Raubvogel im Sturzflug
Ein böser Clown zerlegt fröhlich glucksend ein ganzes Polizeirevier und alles applaudiert. Ui, was für eine Gaudi. Harley „fucking" Qinn ist wieder in der Stadt und zeigt dem hoffnungslos unterlegenen Mannsvolk, wo der (Holz-)Hammer hängt. Und wer doch tatsächlich Probleme haben sollte die grell ausgemalte Botschaft zu dekodieren, der bekommt mit dem Endlostitel „Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn" freundlicherweise ein wenig Starthilfe.
Nicht, dass es die bräuchte. Denn sämtliche Damen der Raubvogel-Combo sind cool, tough, attraktiv, oder um im Genre-Jargon zu bleiben: ultimativ bad ass. Die männliche Staffage dagegen besteht aus einem sadistischen Unterweltparvenu mitsamt seinem noch sadistischeren Folterknecht, einem karrieristischen Polizeichef der Marke Schreibtischtäter und ansonsten allerlei Kanonenfutter-Fußvolk auf beiden Seiten des Gesetzes. Kurz: allesamt Loser.
Frauen die in Filmen die Männerwelt aufmischen ist weder ein neues Phänomen, geschweige denn per se ein Problem. In jüngerer Zeit haben Charlize Theron („Atomic Blonde"), Brie Larson („Captain Marvel") und Gal Gadot („Wonder Woman") demonstriert, wie man den Herren der Schöpfung mit Schmackes einen verpasst, ohne dabei die plakative Schlappschwanz-Karte zu ziehen.
Das „Birds of Prey"-Personal versagt in derselben Mission auf ganzer Linie. Die aufgesetzte Bitch-Attitüde der Titelheldin hatte schon im Gurkenvorläufer „Suicide Squad" einen ganz langen Bart, oder äh besser Zopf. Das war und ist zu keinem Zeitpunkt cool, lässig und schon gar nicht souverän. Es ist enervierend angestrengt, bemüht grell und ohne ein Jota Esprit. Margot Robbie liefert nichts weiter als einen weiblichen Joker-Deadpool-Zwitter. Sie kommt dabei ungefähr so gefährlich wie ein Wellensittich und so komisch wie ein Uhu im Winterschlaf rüber.
Eines wird jedenfalls schon nach wenigen Minuten sehr deutlich: die im Titel angekündigte Befreiung ist nicht nur todernst gemeint, sondern auch mehrdeutig. Denn die gute Harlekinnin hat sich nicht nur jeglicher männlicher Dominanz und Einflußnahme entledigt, sondern sich vor allem komplett humorbefreit. Um das auch konsequent an den Mann - und natürlich die Frau - zu bringen, feuert sie einen belanglosen und drögen Oneliner nach dem nächsten unters bemitleidenswerte Zuschauervolk. Und das mit durchschlagendem Erfolg. Nicht ein Gag zündet, nicht ein Spruch ist erinnernswert und Schmunzeln gelingt höchstens bei Pollenallergikern, die das Nießen zu vermeiden suchen. Das offensichtliche Deadpool-Vorbild wird in Sachen derber Sarkasmen und süffisanter Meta-Jokes mit Karacho an die knallbunte Wand gefahren. Immerhin eine außerordentliche Leistung in einem ansonsten durchgängig ereignislosen Film.
Abgesehen von den kläglichen Versuchen Wortwitz und Schmissigkeit zu kreieren, hat „Birds of Prey" rein gar nichts zu erzählen. Das tut er wiederum dermaßen umständlich, dass sich zur Dauerlangeweile auch noch partielle Verwirrtheit gesellt. Da werden allerlei Rückblenden, Zeitsprünge und Freeze Frames eingestreut um eine komplexe Handlung zu suggerieren. Neufilmdeutsch nennt man so etwas „Style over Substance". Die Methodik der gewitzten Narration verkommt zum bloßen Selbtszweck und hat keinerlei Äquivalent auf inhaltlicher Ebene. Frei nach dem Motto „Wenn ich schon den narrativen Offenbarungseid leiste, dann mach ich das wenigstens so kompliziert wie möglich". In unserem Fall ist das die aufregende Geschichte von der Jagd nach einem wertvollen Diamanten. Ja ja, der berühmte McGuffin kann in versierten Regie- und Drehbuchhänden Wunderdinge vollbringen, aber Cathy Young spielt mehrere Ligen unter Alfred Hitchcock und Christina Hodson nicht mal in derselben Sportart wie Angus MacPhail.
Bleibt noch das spielende Personal. Immerhin mit Margot Robbie, Mary Elizabeth Winstead, Rosie Perez und Ewan McGregor recht klingend. Die Dissonanzen lassen aber auch hier nicht lange auf sich warten. Robbies vordergründige Girlie-Performance, befreit von Witz, Charme und Schlagfertigkeit schlägt schon mal kräftig ins Kontor. Unverzeihlich ist es allerdings das Potential von McGregor und Winstead dermaßen uninspiriert zu verschleudern. Beide waren großartig als schmieriges Gaunerpärchen in der dritten „Fargo"-Staffel. Hier muss der eine als sardonischer Unterweltpate mit Joker-Allüren chargieren und die andere eine eiskalte Auftragskillerin im Punisher-Modus geben. Nicht nur sind beide hier grandios fehl besetzt, auch ihre größte Stärke - das nunacierte Spiel der kleinen Gesten und Blicke - ist zu keiner Sekunde gefragt. Rosie Perez schließlich hat sich vermutlich durch die Gewaltoper „Perdita Durango" als „Bird of Prey" qualifiziert, wobei es für den vermeintlich harten Cop Renee Montoya auch ein x-beliebiger RomCom-Star getan hätte.
Wieder einmal hat also DC im ewigen Kampf mit Marvel eine böse Bauchlandung hingelegt. Trotz Staraufgebot und eigenwilliger Optik (allerdings hat der Trailer auch hier wesentlich mehr versprochen, als der fertige Film dann zu liefern vermag) ist „Birds of Prey" ein sehr schlechter, weil sehr langweiliger und sehr unlustiger Film geworden, dessen überkandideltes Personal von einem augelutschten Klischee ins nächste stapft. Die durchgeknallte Joker-Ex als weiblichen Deadpool-Klon zu installieren ist eine der miserabelsten Einfälle in der epischen Geschichte miserabler DC-Ideen. Emanzipation gibts hier nur vom Humor, die dafür total. Die zudem völlige Abwesenheit von Spannung, Tempo, Pfiffigkeit und interessanten (geschweige denn relevanten) Figuren unterbietet letzlich sogar noch DC-Tiefpunkte wie „Justice League" und den Vorgänger „Suicide Squad". Dafür ein dreimal kräftiges Konfetti-Helau aus Harleys dufter T2-Gedächtniskanone. Aktuell ist ja mal wieder die Hochzeit der Narren, zumindest das passt dann ja.