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Herbst 1939. Generalmobilmachung in der Schweiz, alle kampftüchtigen Männer werden eingezogen zum Dienst fürs Vaterland. Begeistert mit dabei: Theophil Läppli, nicht besonders helle, dafür Patriot aus tiefstem Herzen. Seine Einberufung verpasst er zwar, weil er einen Pazifisten nachäfft und prompt selbst wegen aufrührerischer Reden verhaftet wird, aber schliesslich klärt sich die Sache und Läppli darf endlich in die Kaserne einrücken. Dort erkennt man sofort, dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, erklärt ihn für verrückt und weist ihn ins Lazarett ein. Der Truppenarzt jedoch hält Läppli für einen Simulanten, so dass dieser schlussendlich doch noch nach Schaffhausen zu einer HD-Kompanie versetzt und dort einem Westschweizer Oberleutnant als Assistent zugewiesen wird.
Dieser hat von da an keine ruhige Minute mehr: Ganz egal, ob Läppli einen Kanarienvogel hüten, einen Liebesbrief überbringen oder einfach nur an einen neuen Standort reisen soll, alles endet immer in einer Katastrophe; einmal wird der Tollpatsch sogar mit einem deutschen Spion verwechselt und eingesperrt. Als er dann schlussendlich ein Munitionslager bewachen soll, kann auch das unmöglich gut enden...

Der Schweizer Kabarettist und Schauspieler Alfred Rasser erfand die Figur des Theophil Läppli bereits 1945. Der tollpatschige HD-Soldat (HD steht für „Hilfsdienst") mit der nasalen Stimme und dem buschigen Schnauzer, dessen Abenteuer meist während des Zweiten Weltkriegs spielen, war ein grosser Erfolg auf der Bühne und wechselte 1954 mit dem Kurzfilm LÄPPLI AM ZOLL auch auf die Leinwand. Fünf Jahre später folgte dann eben HD-SOLDAT LÄPPLI, sein erster Langspielfilm, 1961 kam mit DEMOKRAT LÄPPLI eine Fortsetzung nach.

Der Film bleibt durchaus seinen Wurzeln treu, erinnert stark ans Volkstheater und liefert folglich deftige (aber natürlich immer harmlose) Scherze und Schwänke, die in Form einer Nummernrevue abgehakt werden und sich eher lose an einen roten Faden halten (die Plotte orientiert sich grob an dem Roman DER BRAVE SOLDAT SCHWEJK von Jaroslav Hasek, wobei die bissige Satire der Vorlage abgemildert wird). Die Gags stammen dabei öfters mal aus Grossvaters Mottenkiste, kommen altbacken und eher kindisch als lustig rüber, aber die meisten zünden auch heute noch (wenn Läppli beispielsweise versucht, den Kanarienvogel mit der Katze zu versöhnen oder den Psychiater konsequent als „Büsiater" anspricht), sind teilweise sogar richtiggehend grandios, vor allem dank der genialen Grundprämisse: Läppli wäre mit seiner Autoritätsgläubigkeit und seinem unbedingten Gehorsam („Wenn ein Soldat denkt, ist er kein Soldat mehr, sondern ein Zivilist") eigentlich der perfekte Soldat, würde er nicht aufgrund seiner, äh, mentalen Beschränktheit und Ungeschicklichkeit ständig an der Umsetzung der Befehle scheitern; zieht er sich dann in der Folge den Zorn seiner Vorgesetzten zu, prallen Beschimpfungen und Bestrafungen aber an seiner radikalen Gutmütigkeit ab (so muss das Strafexerzieren abgebrochen werden, weil dem Offizier die Puste ausgeht, während Läppli sogar noch genügend Luft hat, ihm die umständliche Methode erklärt, mit welcher er sich die Nummer seines Gewehres merkt), womit er das Kader erst recht zur Verzweiflung treibt.

