hier werden stimmungsvolle Sequenzen dem aus Schwachsinn gewebten roten Faden geopfert. Die Familientherapie ist dann letztlich für alle Beteiligten gescheitert. 

Mir fiel schon zu "Spectre" der Begriff "Seifenoper" ein und auch hier scheint man sich an solchen Formaten orientiert zu haben. Dafür schickt "Keine Zeit zu sterben" die ungeschickt installierte Superorganisation aus dem Vorgänger wieder direkt zur Hölle, womit "Spectre" nun noch holpriger wirkt als er es ohnehin schon tat.  


Zu viele Köche verderben den Brei 

Tatsächlich muss ich für mich feststellen, dass ich hier ähnlich negativ empfinde wie bei "Die letzten Jedi", denn beiden Filmen fehlt es an inhaltlicher Kohärenz und sowohl der letzten Star-Wars-Trilogie als auch dem Craig-Zyklus muss attestiert werden, dass es nicht funktioniert, sich von Teil zu Teil zu hangeln ohne eine leitende Idee zu haben, dann aber alles unter einen Hut bringen zu wollen. Bei Star Wars war es einfach eine falsche Entscheidung, aus der recht klaren Erzählung um die Skywalker-Sippe ausbrechen zu wollen. Bei James Bond war es ein Fehler, eine durchgehende Erzählung statt der sich immer wiederholenden abgeschlossenen Geschichten installieren zu wollen. Letztlich hat man doch bei jedem Teil der Serie die Möglichkeit und Freiheit, Dinge zu ändern oder auszuprobieren. Dessen hat man sich in den letzten fünf Filmen beraubt. 

Der hier erzählte Schluss für das Ganze macht dann ganz klar, dass man willens war, sich ohne jede Hemmung der zuletzt eigens geschaffenen Schwülstigkeit hinzugeben und mit mit großer Melancholie zu enden. Wenn dann eben im Anschluss "We have all the Time in The World" im Original läuft, merke ich nur, dass mich die Erinnerung an "Im Geheimdienst ihrer Majestät" wesentlich sentimentaler werden lässt als dieser letzte Bondfilm. Über den schüttel ich, nicht zuletzt wegen unfassbar platter Dialoge, verwundert den Kopf anstatt davon gerührt zu sein.   


Fazit  

Man kann „Keine Zeit zu sterben" als letzten Teil einer Serie innerhalb der Serie sehen, die erstmalig einen großen Handlungsbogen zeichnet, der aber von inhaltlichen Fehlentscheidungen nur so strotzt. Für sich genommen ist der Film zu lang, zu ernst und zu verkrampft. Immerhin hat sich das Franchise in der Craig-Ära somit konsequent in eine Richtung entwickelt, auch wenn diese einfach die falsche Richtung war. Und eben dafür ist der Film in sich dann überraschende inkonsequent und wegen seiner offensichtlichen Mängel wohl ein Serienbeitrag, den man zukünftig lieber überspringt. Am Ende gibt es dann die maximale Exit-Strategie und dennoch heißt es wieder: James Bond will return. In seiner allerletzten Sekunde begibt sich der Film so auf eine vollkommen losgelöste Metaebene und verlässt sich dann auf die ganz eigenen Naturgesetze des Blockbuster-Kinos, die heutzutage einfach alles ermöglichen. Sequel, Prequel, Reboot...  

Wenn es nach mir ginge, könnte man es jetzt aber auch dabei belassen.   


Bewertung 

Ich kann vier Punkte vergeben, denn die Musik vom mittlerweile langweiligen Routinier Hans Zimmer ist hier mit den Zitaten durchaus stimmungsvoll und gelungen, der Auftritt von Ana de Armas ist wirklich unterhaltsam und bis auf die miesen CGI-Augenhöhlen der Einäugigen und holprig animierte Autocrashs im Wald ist der Film technisch gediegen. Und das für läppische 250 Millionen Dollar. Gute Ideen sind eben unbezahlbar.  


Perspektiven 

Wenn man mit der Serie eigentlich schon lange auf der Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal ist, dann wäre mein Vorschlag für die Zukunft, sich abgrenzende Leitlinien aufzulerlegen. Der konsequente Verzicht auf CGI mehr noch als bei der Mission-Impossible-Reihe, der Verzicht auf bereits bekannte Darsteller mit stattdessen sehr sorgfältigem Casting, um Neuigkeitsaspekte zu betonen, eine klare Begrenzung des Budgets, da eine Konkurrenz mit Disney und seinen Marken Marvel oder Star Wars irgendwann dazu führt, dass sich das Franchise aufreibt. .    

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