iHaveCNit: Falling (2021) – Viggo Mortensen
Deutscher Kinostart: 12.08.2021
gesehen am 11.08.2021 in OmU im Rahmen der Spotlight – Arthouse-Sneak der Arthouse Kinos Frankfurt
Arthouse Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 6, Sitz 14 – 21:00 Uhr
gesehen am 13.08.2021 in der deutschen Fassung
Arthouse Kinos Frankfurt – Cinema Petit – Reihe 4, Sitz 1 – 20:45 Uhr
Auch ein Film, der bedingt durch die Pandemie immer verschoben werden musste war Viggo Mortensens Regiedebüt „Falling“. Hier wollte ich mir etwas Zeit lassen mit der Kritik, denn ich habe diesen Film in der Erstsichtung in Originalfassung mit Untertiteln als Überraschungsfilm in der Arthouse-Sneak gesehen, doch war mir klar, dass ich diesen trotzdem als regulären Kinostart auch in der deutschen Fassung bereits geplant – und nun auch zweimal gesehen habe.
John Petersen fliegt mit seinem Vater Willis vom verschneiten Chicago nach Kalifornien für eine schwierige Entscheidung. Für den zunehmend immer stärker an Demenz erkrankten Willis möchte er sich Wohnungen ansehen, damit die Pflege besser organisiert werden kann. Doch das gestaltet sich nicht nur durch Willis Demenz relativ schwierig. Der erzkonservative, traditionalistische und stark patriarchalische Egoist macht keinen Hehl daraus, den modernen Lebensstil seines Sohnes und dessen Homosexualität zu verachten, so dass es nicht lange dauert, bis es zu unausweichlichen Konflikten kommt, die irgendwann eine Entscheidung fordern.
„Falling“ habe ich als sehr feinfühligen und zugleich emotional und moralisch herausfordernden Film empfunden. Gerade der zentrale Vater-Sohn-Konflikt, der hier von Viggo Mortensen geschrieben und inszeniert worden ist, ist in seiner Grundkonstellation sehr gut herausgearbeitet worden. Natürlich werden hier die Extreme herausgefordert, indem wir es mit einem erzkonservativen, traditionalistisch geprägten Egoisten, der nach aktuellem Maßstab in höchstem Maß politisch inkorrekt ist und einem homosexuellen Sohn mit modernem Lebensstil zu tun haben. Dieser Grundkonflikt wird auch noch dadurch sehr ambivalent erschwert durch die demenzielle Erkrankung von Willis, so dass wir als Zuschauer mit vielen Spannungsfeldern konfrontiert werden.
Gerade die ganzen, ausufernden Tiraden von Willis, der hier extrem gut von Lance Henriksen verkörpert wird, sorgen natürlich für eine emotional herausfordernde Situation bei den Zuschauern. Man möchte lachen, aber dieses Lachen kann einem im Halse stecken bleiben. Der geistige Verfall von Willis sorgt auch dafür, dass Erinnerungen verschwimmen und durcheinander geworfen werden. Während es dem Umfeld von Viggo Mortensens gespieltem John immer schwerer fällt mit der Situation umzugehen – darunter auch sein von Terry Chen gespielter Ehemann Eric, bewegt sich John in einem Spannungsfeld zwischen Verachtung und Mitgefühl trotz vieler traumatischer Erfahrungen der Vergangenheit. Die hier gebotenen Nuancen sind großartig gespielt – nicht nur vom Duo Henriksen und Mortensen, sondern auch vom gesamten Ensemble. In die Rahmenhandlung selbst werden immer wieder Rückblenden eingewoben, die den Blick auf viele Ereignisse der Familie in der Vergangenheit wirft – und hier wird klar, was für ein Egoist Willis bereits damals gewesen ist – großartig verachtenswert von Sverrir Gudnasson gespielt. Neben Rückblenden werden auch mal assoziative Traumsequenzen eingewoben, die durchaus auch mal befremdlich wirken können. Großartig ist auch, dass Viggo Mortensen die Musik zum Film komponiert und dafür am Piano gesessen hat. Aber ich kann mir vorstellen, dass der Film durchaus auch problematisch aufgenommen werden kann, da sich Viggo Mortensen getraut hat, ein sehr heißes Eisen anzufassen, wenn wir es hier mit Sexismus, Rassismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit zu tun haben. Wer von Äußerungen dieser Art entsprechend getriggert wird und damit nicht klar kommt, wird ein Problem mit „Falling“ haben. Bei mir war das nicht so. Mir hat das feinfühlige Vater-Sohn-Drama sehr gut gefallen.
„Falling“ - My Second Look – 9/10 Punkte.