Review

Erst vor der Kamera und dann bald und entscheidend hinter ihr hat das Duo Julia Kent als Autorin und Otto Retzer als Regisseur die bis dato eher als harmlose bis auch mal lärmige Lustspielfabrik der Lisa Film GmbH ab den später Achtzigern und verstärkt vor allem ab 1993 nochmal erneut auf einen etwas anderen Weg, den der Internationalität auch und den des reißerischen Ausschlachtens schon im Titel und der Trash- oder auch Trivialkultur in der Handlung und der Behandlung selber gebracht. Filme wie Der blaue Diamant (1993), Das Paradies am Ende der Berge (1993) oder auch Der schwarze Fluch - Tödliche Leidenschaften wurden oftmals im Ausland gedreht und dort auch distribuiert, wofür die exotische Kulisse half und eine entsprechende Besetzung, welche sich vornämlich aus (ehemaligen) Stars und Sternchen und anderen bekannten Namen mit oftmals zweifelhaften Ruf formatiert:

Nach einem tragischen 'Zwischenfall' in ihrer ursprünglichen Heimat Deutschland, bei der sie ihren Mann David Levinski [ James Brolin ] und ihr ungeborenes Kind verloren hat, ist die Reporterin Jenny Lewinski [ Julia Kent ] nach Südamerika ausgewandert, um dort ihrer beruflichen Tätigkeit weiterzugehen, speziell dem dort grassierenden sogenannten Schwarzen Fluch, der eine Mordserie beschreibt und wo Täter und Motiv unklar sind. Jenny verbündet sich dabei mit dem Kollegen Rick Hudson [ Brent Huff ], und befragt u.a. den Justizminister Thomas Winston [ Wilfried Baasner ], der ihr zwar nicht weiterhelfen kann, wobei sie aber den amtierenden Richter Charles Marlowe [ auch James Brolin ] und dessen Frau Inka Marlowe [ Deborah Shelton ] kennenlernt. Inka ist der Frau gegenüber abgeneigt, Charles nicht.

"Wie wär's denn, wenn du mal etwas anderes schreiben würdest als diese Actiongeschichten? Zum Beispiel über sowas wie ... Gesundheit, oder Kosmetik?"
Anders als zuvor bei Der blaue Diamant etwa ist die Zahl der genannten Stars gleich kleiner und weniger namhaft wirkend; sicherlich, es gibt den Pensacola-Brolin, aber es gibt kein Winnetou, kein Dominic Santini und auch kein Petrocelli, dafür werden teils die Akteure von dort hier wieder hervorgeholt, also Brent Huff und Wilfried Baasner und Julia Kent natürlich, die ja das Skript verfasst hat und damit automatisch fast schon nötig und automatisch gesetzt. Was beim blauen Diamanten allerdings nicht vorkommt und womit dieser nicht wuchern kann, obwohl dort auch allerlei Kabinettstückchen der Film- und Fernsehkunst geboten werden, ist die Introszene hier, der verblasste Hollywoodstar auf der Münchener Kirmes und im Bierzelt, der dort erst ein Maß stemmt und dann eine zünftige Barschlägerei verhindert und die beiden sauf- und raufseligen Rabauken Claude-Oliver Rudolph und Ralf Richter (für den Moment zumindest) schachmatt und außer Gefecht setzt. Alles Weitere ist dann nicht mehr so lustig, geht's dann sofort in die Vollen und wird die FSK 18 und die Jugendgefährdung mit einer brachial-brutalen Home Invasion, einer per Ninjastern ermordeten Hauskatze, einer drohenden Vergewaltigung der schwangeren Ehefrau und einer wilden Rauferei im Hobbykeller angestrebt, bärbeißige Stunts wie dem Hebeln des Gegners in ein Regal und das Durchbrechen eines Glastisches geboten, eine sprichwörtliche Explosion der Barbarei und eine buchstäbliche Explosion eines Teilstücks des Hauses durch ausgelöstes Unheil, eine Mischung aus Benzin, aus Blut, aus Feuer und Gewalt.

"Man muss plakativ arbeiten. Sonst wird man nicht wahrgenommen."
Ein Startschuss zu noch soviel mehr, der Rest und das Folgende "zwei Jahre später" ist dann weit weg vom heilen Bayern und dem Oktoberfest und einstmals blühenden, dann grob zerstörten Partnerglück, ein Geklüngel in der politischen High Society einer Art südamerikanischen Bananenrepublik (gedoubelt von Mallorca, mit einer Landesflagge, die dem von Döbern im LK Spree-Neiße im Südosten von Brandenburg entspricht), mit Ritualmorden einer Geheimorganisation und einer Zweigstelle einer Mafiaplotte wird dann geboten und ein mehrdeutiges Intrigenspiel, ein Klon zwischen DePalma für Arme und Mastroianni quasi und ein verzwickt-verzwackter Thrillerritt, wo die Meuchelmörder am Meucheln sind. Hinzu kommt noch eine Investigativ- und Justizschnurre um Lobbyismus im großen Stil, Schutzgelderpresser und deutsche Racheengel, ein heikles Techtelmechtel verschiedener Personen und verschiedener Organisationen, in der alles irgendwie wenig koscher, und recht schief gehauen und gezimmert, aber auf die triviale Art durchaus (negativ) effektiv wirkt. Die viel beschworene schöne Gegend und das Tourismusmilieu können auch nicht verbergen, dass das Umfeld hier auf seine unangenehme Art und Weise und den vorhandenen verbalen Drohungen, den allgemeinen Lug und Betrug, der Untätigkeit von Recht und Ordnung usw. usf. eher krank erscheint und man sich selbst als Zuschauer davon belastet fühlt.

"Durch deine unbeherrschte Geilheit bringst du unsere ganze Organisation in Gefahr."
Nichts für Memmen also, eher die Sadisten- und Masochistenversion aus a) der Familienserie Hotel Paradies, dessen Schauplätze man zuweilen teilt und wo es auch um die Liebe und die Leidenschaften und mal auch die Intrigen und den Konkurrenzkampf, dort zwischen zwei Hoteliers, hier allgemein der Menschen untereinander geht, und b) einem Schmierenprozess im Sinne von Die Affäre der Sunny von B., zu dem man plötzlich im letzten Drittel vom allgemeinen Krimischund und sowieso einmal quer durch den Genregarten und die Stimmungsbeete springt. Gefangen zwischen Rühr- und Schauerstück und Brachialreißer mit Aktionseinlagen (wie einer Autohatz über den Terpentinen und einer Bootsexplosion) par excellence, ein lebendig gewordenes Groschenheft, mit K.-o.-Tropfen im Whiskeyglas, mit merkwürdigen Wendungen und frappierenden Tragödien, mit grausigen Wasserleichen, mit einem angedeuteten Blowjob im Büro, der dann auch noch brüsk verweigert wird, mit Kraftausdrücken wie dem unfeinen "billige Vorstadtnutte" und "Bumst du immer noch mit Huren?", einem sowieso rauen Ton und der schussbereiten Waffe im Gepäck und sowieso all over the place. Kent macht hier die Julia Roberts, Huff den Thomas Jane, zwischendurch läuft noch der Herbert Fux als ein 'Kommissar Gonzales' durch das Areal vom El Arenal und bekommt man Sky DuMont vor seiner Heirat mit der Mirja und auch den Arthur Brauss zu sehen.

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