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„Zeigen Sie mir jemand, der in seinem Geschäft erfolgreich ist. Die Chance, dass er oder sie so denkt wie Michael, liegt bei 90 Prozent. Risiko ist da so notwendig wie Selbstzweck. Am Ende ist Geld besser als Sex!“

Der 21. Fall des Rostocker Ermittlungsduos Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ist zugleich der bereits sechste „Polizeiruf 110“ des Regisseurs Christian von Castelberg, der ein Drehbuch Markus Buschs verfilmte. Gedreht im Frühjahr 2019, erfolgte die Erstausstrahlung erst am 19.01.2020.

„Da ist irgendwas ziemlich schiefgelaufen…“

Bukow wird zu einem angeblichen Einbruch in die Villa des überaus erfolgreichen Rostocker Zeitarbeit-Unternehmers Michael Norden (Tilman Strauss, „Wir waren Könige“) gerufen. Vor Ort scheint es sich um falschen Alarm zu handeln, doch plötzlich taumelt ein blutüberströmter Mann (Patrick Eble) in Bukows Arme und verstirbt auf ihm liegend. Norden nutzt die Situation, um schnell das Weite zu suchen. Bukow & Co. stehen vor einem Puzzle: Wer ist der Tote, wer sein Mörder, was ist das Motiv und wo zur Hölle steckt Norden? Das Puzzle erweist sich als Scherbenhaufen des Lebens des Jungkapitalisten, der sich bei Termingeschäften verzockt hat und von seiner Vergangenheit als Drogenwrack im Subprekariat eingeholt zu werden droht…

Der konsequent düster, trist und problembeladen inszenierte und erzählte Rostock noir zwingt die Polizei zum Abklappern Nordens Bekanntenkreises, woraus sich nach und nach ein Porträt seines Charakters und seines Wirkens ergibt. Die Identität des Toten stellt sich als Nordens Jugendfreund Frank Fischer heraus. Dann sind da noch Nordens ehemaliger Mentor, der Immobilienhai Stefan Larges (Germain Wagner, „Mädchen Mädchen!“), seine Jugendliebe Beate Hövermann (Katharina Behrens, „Die Hände meiner Mutter“) und ihr siebzehnjähriger Sohn Jon (Oskar Belton, „Wendezeit“) sowie Nordens prollige Freundin (Romina Küper, „Jonathan“) und die engsten Mitarbeiter(innen) seines Unternehmens, die jedoch allesamt zunächst auch nichts über dessen Verbleib wissen. Parallel werden die Zuschauerinnen und Zuschauer Zeugen der Flucht und des Untertauchens Nordens, der nun seinerseits unterschiedliche Stationen seiner Vergangenheit abklappert und sich letztlich immer weiter in der sozialen und wirtschaftlichen Abwärtsspirale verfängt.

Nordens Niedergang wird nicht nur durch seine unkontrolliert und verzweifelt wirkenden Wut- und Gewaltausbrüche dokumentiert, sondern auch durch seinen optischen Verfall. Dabei geht es weniger um seinen Körper, wenngleich ihm sein selbstgefälliges Siegeslächeln nachhaltig aus der Visage weicht, sondern vielmehr um die am Körper getragenen Luxusgüter und Statussymbole, die er nach und nach abzulegen gezwungen ist.

Die Vielzahl der eingeführten Figuren bei gleichzeitiger Frage nicht nur nach dem Mörder, sondern auch nach dem Motiv lässt „Söhne Rostocks“ über weite Strecken komplexer erscheinen, als er eigentlich ist, sodass er leider recht verworren wirkt. Die finale Auflösung entschädigt dafür leider nicht, wenngleich alle Figuren tapfer gegen das schwächelnde Drehbuch anspielen und es der Regie gelingt, eine derart lebensfeindliche, unwohlige Atmosphäre und Grundstimmung zu kreieren, dass es einen fröstelt und herunterzieht. Da ist es schade, dass einem sowohl Norden als auch das Mordopfer so gleichgültig bleiben.

Auf der horizontalen Erzählebene wird dieser „Hochmut kommt vor dem Fall“-Fall diesmal nicht mit Beziehungsanbahnungen zwischen Bukow und König angereichert. Stattdessen wird die Episode „Für Janina“ und damit die Beweisfälschung durch König wiederaufgegriffen, denn Guido Wachs (Peter Trabner) hat Kontakt zu König aufgenommen. Dies zerrt an ihren Nerven, weshalb sie arg aufgekratzt und ängstlich den Fall Norden durchstehen muss und mit ihren Gedanken häufig ganz woanders ist. Ähnlich wie Norden scheinen auch sie die Geister der Vergangenheit einzuholen. Diese Geschichte mutet spannender an als der dramaturgisch schwerfällige, eigentliche Fokus dieser Episode und mündet in einem etwas sehr abrupten Cliffhanger.

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