Peter Ustinov (Evil under the Sun, Death on the Nile) und Albert Finney (Murder on the Orientexpress) haben bereits in "großen Produktionen" den Meisterdetektiv Hercule Poirot gespielt. Ustinov spielte ihn sogar in eher unterdurchschnittlichen TV-Produktionen.
Vor allem der gute alte Peter dürfte vielen als der Poirot im Gedächtnis geblieben sein, spielt er ihn doch wesentlich humorvoller als es Finney tat. Dieser legte seine Figur schwarzhumoriger und etwas arroganter und weniger liebenswert an.
Für viele gibt es aber einen anderen Darsteller, der mit dem eierköpfigen Belgier in Verbindung gebracht wird: David Suchet. Denn Suchet verbindet das humorvolle Spiel Ustinovs mit der Arroganz eines Finneys - allerdings mit einem deutlichen Augenzwinkern.
Auch hier haben die Briten ähnlich wie mit Sherlock Holmes, gespielt von Jeremy Brett, eine hervorragende Serie abgeliefert. Die Qualität der Folgen schwankt zwar stark, aber insgesamt spielen sie auf einem soliden bis hohen TV-Film-Niveau. Vor allem die kurzen Folgen (rund 45 Minuten) wissen nicht so ganz zu überzeugen. Denn ihnen fehlt ein sehr wichtiges Element der Hercule-Poirot-Filme, was sich in den Langfolgen deutlich zeigt. Meist hat es Poirot mit großen Familien zu tun und die Dramaturgie der Folge/des Falls ergibt sich aus den verworrenen Verbindungen der einzelnen Familienmitglieder. Alleine dadurch entsteht ein herrliches Katz-und-Maus-Spiel und entsprechend Spannung. In den Kurzfolgen sind deutlich weniger Figuren in die Fälle verwoben, da leidet die Spannung, die sich in den langen Folgen langsam und vor allem ausführlich aufbaut.
Neben den guten Schauspielern, der tollen Ausstattung sowie der guten Drehbücher und der Regie lebt die Serie vor allem dank ihres Hautdarstellers. David Suchet spielt Poirot nicht, er scheint ihn zu leben. Alleine der tippelnde Gang ist eine amüsante Augenweide. Deutlichstes Merkmal (neben dem gewachsten Schnurrbart) ist aber die Aussprache. Mit hoher, fast piepiger Stimme tritt Poirot den Mördern entgegen. Dabei kann er auch sehr harsch und eindringlich auftreten, dies tut er aber eher selten, denn das verbietet ihm die Etikette. Deshalb ist es zu empfeheln, die Serie im englischen Originalton zu schauen. Hinzu kommt nämlich, dass nur wenige Folgen fürs deutsche TV synchronisiert wurden, und die Synchro für die DVD-Auswertung wirkt doch sehr lieblos.
Wunderbar ist auch, die vielen kleinen Macken Poirots von Folge zu Folge zu entdecken. Und als gestandener Monk-Fan fällt einem das auch nicht schwer. Denn es gibt viele Parallelen zu Monk. Eine wunderbare Szene ist, wenn Poirot frühstückt. Hier gibt es nicht nur unzählige Löffel und Teller, die er braucht, um alleine seinen Tee zuzubereiten. Nein: Die beiden gekochten Eier, die er verzehren möchte, sind an der exakt gleichen Stelle "geköpft", absolut symmetrisch, wie es Monk ausdrücken würde. Zwar wechselt Poirot sein Outfit öfter als Monk, dennoch ist er immer perfekt angezogen und ein echter Stilbruch ist auch nicht zu erkennen. Poirot hat neben Captain Hastings eine Sekretärin, die ihm auch außerhalb des Büros zur Seite steht - wieder eine Parallele zu Monk. Auch Poirots Vertrauter bei Scotland Yard, Jepp, trägt einen Schnurrbart und ist ohne den Privatdetektiv ähnlich wie Lt. Stottlemeyer bei Monk aufgeschmissen.
Das nervigste an der Poirot-Serie ist aber Arthur Hastings. Eigentlich bauchpinselt er im Grunde durch sein detektivisches Unvermögen Poirot ununterbrochen. Denn Poirot kann ihm alles erklären und sich entsprechend bewundern lassen. Außer einigen Hilfstätigkeiten, trägt Hastings nichts zum Lösen des Falls und zur Serie überhaupt bei, es sei denn, er verliebt sich. Da treibt einem seine britische Zurückhaltung doch das eine oder andere Schmunzeln ins Gesicht. Das Zusammenspiel von Poirot und Hastings erreicht jedenfalls nicht die humorvolle und intellektuelle Tiefe wie zwischen Jepp und Poirot.
Dass die Serie auch ohne Hastings (vielleicht sogar besser) funktioniert, zeigen die Langfassungen, etwa Tod auf dem Nil. Zwar reicht die Produktion an sich nicht an die mit Peter Ustinov und dem großartigen Schauspielerensemble heran, dennoch hat Tod auf dem Nil eine äußerst düstere Atmosphäre und kann sehr gut unterhalten.
Fazit: Typisch britische (BBC-) Krimiserie, produktionstechnisch und filmisch vergleichbar mit Sherlock Holmes. Hauptdarsteller David Suchet ist brillant in seinem Schauspiel, vor allem in der Originalversion. Die Langfolgen sind deutlich spannender und einfach besser, teilweise auch aufgrund des höheren Budgets. Die Qualität der DVDs schwankt sehr. Einige sind nur in 4:3. Hab mal gelesen, dass teilwiese die TV-Master verwendet wurden. Das scheint mir auch so, denn besonders in dunklen Bereichen erreicht die DVD nur VHS-Niveau. Das Bild der 16:9-Variante hingegen ist gut. Leider bieten die DVDs kaum Extras.
Insgesamt ist die Serie zu empfehlen. Und wer Monk mag, wird auch diesen Poirot mögen. Da die Quali der einzelnen Folgen sehr schwankt, ist es nicht einfach, eine Bewertung abzugeben. Aber ich werde mich vor allem auf den Hauptdarsteller konzentrieren, der verdient eine 10. Die schwachen Folgen eher eine 4.
Also sagen wir mal: 4, ... 5, ... 6, ... 7, ... 8 Punkte.