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„Mit der Tatverdächtigen trinken – du bist doch bescheuert!“

Regisseur Jan Bonny („Wintermärchen“) inszenierten mit dem fünften Fall des Freiburger Ermittlungsduos Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) nach einem Drehbuch Jan Eichbergs einen weiteren Karnevals-„Tatort“: „Ich hab im Traum geweinet“. Bonnys nach „Borowski und das Fest des Nordens“ zweiter „Tatort“ wurde saisongerecht am 23.02.2020 erstausgestrahlt, gedreht jedoch wurde er bereits ein Jahr zuvor.

„Du bist so eine blöde Kuh!“ – „Ich hasse dich!“

In Freiburg feiert man „Fasnet“, was so viel wie Fasching bedeutet. Die Kommissare Franziska Tobler und Friedemann Berg lassen es ebenfalls krachen, betrinken sich und haben, obwohl Tobler anderweitig liiert ist, Sex miteinander. Am nächsten Morgen jedoch will ein Mordfall aufgeklärt werden: Der Karlsruher Richter Philipp Kiehl (Andreas Döhler, „Die Stunde des Wolfes“) wird totgeschlagen in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Tags zuvor hatte er noch seine Frau Elena (Bibiana Beglau, „1000 Arten Regen zu beschreiben“) zu ihrer Gesichtsstraffung bei einem plastischen Chirurgen begleitet. Tatverdächtig sind die Krankenschwester und Prostituierte Romy Schindler (Darja Mahotkin, „Dogs of Berlin“), die lediglich halbherzig versucht, ihre Tätigkeit als käufliche Dame hinter sich zu lassen und mit ihrem ehemaligen Kunden Kiehl kurz vor dessen Tod erneut Sex hatte, sowie ihr Lebensgefährte David Hans (Andrei Viorel Tacu, „Jagdzeit“), der naturgemäß Techtelmechtel und Fremdgeherei seiner Freundin argwöhnisch beäugt. Und dann ist da auch noch Burk Giebenhain (Ronald Kukulies, „Als wir träumten“), ein weiterer ehemaliger Kunde Romys, der davon überzeugt ist, der leibliche Vater ihres Kindes zu sein…

Zu sehen bekommt das Publikum zunächst einmal heftige Gewalt gegen Romy, die zuvor bereits von Kostümierten auf der Straße belästigt worden war (deren Aufdringlichkeit wird sich wie ein unlustiger Running Gag durch den weiteren Verlauf ziehen). Es wird nicht die einzige Gewaltattacke gegen die junge Frau bleiben, was sie jedoch nicht daran hindert, sich immer wieder mit gewalttätigen Männern einzulassen. Dass sie gar nicht anders könne, da man sie mit dem Wissen um ihre „Vergangenheit“ als Prostituierte erpresst, erscheint als vorgeschobener Grund – in Wirklichkeit wirkt Romy nymphoman. Ob diese Wirkung beabsichtigt oder lediglich Bonnys Inszenierung geschuldet ist, ist fraglich, denn fast alle Figuren des Ensembles inkl. der Polizei verhalten sich ausgesprochen dämlich, neigen zu Über- oder auch Unterreaktionen, erscheinen verhaltensgestört und neurotisch – bis auf Toblers Freund, der das einzig Richtige tut und auszieht (nicht sich, sondern aus der gemeinsamen Wohnung).

Letzteres zu betonen ist keinesfalls ausschließlich einem albernen Wortspiel geschuldet, sondern dem hohen Anteil an Sexszenen dieses „Tatorts“, die meist reichlich unmotiviert erscheinen, bisweilen jedoch zumindest für einen gewissen Erotikfaktor sorgen (Szenen mit Romy, die es mit allem und jedem treibt), bisweilen aber auch nicht (Szenen mit Tobler und Berg, die es miteinander treiben). Die Provokation des prüden und konservativen Anteils der Zuschauerschaft dürfte damit nichtsdestotrotz gelungen sein, die des nach einer nachvollziehbaren, plausiblen Handlung verlangenden jedoch ebenfalls: Nach einer langen Exposition, aus der kaum erkennbar wird, worum es überhaupt geht und die das Schäferstündchen der Kommissare miteinander wie einen Triumph hochhält, kommt es nicht nur zum Leichenfund und zum wenig erwachsenen oder empathischen Umgang Toblers und Bergs miteinander, sondern auch zur Entfaltung einer an den Haaren herbeigezogenen Handlung.

Diese Handlung taugt weder als Psychogramm einer Nymphomanin noch als Sozialdrama um eine Ex-Hure oder als Sittenbild einer beziehungsunfähigen Gesellschaft und schon gar nicht als Kriminalfilm. Sämtliche Aspekte werden nur unzureichend angerissen und gehen zwischen Party- und Suffszenen unter, für die die Karnevalsfeierlichkeiten als Begründung und Alibi herhalten müssen, jedoch komplett abtörnend und in ihrer Frequenz repetitiv, ermüdend und unglaubwürdig sind. Eine Identifikationsfigur gibt es nicht, nicht einmal Sympathieträger(innen), aber eben auch überhaupt nichts, an das sich irgendwie emotional andocken ließe. Die dramaturgisch hoffnungslos missglückte Auflösung funktioniert weder als Pointe noch als Überraschung, Bestätigung oder sonst irgendetwas und wird ebenso beiläufig zur Kenntnis genommen wie alles andere, so man denn bis dorthin durchgehalten hat. Die nervig tatterige Handkamera, der miese, schwerverständliche Ton und die von Filmmusikkomponist Jens Thomas höchstselbst gesungene, titelgebende Heinrich-Heine-Nummer „Ich hab im Traum geweinet“, die melancholisch und romantisch klingen soll, jedoch einfach nur prätentiös und schräg tönt, geben diesem „Tatort“ den Rest.

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