iHaveCNit: Niemals Selten Manchmal Immer (2020)
02.10.2020
Kommen wir zu einem kleinen Highlight im Filmjahr 2020. Wie in nahezu jedem Filmjahr gibt es für mich Filme aus dem Independent-Bereich, die echte Indy-Perlen sind und da gesellt sich Eliza Hittmans „Never Rarely Sometimes Always“ natürlich auch dazu. Das Drama mit seinem brisanten Thema gehört auch meiner Meinung nach zu einem der wichtigsten Filme des Jahres.
Autumn ist 17, lebt in Pennsylvania, geht noch zur Schule und arbeitet mit ihrer Cousine Skyler an der Kasse eines Supermarkts. Als sie feststellt, schwanger zu sein, steht für sie fest, dass sie noch nicht dazu bereit ist. Da es für sie in ihrem Alter jedoch in Pennsylvania nicht möglich ist, eine selbstbestimmte Abtreibung durchführen zu lassen und auch die Unterstützung der eigenen Eltern nicht gegeben ist, kratzen sie und Skyler etwas Geld zusammen und nehmen den beschwerlichen Weg nach New York auf um dort eine Abtreibungsklinik aufzusuchen.
„Niemals Selten Manchmal Immer“ ist ein wundervoll erzählter und inszenierter Film. Eine interessante Auswahl erst einmal optisch den Film auf 16 mm zu filmen und sich bewusst vermutlich für eine leicht entsättigte Farbpalette zu entscheiden, die den Film etwas grauer und trister und vielleicht auch echter wirken lässt. Dabei bleibt die Kamera immer sehr dicht an seiner Hauptprotagonistin oder hat sie immer größtenteils im Fokus. Selbst wenn Sidney Flanigan als auch Talia Ryder noch Newcomerinnen sind, so schaffen sie es perfekt in ihre Rollen einzutauchen und ihnen das Leben einzuhauchen. Während Talia Ryder als empathische, hilfsbereite und aufopfernde Cousine und beste Freundin Skyler schon aufgrund ihrer Rolle ein relativ leichtes Spiel hat, ist es vor allem das Schauspiel von Flanigan, das einem gerade weil es sich so empathisch, echt und aufgrund der noch geringen Erfahrung so roh, unverbraucht und natürlich anfühlt. Der Zusammenhalt beider Mädchen ist großartig. Der Mut und die Kraft allen Herausforderungen zum Trotz eine Abtreibung durchzuführen zu lassen ist natürlich eine „Tour De Force“, die ihresgleichen sucht. Auch wenn ich ein Kerl bin, kann ich mich ein wenig mit der jungen Dame identifizieren, weil mir genau wie ihr in jungen Jahren elterliche Stützen gefehlt haben und ich selbst weitestgehend viele wichtige Entscheidungen auch alleine für mich selbst treffen musste, weil mir die Stütze vor allem väterlicherseits gefehlt hat. Ich habe mal in einer Kritik zum Film gehört, dass dem Film durchaus der Stempel „Männerhass“ aufgedrückt worden ist. Als jemand, der sich durchaus sowohl frauen- als auch männerrechtlich interessiert und sich in der Mitte beider Lager sieht, kann diesen Stempel nicht bestätigen. Klar gibt es den ein oder anderen Moment im Film, indem klares Fehlverhalten von Männern gegenüber Frauen präsentiert wird, aber ich sehe es nicht so, dass dieses Verhalten dämonisiert, verurteilt und stigmatisiert wird. Viel stärker ist hier eine Schlüsselszene, in der auch der Name des Films begründet wird, wenn Autumn komplett im Fokus ist, während ihr intime Fragen gestellt werden, bei der ihr durchaus erst bewusst wird, welche Erfahrungen sie bereits gemacht hat. Diese Emotionen fühlen sich echt an und mit ihnen wird auch mit absoluter Empathie umgegangen. Allgemein ist der Film unglaublich empathisch, ungeschönt und authentisch und er kommt ohne jegliche Überspitzung und Stigmatisierung aus. Aber er liefert den für viele junge Frauen aktuellen Status Quo wenn es um Abtreibungen geht und mit welchen regionalen und rechtlichen Hürden junge Frauen zu kämpfen haben – und auch mit welchen durchaus subtilen oder auch weniger subtilen Manipulationstechniken junge Frauen dann doch von ihrem Vorhaben abgebracht werden sollen. Ich persönlich bin auch Befürworter von Abtreibungen, sollte die Frau sich nicht in der Lage sehen, für das Kind zu sorgen und auch wenn gesundheitliche Risiken sowohl für Mutter als auch Kind bestehen. Es gibt durchaus auch noch ein paar polarisierende Gründe aus männerrechtlicher Sicht, bei denen ich auch für eine Abtreibung bin, aber das ist nicht Thema des Films.
„Niemals Selten Manchmal Immer“ - My First Look – 10/10 Punkte.