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Das Leben ist spannender als jeder Film.

Diese Aussage geht den meisten gemeinhin leichtfertig über die Lippen. Was passiert denn, wenn das „Leben“ und der „Film“ zusammentreffen? Herauskommen müsste etwas Großartiges, Erstaunliches und Einzigartiges... Wer jetzt laut „Milchmädchenrechnung“ ruft, hat bei vielen Filmen recht, die versuchen nach diesem Rezept spannendes Kino zu erschaffen. Im Falle von „Zivilprozess“ aus dem Jahre 1999 allerdings nicht. Hier geht die Rezeptur nur zu gut auf. Dies liegt zum Einen an dem Fall, der hier zugrundeliegt. Die Vergiftung von Grundwasser und die juristischen Klimmzüge, die sich daraus entwickeln sind interessant genug, um einen zweistündigen Film zu füllen und, vor allem: Sie entspricht in vielen Punkten nicht den gemeinhin bekannten Klischees. Kein Happy End im typischen Hollywood-Sinne, keine strahlenden Helden, die sich im Gerichtsaal zu neuen und unbekannten Höhen der Gerechtigkeit aufschwingen und auch keine hollywoodtypische Schwarz-Weiß-Charakterzeichnung. So entspinnt sich aus dem realen Fall ein Drehbuch, das zu fesseln vermag, obwohl das fertige Resultat durchaus dialoglastig daherkommt.

Dass dies in „Zivilprozess“ so gut ineinandergreift liegt neben der fesselnden und dabei wahren Geschichte an einem Schauspielensemble, das an Qualität und Breite das Seine sucht. John Travolta liefert mit seiner Darstellung des Anwaltes Jan Schlichtmann eine seiner besten Leistungen ab. An seiner Figur ist das wunderbar differenzierte Drehbuch am besten erkennbar. Obwohl Schlichtmann ganz sicher die Figur ist, die den Film trägt, ist sie nicht der ambitionierte Verteidiger der Armen und Unschuldigen, wie man sie aus unzähligen Grishambüchern und –verfilmungen kennt. Auch ein mehrfach durchgekauter Wandel von Unsympath zum geläuterten Menschen findet nicht statt. Stattdessen bildet Travolta einen Anwalt ab, der sowohl am Anfang, als auch am Ende des Filmes gute als auch schlechte Seiten vereinigt. Obwohl ein guter Anwalt, ist die Triebfeder Schlichtmanns (realistischerweise) das Geld und der mögliche Gewinn. Daher beginnt der Film passenderweise mit der „Arithmetik des Todes“. In dieser erklärt Travolta dem Zuschauer, welche Menschenleben aus juristischer Sicht am meisten wert sind. Schon da ist der aufgeschlossene Zuschauer im Banne des Filmes, denn er klärt den Zuschauer über eine faszinierende, wie übelriechende Facette des Rechtslebens auf. Travolta erschafft so eine Figur, die zwar sympathisch ist, aber auch dem Gesetz des Geldes folgt. So will sein Schlichtmann den Fall auch zunächst wegen mangelnden Erfolgsaussichten nicht annehmen. Später hat er sich zwar in den Fall verbissen, zeigt aber Züge von Stolz und Eigensinn, die sein Schicksal und das der anderen Beteiligten massiv beeinflussen sollen. Auch seine Kanzleikollegen sind mit Tony Shalhoub („Monk“) und William H. Macy enorm hochkarätig besetzt. Obwohl nur in Nebenrollen, vollenden Sie dieses wohlschmeckende Gericht (sic!) und machen es zu einem außergewöhnlichen. Gerade Macy spielt herausragend. Wenn der Fall voranschreitet und die Ressourcen der kleinen Kanzlei zur Neige gehen, ist es Macy, der die seelische Verfassung der Anwälte darstellt. Die Verzweiflung wächst und wird immer größer. Macy stellt dies auf seine unnachahmliche Art und Weise enorm beeindruckend dar und sorgt beim Betrachter ein fürs andere Mal für ein Schmunzeln, z.B. wenn er anfängt vom letzten Geld Lotterielose zu kaufen. Hervorzuheben ist zudem Robert Duvall, der den gegnerischen Anwalt Facher wunderbar kauzig spielt. Seine Figur ist enorm gerissen, und nutzt es aus, dass sie von den meisten anderen Anwälten unterschätzt wird. Duvall füllt diesen Part wunderbar mit Leben. Die Szenen zwischen Travolta und Duvall knistern vor Chemie und Spannung. Wie schon Eingangs erwähnt, ist „Zivilprozess“ ein dialoglastiger Film, der dennoch zu fesseln weiß. Die beschriebene Chemie ist maßgeblich für das Ergebnis mitverantwortlich. Auch die weitere Besetzung ist dabei mehr als hochkarätig und würde allein schon so manchen Film füllen: John Lithgow, Kathleen Quinlan, James Gandolfini, Stephen Fry und Dan Hedaya.

Zaillian nimmt sich aufgrund der Stardichte angenehm zurück, erzeugt aber immer stimmige Einstellungen. Diese effiziente wie zurückhaltende Art der Regie bemerkt man zum Beispiel am Ende, als Travolta als mittlerweile mittelloser Anwalt seinen Monolog hält, während der Zuschauer zusieht, wie die riesige Aktenmenge, die für den Fall erzeugt wurde, eingelagert wird. Nebenbei funktioniert diese Szene auf mehreren Ebenen, versorgt den Zuschauer mit den nötigen Informationen, ohne zu langweilen und erzeugt dabei die richtige Atmosphäre für diesen Moment des Filmes. Dazu passt der schöne, aber für Danny Elfman ungemein zurückhaltende Score, der sich Elfman-untypisch nicht in absurde Höhen schraubt, sondern das Geschehen dezent untermalt und die perfekte Stimmung auf die Leinwand zaubert. Betrachtet man all diese Facetten, ist „Zivilprozess“ eine perfekte Teamarbeit von vielen begnadeten Einzelkönnern, die sich gegenseitig respektieren und sich auch nicht die Show stehlen.

Alles in allem ist „Zivilprozess“ ganz großes Kino. Nicht im Sinne von bombastischen Spezialeffekten oder einer reißerischen Story. Vielmehr gelingt Zaillian ein Abbild des Lebens auf der Leinwand und schafft das Kunststück dieses packend und mit viel Liebe zu inszenieren. Viele wahre Elemente der Juristerei, vor allem in den USA werden dabei mit spielerischer Leichtigkeit beleuchtet. Letztlich regiert das Geld, wie in so vielen Bereichen im Leben. Der Konzern, mit viel Kriegskasse ausgerüstet, zieht Prozesse einfach in die Länge, bis der gegnerischen Partei das Geld ausgeht. Dabei ist die Frage nach Gerechtigkeit maximal zweitrangig. Letztlich entspricht das Gezeigte einem Kriegsfilm mit all seinen taktischen Finessen, nur dass der Krieg in diesem Falle an hölzernen Schreibtischen und mit Paragraphen durchgeführt wird. Die Besetzung gleicht der stargespickten Mannschaft des FC Chelsea, nur mit dem Unterschied, dass die Anwesenden bei „Zivilprozess“ mit viel Seele bei der Sache waren. Wer Gerichtsfilmen nicht abgeneigt ist und den typischen Grisham-Sujets überdrüssig ist, der muß mindestens eine Auge riskieren und wird sicher nicht enttäuscht. Dies gilt auch für alle, die es einfach genießen, großartigen Schaupielern bei der Arbeit zuzuschauen!

Fazit:

10 / 10

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