In den besten Momenten gelingt es dem Film, die Verbohrtheit der Offiziere, die ungesunde Machtstruktur des Militärs (nach unten treten, nach oben buckeln) und die Unsinnigkeit so mancher militärischer und behördlicher Regel zu entlarven. Alles in allem hat man hier eine Militärsatire, die in der Zeit des kalten Krieges und in einem Land wie der Schweiz, in welchem das Militär dank Milizarmee stark in der Bevölkerung verankert ist, wohl gar nicht mal so unmutig war. Allerdings schwächen die allgemeine Harmlosigkeit der Witze und die Versetzung der Handlung um einen Zeitrum von 20 Jahren in die Vergangenheit den satirischen Grundton ab.

Dass Rasser nicht unbedingt der versierteste Filmregisseur war, verwundert wohl nicht in Anbetracht seiner Herkunft als Theaterschauspieler und der Tatsache, dass er neben diesem Film nur noch die erwähnte Fortsetzung inszeniert hat. Zudem konnte er kaum auf ein grosses Budget zählen (Massenaufmärsche von Soldaten finden sich nicht, der Krieg an der Front findet nur als Geräusche statt und auch die Explosion am Schluss wird nur angedeutet), was alles in allem dazu führt, dass HD-SOLDAT LÄPPLI nicht gerade der formal aufregendste Film aller Zeiten ist. Auch das weitgehende Fehlen eines Scores trägt nicht zur Auflockerung der Filmkonsumierung bei (witzig ist aber der schräge Marsch während des experimentell gestalteten Vorspanns).

Die Kamera steht meist statisch in der Gegend herum (oft wirkt der Film wie ein abgefilmtes Theaterstück), auch wenn es ein paar Schwenks in den vielen langen Einstellungen oder vereinzelte Kamerafahrten gibt. Es kommt dem Film zugute, dass man viele Aussenaufnahmen in Dörfern, Städten und der freien Natur gemacht hat (am meisten beeindruckt hier sicher der Kampf zwischen Läppli und dem deutschen Spion auf dem Rand einer Klippe, wobei man die Szene sicher auch um einiges aufregender hätte gestalten können), aber es wird eigentlich weitgehend in Studiokulissen gearbeitet.

Gewitzt ein paar gelungene Szenenübergänge: Da sagt Fräulein Brodbeck, die Zweifel gegenüber der Treue des Oberleutnants, ihres Verehrers, Ausdruck verleiht, „Die Katze lässt das Mausen nicht", in der nächsten Einstellung sehen wir die Katze, die gierige Blicke auf den Kanarienvogel gerichtet hat. Oder der Psychiater trommelt mit den Fingern auf den Tisch, was in der nächsten Szene in das Trommeln einer Militärkapelle übergeht.

Alfred Rasser ist als Verkörperung des Läppli natürlich in jeder Sekunde absolut überzeugend. Immy Schell (Schwester von Maximilian und Maria Schell) ist als Fräulein Brodbeck vergötternswert. In der Rolle des Fritz Mislin, Läpplis altem Kumpel, der diesem öfters begegnet und schon mal zu einer Schandtat überredet, haben wir Otto Wiesely. Leider ist mir nicht bekannt, wie der Typ heisst, der den Oberleutnant spielt, aber der macht seine Sache jedenfalls auch gut. (Man hat schon Mitleid mit ihm, wie er wegen Läpplis Unsinn ständig von den Vorgesetzten runtergeputzt wird und gar droht, die Gunst von Fräulein Brodbeck zu verlieren.)

Moral von der Geschichte: HD-SOLDAT LÄPPLI ist eine einfache, bodenständige Armeekomödie, die nicht technisch brillieren oder eine beissende Satire sein will, aber gepflegt unterhält und nebenher ein klein wenig Kritik am Militär übt. Ein Klassiker, der zwar etwas altbacken wirkt, aber den man sich immer noch ansehen kann. Übrigens: Der Film ist um einiges lustiger als ACHTUNG, FERTIG, CHARLIE!, die ultraerfolgreiche (für Schweizer Verhältnisse), aber peinlich-unlustige Militärklamotte von 2003.

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